Heute geht es im Literarischen Quintett um fünf sehr unterschiedliche Bücher. Sie vereint eigentlich nichts, außer, dass sie polarisieren. Und zwar auf sehr unterschiedliche Art und Weise.
Akif Pirinçci: Der Rumpf
Das erste Buch ist das Werk eines Volksverhetzers. Akif Pirinçci wurde 2017 vom Amtsgericht Dresden wegen Volksverhetzung verurteilt. Seit mehreren Jahren nimmt er regelmäßig und unmäßig für Pegida und die AfD Partei, äußert sich auf öffentlichen Veranstaltungen ausländer-, juden- und schwulenfeindlich. Die Verlagsgruppe Random House stoppte die Auslieferung seiner belletristischen Titel, der Großhandel liefert seine Titel kaum mehr aus. Kurz: seine Bücher sind kaum mehr im Handel zu bekommen.
Und nun steht da in meinem Regal ein schon etwas älterer Roman von ihm: „Der Rumpf“. Das Buch ist schon 1992 erschienen, weit vor seiner rechtsradikalen Zeit. Und schon 1992 ist die Erstausgabe in meinem Regal gelandet. Und ich mag dieses Buch.
Was macht man nun? Kann man ein solches Buch eines vergifteten Autors vorstellen? Ist es ein vergiftetes Buch?
Ich höre mit Leidenschaft die Musik des Antisemiten Wagner. Ich habe auch die Bibel des Bauernschlächters Luther gelesen. Ich weiß, dass man keine Bücher verbrennen darf. Darf man sie dann verbieten? Ich meine nein! „Der Rumpf“ ist kein faschistisches Buch. Aber es ist das Buch eines heute faschistischen Autors. Vielleicht solltet Ihr es deshalb NICHT KAUFEN. Gönnt ihm seine Tantiemen nicht. Aber leiht es Euch aus.
Wenn es Euch Spaß bereitet ein Buch zu lesen, in dem es um einen irgendwie perfekten Mord geht. Um einen Mörder, der keine Beine und keine Arme hat, der also nur aus Kopf und Rumpf besteht. Und der den unbedingten Willen hat jemanden zu töten. In dieser Konstellation ist die Geschichte notgedrungen ein wenig handlungsarm, was viele Rezensenten dem Roman auch vorgeworfen haben. Ich aber brauche nicht viel Handlung um viel Spaß zu haben. Mir genügt eine gut erzählte Geschichte. Und gut erzählen konnte Akif Pirinçci. Schade, dass uns der Erzähler verloren ging an dunkle Mächte. Ein Buch, das man auch lesen kann, wenn man den Autor nicht mag. Ein Buch für Leser und Leserinnen mit einem ein wenig abseitigem Humor.
Peter Handke: Nachmittag eines Schriftstellers
Nein, von Louise Glück habe ich noch nichts gelesen. Gar nichts. In meinem ganzen Bekanntenkreis gibt es niemanden, der von der neuen Literaturnobelpreisträgerin auch nur ein Gedicht kennt. Was für ein Unglück (Kann man auch nur ein Mal bringen …).
Bei Peter Handke ist das anders. Obwohl sich viele nach der Vergabe des Preises vor einem Jahr nicht mehr erinnern wollten, dass sie ihn früher mal ganz gerne gelesen haben. Aber wie schrieb mein Freund, der Chefredakteur der Frankfurter Rundschau Thomas Kaspar damals so passend: „Der Nobelpreis ist das Schlimmste, was ihm passieren konnte“. Für ihn war Handke einmal sein „Lieblingsschriftsteller“, von dem er sich später angesichts seiner affirmativen Haltung gegenüber Kriegsverbrechern im ehemaligen Jugoslawien radikal distanzierte: „Adieu, Peter Handke“ .
Auch mein Verhältnis zu Peter Handke ist notgedrungen ein gebrochenes. Aber noch immer lese ich ihn fasziniert. Zum Beispiel die wunderbare kleine Erzählung vom „Nachmittag eines Schriftstellers“, in der nichts Aufregendes passiert, aber in der viel verarbeitet wird, was der Schriftsteller in den Monaten zuvor erlebt hat. Das Lesen selbst ist einfach ein Genuss, weil Handke vielleicht derjenige unter den heute lebenden deutschsprachigen Schriftstellern ist, der am sorgsamsten mit der deutschen Sprache umzugehen weiß.
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