Knatter sie doch mal so richtig durch, bis sie wieder normal wird“. Dies fordert ein Facebook-User mit Blick auf die grüne Politikerin Renate Künast. Andere bezeichnen sie als „Drecksfotze“, „Stück Scheiße“, „Schlampe“, „altes grünes Drecksschwein“ oder „Geisteskranke“. Renate Künast wollte gegen diese beleidigenden Äußerungen vorgehen und ging vor Gericht. Nun hat das Berliner Landgericht ihr einen Strich durch die Rechnung gemacht. Und nicht nur das: das Gericht hat der Denunziation im Internet für die Zukunft Tür, Tor und Homepage geöffnet. Und das mit einer skandalösen Begründung.

 
2017-09-17 Renate Künast by Olaf Kosinsky-10

„Von einer Schmähung kann nicht ausgegangen werden, wenn die Äußerungen im Kontext einer Sachauseinandersetzung steht“.

Und diese „Sachauseinandersetzung“ sieht das Gericht in diesem Fall als gegeben an.

Es ging einmal um eine ernsthafte Diskussion um Sexualität und Gewalt

Hintergrund der Schmähungen ist ein kleiner missverständlicher Zwischenruf von Renate Künast aus dem Jahr 1986 (!). In aller gebotenen Kürze:

Im Berliner Landesparlament sprach ein Grüner über häusliche Gewalt. Einem CDU-Abgeordneten war die Debatte wohl peinlich und er fragte den Grünen nach seiner Meinung zu einem alten Beschluss der NRW-Grünen in Sachen „Sex mit Kindern“ (es ging um Straffreiheit) woraufhin Renate Künast das verkürzte Zitat des CDU-Abgeordneten mit dem Zwischenruf „Komma, wenn keine Gewalt im Spiel ist!“ korrigierte.

Mit einigem bösen Willen haben konservative Politiker das später immer wieder so interpretiert, als habe Künast hier „gewaltfreie“ sexuelle Handlungen an Kindern befürwortet. Das ist erstens demagogischer Quatsch und wird zweitens der in der Tat schwierigen Debatte in der grünen und linken Bewegung der 70iger Jahre um libertäre Sexualität nicht gerecht.  Wer mit Günther Amendts „Sexfront“ durch die Pubertät geschubst wurde kennt diese Diskussion. Und die Grünen und auch Renate Künast haben sich inzwischen völlig zu recht klar dazu geäußert, dass sexuelle Handlungen an Kindern immer eine Form von Gewalt darstellen.

Heute geht es um das Recht auf  Denunziation

Aber diese ganze damals notwendige und richtige Diskussion kann doch bei Gott und Amendt kein Argument sein Beleidigung und Hetze im Internet zu begründen.

Die Berliner Morgenpost zitiert aus dem skandalösen Urteil: „Der Kommentar ‘Drecks Fotze’ bewegt sich haarscharf an der Grenze des von der Antragstellerin noch Hinnehmbaren. Weil das Thema, mit dem sie vor vielen Jahren durch ihren Zwischenruf an die Öffentlichkeit gegangen ist, sich ebenfalls im sexuellen Bereich befindet“.

Und weiter: „Die Äußerung ‘Wurde diese ,Dame’ vielleicht als Kind ein wenig viel gef… und hat dabei etwas von ihren Verstand eingebüßt. …“ stellt wiederum eine polemische und überspitzte, aber nicht unzulässige Kritik dar. Denn wie sich aus dem nachfolgenden Satz ergibt, geht es um eine auf die Äußerung der Antragstellerin bezogene Kritik. Dass die Äußerung sexualisiert ist, ist das Spiegelbild der Sexualisiertheit des Themas.“

Oder an anderer Stelle: „Die Bezeichnung der Antragstellerin als ‘hohle Nuss’, die ’entsorgt’ gehört und als ’Sondermüll’ stellt sich als überspitzte Kritik dar.“

Was oder wer hat den Richter denn da geritten? Hier geht es doch wirklich um heftige Beleidigungen und die Aufforderung zur Entsorgung ist – na ja, nach meinem Dafürhalten zumindest – arg nah an einem Aufruf zur Gewalt. Ich bin wirklich kein Anhänger übertriebener political correctness, aber solche wütenden Beschimpfungen muss sich niemand gefallen lassen, kein Mann, keine Frau, keine Grüne, kein CSUler.    (Ein Faschist vielleicht … aber wer will den schon knattern … )

Darf man künftig jeden „entsorgen“, wenn man nur mit einer inhaltlichen Position desjenigen nicht einverstanden ist und darauf „sachdienlich“ verweist? Darf ich der Kanzlerin einen Galgen zueignen, wenn ich mit ihrer Asylpolitik nicht einverstanden bin? Darf ich im Internet jeden als Arschloch titulieren, nur weil ich ihn für ein solches halte? Ich wurde schon mal für die Bezeichnung „Vollpfosten“ abgemahnt. Aber von einer Bank. Da gibt es ein Beschäftigungsverbot für Vollpfosten. Das wusste ich nicht. 

Ich will das alles nicht. Und im Sinne des Sachanlasses: vielleicht ist Sex mit Richtern ja irgendwie auch widernatürlich. Vorstellen kann ich ihn mir jedenfalls so wenig wie mit Kindern. 


Titelbild: AA+W @ stock.adobe.com

Eine Antwort

  1. Danke dafür, Michael.

    Ich würde sagen, da sind Formulierungen dabei, die >zweifelsfrei< strafbewehrt sind.

    Allerdings, ich habe das nur gelernt.
    Zum Praktizieren fehlt mir mangels 2. Staatsexamen die Befähigung zum Richteramt.

    Welch ein Glück. Sonst gäbe es wohl meine 3 Kinder nicht. 🙂

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