Ein Unternehmen wechselt sein Corporate Design nicht alle Tage. In guten Fällen noch nicht einmal alle Jahrzehnte. Und in den besten Fällen vielleicht nicht einmal alle Jahrhunderte. Als ehemaligem Marcom-Chef von Microsoft Centrale Europe und langjährigem Agenturbegleiter des Konzerns in Deutschland geht mir das Corporate Design von Microsoft ans Herz. Und an den Verstand. Denn das Design ist immer auch Ausdruck des Seins. Und das ist in diesem Fall verräterisch.

Microsoft sieht also nach aktuellen Berichten (etwa der Seattle Times von heute) künftig so aus:

Das neue Erscheinungsbild lehnt sich stark an die sogenannte Metro-Oberfläche von Windows 8 an. Es ist also bunt und klar. Es ist gefällig. Und absolut austauschbar.

Bezeichnend ist auch, dass offenbar die Produktmarke Windows nun die Unternehmensmarke bestimmt und nicht mehr umgekehrt. Das ist ein graphisches Eingeständnis der Abhängigkeit des Unternehmens vom Kernprodukt Windows. Scheitert Windows 8, der Bild-Spender des Unternehmens, so wird auch das Unternehmen scheitern. Nicht mehr und nicht weniger sagt uns der neue Markenauftritt.

Ein starkes Logo darf nicht auf Gefälligkeit aus sein. Es muss Tradition vermitteln. Stärke und eine gewisse Zeitlosigkeit.

Das uns bekannte Microsoft-Logo steht für eine Epoche, in der Microsoft zum Marktführer und Bill Gates reich geworden ist. Beides übrigens zu Recht, wie ich finde.

 

Dieses Logo kennen wir seit 25 Jahren, seit 1987. Ich habe damals als PR-Chef von Microsoft in Zentraleuropa die Umstellung auf dieses Logo gerade noch aktiv miterlebt. Gestaltet wurde es von Scott Baker und er hat ein starkes Bild geschaffen, sein Meisterstück. Eine klare Bildsprache, die die wechselnden Claims vom Reisebüro („Where do you want to go today“) bis zur Passionsblume („Your potential. Our passion“) geduldig ertrug. 1987, das war das Jahr, in dem Microsoft zum ersten Mal in seiner Geschichte zum größten PC-Softwarehersteller wurde, eine Marktführerschaft, die seitdem nie mehr aufgegeben wurde. Microsoft wurde bald so bedeutend, dass das angeschnittene „o“ alleine überall auf der Welt zur Wiederkennung ausgereicht hätte.

Dieses Logo stand und steht für die Entwicklung der alten MS-DOS-Schmiede zum Windows-Weltstandard, zum Marktführer für Computernetzwerktechnologie, für LAN Manager, SQL Server, für den Weltmarkt-Standard „Office“, kurz: für alles, was Microsoft zu einem erfolgreichen und starken Unternehmen gemacht hat. Das neue Logo aber steht für die Bedrohung von Windows durch die Cloud.

 

Bis 1987 trug das Firmen-Logo aus Redmond noch einen Spitznamen, der es auswies als Signet eines sehr amerikanischen Technologie-Start-Ups: „Blibbet“ nannten es die Mitarbeiter, was man, abgeleitet von „blurb“  wohl am ehesten mit „kleiner Waschzettel“ übersetzen kann:

Das Logo war in einem sehr amerikanischem Techno-Grün gehalten, eine Farbe, die man aus alten U.S.-Serienkrimis kennt: die Wände oder Büroschränke im Police Department von Chief Ironside sahen gerne so aus. „Hübsch hässlich“ hätte man es in Deutschland genannt, wenn man das Unternehmen Microsoft damals hierzulande schon gekannt hätte, was bei zuletzt (1987) 37 Millionen DM Umsatz in der Region zwischen Köln und Novosibirsk (also „Microsoft Central Europe“) stark in Frage gestellt werden kann. In Deutschland warb man für Produkte aus Redmond damals noch mit sehr eigenständigen Anzeigenauftritten, gerne mit Zitaten von Wilhelm Busch und anzüglichen Texten („Microsoft File – einfach geil“). Am 28. Juni 1982 wurde dieses Logo vorgestellt, in der Zeit der ersten IBM-kompatiblen Personalcomputer und der Vermarktung des ersten MS-DOS. Es stand für ein amerikanisches Technologieunternehmen, das irgendetwas mit Bildschirmen (Computern) macht, wie man am „Bildschirm-O“ unschwer erkennen konnte.

Davor war Microsoft eine klassische „Garagenfirma“. Im leicht psychodelischen Flower Power Style der 70iger hallizunierte das „Kurvenlogo“ seit 1975 durch Redmond:

Wären die Druckkosten für Farbausdrucke damals nicht so hoch gewesen, wäre dieses Logo wahrscheinlich in orange entworfen worden. Mit einigen ins lila changierenden Ausschweifungen. Zwischen Flower Power und Techno-Startup gab es noch ein kurzes Interregum der Star Wars Science Fiction Fans:

Dieses Logo galt nur in den Jahren 1980 und 1981. Es war ebenso sehr aktuellen Trends behaftet, wie das Logo des Jahres 2012.

Das neue Metro-Logo ist ein Bild der Schwäche. Es entstand aus einer Verteidigungshaltung. Verzweifelt versucht man in Redmond dem Design von Apple und Google (und dessen Android-Samsung-Statthaltern) etwas entgegenzusetzen. Das ist alles nicht schlecht und alles nicht wirklich gut. Metro ist so wenig originell wie Zune. Metro ist nicht Avantgarde, wie es Apple vor einiger Zeit noch war. Die Microsoft-Leute (v)erklären Metro gerne als „Bauhaus“-Stil und übersehen, dass das Bauhaus fast hundert Jahre alt ist. Aber Mies van der Rohe hätte aus Monsieur Hulot längst Konsequenzen gezogen. Das Design wird Microsoft nicht retten. Not tut in Redmond nicht eine Revolution des Logos, sondern eine der Marke: Microsoft muss wieder offener und kreativer werden als Apple und Google. Das aber würde nicht das Festhalten an Windows (wie wir es heute kennen) bedeuten, sondern seine Überwindung im Namen der Cloud.

2 Antworten

  1. Respekt, das ist ein sehr lesenswerter Artikel. Mir war nicht klar, dass das Logo derart Einfluss auf ein Unternehmen haben kann. Das kommt davon, wenn man nie Unternehmer war.

    Ich würde nicht denken, dass Microsoft scheitert, wenn Windows 8 scheitert. Obwohl es das Kernstück des Konzerns ist und – soweit ich gesehen habe – von Grund auf neu gezimmert wurde, wird Microsoft einen Flop überleben. Mal ehrlich, wäre das nicht so, hätte Microsoft einen schlimmeren Gang nach Canossa erlebt, als abzusehen war, was sich mit dem Windows Vista Desaster anbahnte.

    Ich persönlich hatte erwartet, dass mehr auf die Cloud gesetzt wird. Nicht umsonst gibt es Office 365 und Exchange Online und SharePoint Online und sowas. Nun aber doch wieder x GB an Betriebssystem zu haben, das enttäuscht mich.

    Meine Vermutung ist da, dass Windows 8 wie Vista erscheint, nämlich als Vorläufer, weil man mit dem „richtigen“ System nicht fertig geworden ist. Vielleicht ist dann ein „Windows 9“ ein Cloud-Client.

  2. Microsoft muss sich anpassen, das stimmt. Sie müssen sich bewegen, weg von dem monolithischen Kern hin zu einer flexiblen, kleinen, aber absolut leistungsfähigen und wandlungsfähigen Platform.
    – Das hat man damals auch Linus Torwalds gesagt. Sein monolithischer Kernel werde nie mit der Entwicklung mithalten können. Microkernel und Module wären der einzige Weg. Naja er wollte etwas anderes und nun bestimmt der Linux Kernel mehr und mehr jeden elektronischen Schritt den wir tun. Uhren, Computer, Tablets, Taschenrechner, Industrietuerungen, Autos, Bilderrahmen und Set Top Boxen – überall wütet inzwischen der Linux Kernel im RAM.

    Zurück zu Microsoft: Sie müssen sich wandeln, jedoch auch bald wieder eine Basis schaffen, auf die Unternehmen bauen können. Die Zeit des Wandels darf nicht zu lange dauern. DAU und 0815 User wollen eine gewohnte Basis und nicht alle Jahre wieder eine neue Oberfläsche und eine komplett neue Arbeitsweise.
    Nun kann man Windows XP und 7 nicht forken wie bei freier Software, ansonsten gäbe es XP Forks und Windows 7 wäre bei weitem nicht so oft verkauft worden.

    Der Erfolgskurs immer eine gleichbleibende feste Basis zu bieten wird nun, da sich der klassische PC aus den privaten Räumlichkeiten verabschieded, zur Feuerprobe.

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