Kann man in der Auseinandersetzung mit einem Tonarm Demut lernen? Man kann. Denn der Mørch DP-8 ist eine Zicke. Aber eine begnadete. Er ist vielleicht das Beste, was Sie ihren Schallplatten antun können. Und er ist mit großer Wahrscheinlichkeit das Fieseste, was Sie Ihren Nerven antun können. Aber fangen wir mal demütig ganz von vorne an …
Mørch – ausgesprochen „Mörch“ , wie mörcherisch – heißt mit Vornamen Hans Henrik ist Däne und baut seit vielen Jahren mit einigen wenigen Mitarbeitern in Gentofte bei Kopenhagen Tonarme. Bekannt sind der „kleine“ einpunktgelagerte Mørch UP-4 und der klassische kugelgelagerte DP-6. Beide Tonarme sind feinmechanische Kleinode, gegen die die marktbeherrschenden Arme von den kleinen Regas bis zu den großen Clearaudios und Armen von SME wie vom Pferdeschmied geschlagen aussehen. Tonarme von Mørch hingegen sind feinziseliert und sensibel wie Schweizer Uhrwerke.
Das dritte und derzeitige Spitzenmodell aus dem Hause Mørch ist der DP-8. Er ist schon seit einigen Jahren auf dem Markt und so wundert es, dass man in der deutschsprachigen Fachpresse kaum Besprechungen zu ihm findet. Selbst in den U.S.A. gibt es nicht viel zu lesen. Empfehlenswert ist eigentlich nur die Besprechung von Robert E. Greene in abso!ut sound.
Dabei verspricht der DP-8 wie seine kleineren Geschwister einen einzigartigen Handling-Vorteil gerade für Tester, die gerne mal so nebenbei den Tonabnehmer wechseln wollen. Die Mørch-Arme sind nämlich ruckzuck montiert. Man muss nur eine kleine Schraube am Kopf des Lagers entfernen und schon kann man den ganzen Arm samt Tonabnehmer abheben. Es soll Vinylisten geben, die sich eine ganze Reihe fertig montierter Mørch-Arme mit ihren Lieblingstonabnehmern auf Vorrat legen. Wahrscheinlich im Klimaschrank. Wie Zigarren.
Ähnlich wie eine Zigarre der Marke Cohiba verhält sich der DP-8 ein wenig zickig. Die Cohiba, das kubanische Spitzenprodukt schlechthin, ist weitaus empfindlicher in Bezug auf ihre Lagerbedingungen als andere große Marken wie Romeo y Julieta oder meine Lieblinge von Montecristo. Eine Cohiba geht für einen Einsteiger in die Gesellschaft der Aficionados gar nicht. Und falls Sie noch nie einen Tonarm selbst installiert haben, dann sollten Sie Ihre Finger vom DP-8 lieber lassen. Das liegt an seiner überaus anstrengenden Variabilität.
Ich kenne keinen Arm, bei dem man wirklich alle bekannten Einstellungen bequemer vornehmen könnte. Und keinen, bei dem man mehr Fehler machen kann. Überhang, Kröpfung, VTA, Azimut, Auflagekraft, Antiskating, Vertikal-Bedämpfung, Bedämpfung des Tonarmliftes – alles kann man falsch einstellen. Und man stellt auch erst mal alles falsch ein. Das kennen Sie schon alles von anderen guten Armen? Und das „Gravitätszentrum“ haben Sie auch schon mal falsch eingestellt? Nein? Das kennen Sie nicht? Kannte ich auch noch nicht. Beim DP-8 gibt es das. Und zwar aus gutem Grund.
Der Mørch DP-8 kann Bass – und zwar richtig viel
Was den Mørch DP-8 wirklich einzigartig macht ist seine Bass-Kompetenz. Ich kenne keinen Tonarm, der es in Sachen Bass-Präzision mit dem DP-8 aufnehmen könnte. Denn Hans Henrik Mørch hatte eine hervorragende Idee. Und wie alle hervorragenden Ideen ist sie eigentlich einfach und naheliegend: Um dem Arm die Wiedergabe eines wirklich straffen und vollen Bass und gleichzeitig feiner Höhen anzuerziehen, hat Mørch seinem Top-Produkt eine wunderbar leichte vertikale Bewegungsfreiheit mitgegeben. Vertikal liegt der Arm leicht in seinem beiden Saphir-Lagern. Horizontal aber verfügt der Arm über eine hohe Masseträgheit, die durch die seitlich angehängten Gewichte erzielt wird. Diese Gewichte sollen das Flattern des Armes in der Horizontalen verhindern und damit erst eine stabile Reproduktion der tiefen Töne ermöglichen.
Und dieses Prinzip der vertikalen Leichtigkeit und der horizontalen Bedämpfung – sein Erfinder nennt es „Anisotropic“ – funktioniert: Die Bässe kommen unglaublich intensiv und gleichzeitig exakt und trocken. Dies gilt ebenso für harten Rock, wie für feinen Rokoko, für die „Monks“ nicht weniger, als für Thelonious Monk. Dabei bleiben die Höhen offen und frei, wie bei den besten derzeit erhältlichen Tonarmen.
Der G-Punkt des goldenen Arms
Die seitlichen Gewichte aber lassen sich auch noch in ihrer Höhe verschieben. Und eben so richtet man sein System auf einen optimalen Gravitationspunkt ein. Man kann das nach Anleitung machen oder besser noch nach Gehör. Die Abtastfähigkeit des Tonabnehmers wird offenbar ganz entscheidend von der Höhenachse der seitlichen Gewichte bestimmt. Stellt man alles korrekt ein – dazu später mehr – schafft mein Shelter 501 unter dem Mørch erstaunliche 80µ, was für ein Shelter ein sehr guter Wert ist.
Bei der optimalen Einstellung des Gravitationspunktes hilft nur Probieren. Das geht ja auch ganz einfach: man muss nur mit dem mitgeliefertem Inbusschlüssel die Gewichte ein wenig lockern und verdrehen: die Löcher, durch die die seitlichen Achsen der Tonarmaufhängung geschoben werden, sind ein wenig von der Mitte versetzt angeordnet; dreht man die Gewichte ändert man den Gravitationspunkt.
Ein Shelter 501 auf den Arm genommen
Aber fangen wir von vorne an. Zu Beginn muss natürlich erst einmal der Tonarm in der exakten Entfernung von der Achse des Plattenspielers montiert werden. Bei meinem 12-Zöller – den Arm gibt es natürlich auch als klassischen 9-Zöller – sind das laut englischer Anleitung exakt 294,1 Millimeter. Unterschätzen Sie nicht die Auswirkungen des zehntel Millimeters!
Die Montage des Tonabnehmers – bei mir wie schon gesagt ein Shelter 501 – erfolgt mit dem üblichen Ärger, den man hat, wenn der Kopf über keine eingefrästen Schraublöcher verfügt, sondern wie beim Mørch mit Schräubchen und Mütterchen zurecht gefummelt werden muss. Diese eigentlich unmögliche Montagetechnik hat übrigens zur Konsequenz, dass die Befestigung des Tonabnehmers bei etwas voluminöseren Plattengewichten, wie zum Beispiel bei meinem Scheu, bei blöd geschnitten Innenrillen des wertvollen Vinyls schon mal am Plattenbeschwerer entlang schrubbt. Der Nadel gefällt das gar nicht …
Ist der Tonabnehmer erst mal montiert kann man sich seine Schön-Schablone auf den Teller legen und den Überhang und die Kröpfung so lange einstellen, bis man irgendwie das Optimum gefunden zu haben glaubt.
Gegengewichte und Seitengewichte sollte man vorher schon mal provisorisch montiert haben. Dann springt einem der Arm nicht immer gleich entgegen. Bei der Montage der Seitengewichte nicht vergessen, dass diese links und rechts wirklich millimetergenau spiegelsymmetrisch zu montieren sind. Sonst kippt der Arm beim Spielen wie ein Motorradgespann, das zu schnell in die Kurve geht.
Die Tonarmhöhe sollte ebenfalls einigermaßen genau eingestellt werden. Die finale Einstellung erfolgt später – gerne auch während dem Spiel – durch Drehen an einem kleinen Rändelrad. Das ist übrigens die beste VGA-Feineinstellung, die ich mir vorstellen kann. Da macht sogar die Feineinstellung zwischen 70-er-Jahre-Luschenplatte und 200-Gramm-Reissue wieder Spaß.
Der Tonarmlift muss natürlich auch noch eingerichtet werden. Hierzu füllt man mit der beiliegenden Spritze 0,1 Milliliter in den Tonarmliftzylinder. Dann setzt man den Tonarmlift ein und wundert sich, dass sich der Arm, wenn er sich absenken soll, nicht absenkt. Man probiert es ein Mal, ein zweites Mal, ein drittes Mal. Der Arm bleibt stur oben. Und nun kommt etwas, was Männer nur höchst selten und extrem ungern tun: sie lesen das Handbuch, in diesem Fall also die kleine englischsprachige Anleitung. Aha: das Öl muss sich erst im Zylinder setzen. Das aber braucht so seine Zeit. ERST DANN DARF MAN DEN LIFT EINSETZEN, SONST SENKT ER SICH NICHT IM ZYLINDER AB. Hat man das Öl aber schon mal eingefüllt, dann darf man den Lift nicht mehr herausziehen, weil sonst das Öl am Armzylinder hängen bleibt. Schöne Sch … Nun bleibt einem also nicht anderes üblich, als den Arm beim Absenken ein wenig mit der Hand von oben zu unterstützen. Inzwischen – nach ca. einer Woche – hat sich das System aber so eingeregelt, dass der Arm zart nach unten rutscht, wie eine Weißwurst aus der Pelle. Glück gehabt.
Das Auflagegewicht habe ich bei meinem Shelter 501 erst mal auf die maximalen zwei Gramm eingestellt und anschließend mit einer Testschallplatte die Antiskatingkraft, die der Arm mit einer kleinen Uhrfeder reguliert, optimal eingerichtet.
Dann wurde zum ersten Mal eine Platte aufgelegt und es klang schon ganz nett – das Tonarmkabel war ja noch nicht eingespielt – bis, ja bis nach dem zweiten Song die Nadel sich weigerte ihrem vorgegebenem Lauf zu folgen. Auch bei der nächsten Scheibe hüpfte das Ding mal hier mal dort einfach eine Rille zurück und wieder und wieder und wieder. Das kann kaum am Antiskating, und auch kaum am Azimut liegen, so dünkte mir verzweifelt.
Schon wieder ein Blick in die Anleitung. Dort stand, der Azimut sei eigentlich von Haus aus korrekt eingestellt. Freilich gäbe es Tonabnehmer, deren Nadel ein wenig schräg im Häuschen stünde. Bei meinem Shelter hatte ich da am Scheu Cantus Tonarm nie ein Problem. Aber der Scheu verzeiht offenbar vieles.
Der Mørch verzeiht nichts. „Nach Sicht fahren“ geht gar nicht. Und nach Gefühl auch nicht. Tatsächlich musste ich den Azimut nach Erfahrungswert näherungsweise einstellen. Das ist nicht wirklich schwierig, aber lästig. Man nimmt den Tonarm ab – hierzu muss man wie schon gesagt nur eine einzige Schraube lockern – und schraubenziehert in einem Loch neben der Kontaktstiften im Tonarmlager ein wenig herum. Dann Tonarm wieder drauf und testen. Das wiederholt man solange, bis alles stimmt. Insgesamt ändert man mal hier, mal da, mal Lateral-Balance, mal Auflagegewicht und Antiskating, mal mit Tonarmwaage, mal mit Schablone, mal mit Spiegel und mal mit Beistiftmine, mal mit Testplatte und dann wieder und wieder nach Gehör. Und irgendwann rastet alles ein. Und dann ist man dem vinylistischem Himmel ziemliche nahe.
Näher, als mit allen anderen Tonarmen, die es für weniger als 5.000 Euro zu kaufen gibt.
Der Mørch DP-8 kostet übrigens in 12-Zoll-Ausführung und mit goldenem Finish rund 3.800,- Euro. Es gibt nicht viele Händler, die mit diesem Arm Erfahrung haben. Einer, den man empfehlen kann ist on-off-hifi in Boppard. Und wenn Sie klug, faul oder mit zwei linken Händen gesegnet sind, dann überlassen Sie die Justage dem netten Herrn Insten, der dort die Geschäfte führt. Wenn Sie aber richtig mutig sind und ihren Mørch so richtig als Handwerker von der Pike auf kennenlernen wollen, dann montieren Sie ihn selbst. Aber nehmen Sie das Handbuch ernst. Und jede Millimeter-Angabe. Der Lohn sind wunderbare Stunden basskräftiger Musik vom Vinyl.
Ich hab den Mørch DP-8 übrigens mit allem gehört, was meine kleine Sammlung so her gibt, von Miles Davis über einige seltsame White Label Pressungen von Embryo bis zu Hindemith, einem Höhepunkt meiner Requiem-Sammlung. Das Shelter gibt seine Töne über den Mørch manchmal zu einem reinen Röhren-Phono-Verstärker von Reussenzehn, manchmal zum Shelter-Übertrager 411 und dann zum Heed Quasar. Den Rest erledigen wieder Röhren.
Der Mørch DP-8 wird übrigens mit einem ganz hervorragendem Tonarmkabel geliefert. Die Innenverkabelung besteht aus feinen Silber-Litzen. Da gibt es nichts zu Kritteln.
Für die 12-Zoll-Variante gibt es zwei unterschiedlich schwere Arme: der rot markierte Arm ist mittelschwer mit einer Masse von sechs Gramm, der blau markierte ist extraschwer mit 14 Gramm. Je nach Tonabnehmer müssen Sie sich für das entsprechende Rohr entscheiden. Oder auch nicht: mein Händler, der nette Herr Insten von on-off-hifi hat für mein Shelter-System nicht das theoretisch passende rote, sondern das schwere blaue empfohlen. Die Grundresonanz fällt damit rechnerisch ins Bodenlose und meine Testplatte kann auch keine Resonanz mehr finden, die irgendwo unterhalb von 8 Herz liegt. Eigentlich sollte sich das durchaus negativ bemerkbar machen. Nun ist der Scheu ja ein klassisches Masselaufwerk und eine Resonanz durch Schwabbelfedern gibt es nicht. Aber glaubt man der berüchtigten Studie von Shure aus den 70iger Jahren entstehen ja schon durch die Vinylrillen Resonanzen vor allem zwischen zwei bis fünf Herz, die meine Arm-System-Kombination zum Schwingen bringen sollten. Aber welche Platte ich auch auflege: der Mørch DP-8 liegt so satt in den Kurven wie ein 911er auf der Nordschleife. Sollten Sie also über ein Masselaufwerk verfügen, so probieren Sie ruhig mal den schweren „blauen“ Tonarm.
Oder besser: sie nehmen zwei und haben so immer schnell mal einen harten Tonabnehmer – ein Ortofon Royal N soll ganz phantastisch unter dem Mørch DP-8 und unter die Haut gehen – und ein Weichei zu Hand. Der Wechsel gelingt ja wie beschrieben in einer Minute.
Fazit: der Mørch DP-8 ist eine zickige und begnadete Diva
Was also ist mein Fazit? Bei mir läuft der Mørch DP-8 mit einem Shelter 501 auf einem Laufwerk von Ulla Scheu. Limitieren System und Laufwerk den Arm? Nach meiner Erfahrung ist der Tonabnehmer das wichtigste Glied in der Kette Laufwerk-Arm-Tonabnehmer. Der Arm kann sicherlich erheblich teurere Systeme tragen. Grundsätzlich harmoniert das Shelter sehr gut. Macht ein so hervorragender Tonarm auf einem recht bezahlbaren Scheu-Laufwerk Sinn? Ja. Aber wenn in meinem Fall irgendetwas die Kombination Laufwerk-Arm-Tonabnehmer begrenzt, dann ist es der Motor des Scheu. Für viel Geld gibt es da Besseres. Und auch die Magnetlagerung von Clearaudio wäre ihr Geld wert.
Trotzdem hat meine Laufwerk-Tonabnehmer-Kombination mit dem Mørch DP-8 sehr gewonnen. Und ein zweiter Arm mit zweitem System ist in Vorbereitung. Das ist ja das Schöne am Scheu: er ist ausbaufähig. Und beileibe nicht schlecht, für sein Geld sogar konkurrenzlos gut.
Der Mørch DP-8 ist der beste Tonarm, den ich bislang hören durfte. Er ist ungewöhnlich bassstark und dabei äußerst präzise. Jede der gängigen Einstellungen gelingt wunderbar leicht und schnell. Aber er erfordert ein ruhiges Händchen und viel Zeit und Geduld bei der Einrichtung. Er ist zickig wie eine Diva. Und ebenso musikalisch. Und eine Diva erfordert nun mal Zuneigung und Aufmerksamkeit.
———
Nachsatz: Test-Berichte auf Czyslansky
Czyslansky testet ab und an emotionale und technische Produkte: gründlich und kritisch, aber nach rein subjektiven Kriterien. Bislang erschienen auf diesem Blog folgende Testberichte vom Autor:
Der Streaming Vollverstärker Advance Playstream A7 im Test – C’est Paris merveilleux
Die schnellsten High-End-Lautsprecher im Bugatti Chiron
Kaffeemaschine von Kaffee Partner
Radio Tuner von Restek
Fahrrad (Trike) von HP velotechnik
Sony NEX-7 Digitalkamera
Microsoft Surface Tablet PC
Citroen DS 5 Hybrid
Audio-Technica ATH-W1000X Kopfhörer am Reussenzehn Harmonie III
Schallplattenwaschmaschine von Glaess
Dichtung und Wahrheit – Der RESTEK EPOS+ CD-Spieler im Test
Der Phonovorverstärker RESTEK MINIRIA
Kauf-Tipp: Mobile Kopfhörer für unterwegs
Sepp aus Glas: Der Manley Neo-Classic SE/PP 300B Röhrenverstärker im Te
7 Antworten
Hallihallo aus Berlin, ein herzliches Danke für
den feinen Erfahrungsbericht (und die vielen Hinweise auf Stolperbrocken) über die „Ar-
beit“ mit dem DP-8. Sehr schön ist auch der
Schreibstil, der das Lesen zu einem Vergnü-
gen macht.
Audiophile Grüße
Andreas Much