Warum 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr den Frieden nicht sicherer machen.
Der russische Überfall auf die Ukraine und die furchtbaren dort begangenen Kriegsverbrechen haben die Friedensbewegung hierzulande gründlich zerrüttet. So viele friedensbewegte grüne und christliche Freundinnen und Freunde singen plötzlich patriotisch die ukrainische Nationalhymne, fordern Waffenlieferungen für die ukrainische Armee, neue Waffensysteme für die Bundeswehr und eine Verstärkung von Nato-Verbänden möglichst dicht an der russischen Grenze. Dies war das Thema im ersten Teil dieser sehr persönlichen Stellungnahme zur aktuellen Diskussion um den Krieg in der Ukraine.
Und wenn der Präsident der USA offen die Entfernung des russischen Präsidenten aus dem Kreml fordert – „Um Gottes Willen, dieser Mann darf nicht an der Macht bleiben“ – dann erhält er offen Zustimmung aus dem ehemals pazifistischen USA-kritischem Lager. Die völlig gerechtfertigte Solidarität mit den Opfern des Kriegs führt einmal mehr zu einem patriotischen Blindflug der Waffengläubigkeit.
Ich halte den Beschluss der Bundesregierung über ein zusätzliches Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro die Bundeswehr aufzurüsten und anschließend dauerhaft den Rüstungsetat auf wenigstens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu halten für völlig verfehlt.
Sicherheit wird nicht über zusätzliche Rüstungsausgaben erreicht und der Frieden ist nicht auf Grund mangelhafter Militärausgaben gefährdet. Die Destabilisierung der Welt beruht wesentlich auf sozialen und kulturellen Ungleichheiten und politischen Ungleichgewichten. Putins abenteuerliche und aggressive Politik wurde erst möglich durch das diplomatische Versagen des Westens nach dem Zusammenbruch des Warschauer Pakts. Einerseits hat man es versäumt die demokratischen Kräfte Russlands zu stärken, andererseits hat man mit den Autokraten des neuen Russlands beste Geschäfte gemacht. Das Anwachsen der sozialen Ungleichheit in Russland hat man toleriert und indirekt gefördert.
Soziale Ungleichheit aber bereitet überall den Boden für autoritäre politische Strukturen. Dies gilt für Russland nicht weniger, als für westliche Demokratien. Putin hätte seine expansive militärische Abenteuer niemals gewagt, hätte er nicht auf die erodierten Strukturen des Westens setzen können, auf eine unter Trump beinahe implodierte westliche Führungsmacht, eine Brexit-geschwächte EU, ein von Rechtsradikalen bedrohtes Frankreich und ein Deutschland mit scheinbar unberechenbaren Mehrheitsverhältnissen und einer von ihm kontrollierten „Alternative für Deutschland“ in allen Parlamenten.