Piet de Moor: Gunzenhausen. Das Leben des J.D. Salinger, von ihm selbst erzählt

Piet de Moor tut so, als wäre er Salinger. Das ist auch völlig legitim, da Salinger einerseits ein Profi im Versteckenspiel, andererseits viel zu wichtig ist, um ihm das durchgehen zu lassen. Salinger wurde zwar viel gelesen und man hat viel über ihn geschrieben, er selbst hat aber eigentlich wenig hinterlassen, außer dem Fänger keinen weiteren Roman, gerade einmal 35 Kurzgeschichten und ein paar kleine Erzählungen und eine unbekannte Anzahl von Fragmenten. Über sein Leben ist gar nicht viel bekannt. Immerhin weiß man, dass er nach dem Krieg einige Zeit mit der US Army in Gunzenhausen stationiert war. Gunzenhausen liegt 25 Kilometer entfernt vom mittelfränkischen Regierungssitz Ansbach, meiner Heimatstadt und beide Städte verbindet eine tiefbraune Vergangenheit. Sie waren vor hundert Jahren der fruchtbare fränkische Nährboden der NSDAP. Indem Piet de Moor die Gesprächspartner Salinger den Nazi-Alltag erklären lässt, erklärt er ihn uns. Was nun ist über Piet de Moors „Gunzenhausen. Das Leben des J.D. Salinger, von ihm selbst erzählt“ zu sagen? Es ist ein großartiges Buch. Es ist unterhaltsam und verstörend wie ein J.D. Salinger. Es ist lehrreich wie ein Piet de Moor. Es ist eine dicke Leseempfehlung.
Uwe Wittstock Karl Marx in Algier Eine Buchvorstellung

„Karl Marx in Algier“, das neue alte Buch von Uwe Wittstock. Eigentlich hat Uwe Wittstock in diesem Werk zwei Bücher zwischen zwei Buchdeckel gepresst. Und das tut dem Werk nicht gut. Ferdinand von Schirach lobpreist wohlmeinend: „Uwe Wittstock wechselt elegant zwischen Biografie und Erzählung, und ihm gelingt das Kunststück, die philosophischen Ideen dieser Zeit mühelos zu erklären“. Das ist, so scheint mir, denn doch ein wenig zu viel der Ehre. Tatsächlich springt der Autor von Kapitel zu Kapitel munter hin und her zwischen der Rolle des eintausendzweifünfundachtzigsten Marx-Biographen und Sachbuchautors und des von mir sehr geschätzten einmaligen Feuilletonisten, der wunderbar leichtfüßig und unterhaltsam über die wenig bekannte Reise Marxens ins ferne Algier berichtet.
Buchvorstellung: Varian Frey – Auslieferung auf Verlangen

In „Auslieferung auf Verlangen“ schildert Varian Fry die dramatische Rettung deutsche Emigranten aus Marseille in den jahren 1940 und 1941. unter ihnen so berühmte Namen wie Lion Feuchtwanger, Heinrich und Golo Mann, Alfred Döblin und Franz Werfel.
Ein Sonntag mit Ludwig Fels und Bier

Dieses Buch in ein Nachhausekommen. Jedenfalls für einen Franken wie mich. Ludwig Fels: Ein Sonntag mit mir und Bier. Der fränkische Herbert Achternbusch erklärt sich. Oder auch nicht.
Bedřich Fritta: Für Tommy zum dritten Geburtstag in Theresienstadt

In bunten Bildern schildert der Vater den Alltag seines Kindes im Ghetto ebenso wie dessen Träume: vom satt werden, vom Reisen, vom erwachsen werden in einer freien Welt. Die Träume des kleinen Tomáš unterscheiden sich nicht von denjenigen der nichtjüdischen Kinder auf der anderen Seite der Ghetto-Mauern. Tomáš will Ingenieur werden, oder Boxer, oder vielleicht auch Detektiv oder Künstler. Der Vater warnt den Kleinen nur davor General zu werden, oder Kapitalist. Die Nazi-Erfahrung prägt …
Renate Schmidt: Therese Giehse

Renate Schmidt: Therese Giehse: „Na, dann wollen wir den Herrschaften mal was bieten“. Muss man das Buch über Theres Giehse von Renate Schmidt gelesen haben? Nein. Soll man es lesen? Je nun: wenn man Lust hat sich entführen zu lassen in alte Zeiten freilich. Ist es ein gutes Buch? Eher nicht. Es hilft einem nicht die Giehse zu verstehen, die Geschichte des Theaters vor und nach der Faschisterei zu verstehen. Das Buch ist eine Verführung, also ganz und gar nicht das, was die Giehse auf dem Theater wollte. Denn sie war schon eine Verkörperung des epischen Theaters, nicht so streng und asketisch wie die Weigel. Dazu war die Theres doch zu bayerisch-bäuerlich-barock.
Italo Calvino: Wo Spinnen ihre Nester bauen

Das Buch erzählt vom Krieg und vom Kampf der Partisanen aus der Sicht eines einfachen ligurischen Bauernjungen. Der Junge hat keine Eltern, aber eine Schwester, die sich als Hure bei deutschen Nazi-Offizieren durchschläft und durchschlägt. Der Junge hat keine Ahnung, aber er macht Erfahrungen, vom Töten und vom Lieben in Zeiten des Krieges. Er klaut eine Pistole, um sich die Freundschaft einiger Erwachsener zu verdienen. Er schlägt sich zu italienischen Partisanen. Mit ihm erfahren wir viel über die Zerrissenheit der italienischen antifaschistischen Linken in Kriegszeiten.
Patrick Holzapfel: Hermelin auf Bänken. Eine Leseempfehlung für Bankiers.

Ich sitze gerne. Genauer: ich sitze gerne auf Bänken. Was ich bislang nicht wusste: ich bin ein Bankier. Nun kenne ich natürlich das wunderhübsche Zitat von Mackie Messer aus der Dreigroschenoper „Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?“. Aber ebenso könnte es heißen „Was ist der Besitz einer Bank gegen das Sitzen auf einer Bank?“
Carlo Levi: Die doppelte Nacht. Eine Deutschlandreise im Jahr 1958

Carlo Levi: Die doppelte Nacht. Eine Deutschlandreise im Jahr 1958 „Christus kam nur bis Eboli“, 1945 erschien dieser autobiografische Roman von Carlo Levi. Damit wurde der Autor berühmt. 1958 kam Carlo Levi sogar bis Berlin. Und vorher in die Bierschwemmen von München und in die wieder aufgebaute öde Innenstadt Stuttgarts. Und bevor mich jetzt meine […]
Jean-Claude Izzo: Mein Marseille. Eine Liebeserklärung.

Der kleine Band „Mein Marseille“ versammelt einige kurze Ausschnitte aus den Romanen von Jean-Claude Izzo, vor allem aber kleinere journalistische Texte über Marseille, wunderbare Liebeserklärungen an die Stadt, ihre Bewohner, ihre Geschichte und Alltagskultur. Izzo beschreibt das Licht, das die Stadt zu allen Tageszeiten verzaubert, die Gerüche, die sie durchziehen, das Sprachengewirr in den engen Gassen am Hafen. Er beschreibt die Weltoffenheit der Stadt, die als mediterrane Hafenstadt immer eine Brücke zwischen Europa und Afrika war.