Für den Unternehmerkreis (MUK) habe ich im Frühsommer 2018 eine Umfrage unter oberbayerischen Unternehmen zum Stand ihres Diversity Managements durchgeführt. Die Ergebnisse sind überaus aufschlussreich:

Diversity Management – Was ist das eigentlich?

„Achte darauf, dass ein Stellvertreter immer ein anderer Charakter ist, als derjenige, um dessen Stellvertretung es geht!“

„Fördere im Unternehmen jene, die anders sind, als du selbst!“

Diese und ähnliche Regeln bestimmen schon seit vielen Jahrzehnten das Recruiting und Management in zahlreichen Firmen.

Diversity Management ist die Professionalisierung solcher tradierter Regeln.

Diversity Management Dimensionen
Diversity Management hat viele Dimensionen (Quelle: https://www.charta-der-vielfalt.de)

Vielfalt ist heute eine immer wichtiger werdende Voraussetzung für ein erfolgreiches Wachstum jedes Unternehmens. Dabei meint Vielfalt vor allen Dingen eine Vielfalt an kulturellen Erfahrungen und individuellen Fertigkeiten unter den Mitarbeitern. Teams, in denen Erfahrungen aus unterschiedlichen Kulturkreisen und persönlichen Lebenswelten zusammenkommen, können sich leichter an geänderte Herausforderungen des Marktes anpassen. Deshalb setzen immer mehr Unternehmen auf ein aktives Diversity Management, also eine Steuerung von Vielfalt im Unternehmen.

Eine gute Mischung von Mitarbeitern unterschiedlichen Alters, eine Berücksichtigung beider Geschlechter auf allen Führungsebenen, die Integration von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus anderen Kulturkreisen und Religionen und die Inklusion von Kolleginnen und Kollegen mit Behinderung gilt in vielen Unternehmen heute als Erfolgsfaktor.

Die Umfrage zeigt auf, wie weit Konzepte der Diversity heute in Unternehmen verschiedener Branchen und Größenordnung in der Region München und Oberbayern entwickelt sind. Ausgewertet wurden die Antworten von 187 Teilnehmern. 

Zum Stand von Diversity Management in den Unternehmen

Grundsätzlich ist Diversity Management als unternehmerische Strategie heute weitgehend bekannt. Vier von fünf Umfrageteilnehmern erklären, dass ihnen entsprechende Konzepte vertraut sind. 45 Prozent verfügen bereits über konkrete Erfahrungen mit Diversity-Konzepten in der eigenen beruflichen Praxis. Lediglich drei Prozent kennen den Begriff „Diversity“ gar nicht.

Bekanntheit Diversity Management

Der Mittelstand hat Nachholbedarf im Diversity Management.

Die Intensität der Erfahrungen mit Diversity Management ist stark von der Unternehmensgröße abhängig. Vor allem Mitarbeiter in Großunternehmen und großen mittelständischen Betrieben verfügen über eigene Erfahrungen im Diversity Management. Am wenigsten ausgeprägt sind diese Erfahrungen in mittelständischen Unternehmen, deren Mitarbeiterzahl zwischen zehn und 500 liegt. Bei den ganz kleinen Unternehmen sieht es besser aus. Es ist der Mittelstand, der beim Thema Diversity Management ganz offensichtlich einen deutlichen Nachholbedarf hat.

Mittelstand Diversity Management

Jedes zweite Unternehmen verfügt bereits über ein Diversity-Management-Programm oder plant seine Einführung.

Immerhin 28 Prozent der Unternehmen haben bereits eine Diversity-Management-Strategie implementiert und verbessern diese laufend. Weitere neun Prozent befinden sich gerade in der Einführungsphase und nochmals zehn Prozent planen ihre Einführung im Laufe der nächsten drei Jahre. Nur in etwas mehr als der Hälfte der Unternehmen gibt es bislang keinerlei Diversity-Planungen.

Mittelstand Diversity Management

Im Zentrum stehen flexible Arbeitsmodelle.

Die meisten Unternehmen setzen im Diversity Management bislang auf eine Flexibilisierung der Arbeitsmodelle: 92 Prozent haben flexible Arbeitszeiten eingeführt und schon 78 Prozent bieten mindestens für einige Mitarbeiter/innen Arbeitsmöglichkeiten im Home-Office an. Mehr als jedes zweite Unternehmen gibt an, über besondere Angebote für Erziehende zu verfügen. Inwieweit diese Angebote über gesetzliche Vorgaben hinausreichen, ist aber nicht bekannt. Verbindliche Quoten für die Besetzung offener Positionen durch Diversity-Zielgruppen gibt es bislang nur in sehr wenigen Unternehmen: gerade einmal acht Prozent geben an, dass sie Quotenmodelle einsetzen.

Diversity Management ist ein ökonomisches Ziel.

Diversity Management ist heute nicht primär eine moralische Frage, sondern eine Strategie zur Durchsetzung ökonomischer Interessen der Unternehmen. Befragt man Entscheider in Unternehmen nach ihrer Motivation bei der Durchsetzung von Diversity-Strategien, so geht es in erster Linie um die Steigerung von Produktivität und die Sicherung des Fachkräftepotentials.

Ziele Mittelstand Diversity Management

Frauen sind die wichtigste Zielgruppe im Diversity Management.

Immerhin beziehen sich 39 Prozent der heute etablierten Diversity-Projekte auf Frauen. Die weiteren Zielgruppen sind junge Mitarbeiter/innen (32 Prozent) und ältere Beschäftige (29 Prozent). Ebenfalls 29 Prozent der Projekte beziehen sich explizit auf Männer (vermutlich in Kombination mit besonderen Merkmalen wie zum Beispiel „junge Väter“). Immerhin 28 Prozent der Befragten geben an, dass in ihren Unternehmen Diversity-Programme Personen mit Migrationshintergrund adressieren, 17 Prozent nennen darüber hinaus explizit Asylsuchende und Flüchtlinge als Zielgruppe.

Frauen im Diversity Management

Jedes vierte Unternehmen verfügt über Förderprogramme für Frauen.

Fragt man nach konkret eingerichtet zielgruppenspezifischen Diversity-Programmen, so ergibt sich eine ähnliche Rangordnung:

Größere Differenzen zwischen Diversity-Zielgruppen und konkreten Programmen gibt es bei den Zielgruppen „Personen mit unterschiedlicher sexueller oder religiöser Orientierung“. Diese Gruppen werden zwar als Zielgruppen für das Diversity Management betrachtet, doch scheint es bislang kaum konkrete Programme für sie zu geben.

Zielgruppen Diversity Management

Diversity Management funktioniert

79 Prozent finden, dass die Zusammensetzung der Belegschaft durch Diversity Management sehr oder überwiegend vielfältiger geworden ist. Nur sechs Prozent sehen keinen solchen Trend.

Das zweitwichtigste Resultat im Diversity Management ist die erhebliche Zunahme der Identifikation der Mitarbeiter/innen mit dem Unternehmen. 64 Prozent stimmen der Aussage sehr oder überwiegend zu, dass sich die Motivation der Mitarbeiter erhöht hat.

Auch wenn die Verbesserung des Images in der Regel nicht im Fokus der Unternehmen steht, so stimmen doch sechs von zehn Unternehmen der Aussage zu, dass sich das Image des Unternehmens sehr oder überwiegend verbessert hat.

In der Rangliste der erreichten Verbesserungen folgen

Potentiale Diversity Management

Diversity Management ist Chefsache.

Die wichtigste Rolle im Entscheidungsprozess um Diversity-Management-Projekte spielt die Unternehmensleitung. In 93 Prozent der Unternehmen spielt die Geschäftsführung eine sehr wichtige oder wichtige Rolle, gefolgt von der Personalleitung mit 83 Prozent. In 55 Prozent der Betriebe spielt der Betriebs- oder Personalrat eine wichtige oder sehr wichtige Rolle.

Chefsache Diversity Management

Diversity-Management-Projekte sind häufig nicht adäquat durch eigene Budgets abgesichert.

Fast jedes zweite Projekt verfügt über kein klar definiertes Budget.

Budgets Diversity Management

Vielleicht ist dies auch der Grund, warum sich nur 15 Prozent über „zu kleine Budgets“ ärgern: Wo es kein Budget gibt, kann es auch nicht zu klein sein!

Schwache Dokumentation: Nur zu jedem dritten Projekt gibt es ein bekanntes schriftliches Regelwerk.

Nur 59 Prozent der Befragten geben an, dass sie ein schriftliches Regelwerk zum Diversity Management in ihrem Unternehmen kennen. In mehr als jedem dritten Projekt gibt es keine bekannte Dokumentation.

Regeln Diversity Management

In jedem fünften Projekt wird unzureichend informiert.

Zwei von zehn Befragten fühlen sich nicht regelmäßig über Diversity-Management-Projekte in ihrem Unternehmen informiert.

Info Diversity Management

Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen informieren unzureichend über ihre Diversity-Management-Projekte.

Mittelstand Diversity Management

Eine Umfrage des Unternehmerkreis MUK

Der Abschlussbericht zur Umfrage kann auf der Web-Seite des Unternehmerkreises MUK heruntergeladen werden. heruntergeladen werden: 

Die Umfrage wurde durchgeführt von der vibrio. Kommunikationsmanagement Dr. Kausch GmbH.
vibrio, die IHK München und Oberbayern und die Messe München haben die Umfrage durch Aussendung des Fragebogens an Unternehmen im Raum München und Oberbayern, sowie durch Online-Veröffentlichungen unterstützt.


Titelbild: Nelos  @ stock.adobe.com

3 Antworten

  1. Das tut mir jetzt ja wirklich sehr leid, aber „Diversity“ ist so ziemlich das Unwissenschaftlichste, Ideologiegetriebenste, was man sich vorstellen kann.
    Die „gefühlten“ Vorteile sind nie empirisch robust nachgewiesen worden, auch nicht die betriebswirtschaftlichen. Positive Studien, wie auch die im Artikel zitierten, sprechen von „gefühlter Verbesserung“. Im Gegenteil ist schon in den 70ern – und im Einklang mit dem gesunden Menschenverstand – untersucht und nachgewiesen worden, dass heterogene Gruppen weniger effizient arbeiten und keine kreativeren Leistungen erbracht werden. Im Gegenteil.
    Vielmehr haben reichlich es Negativ-Anekdoten zu „Diversity Management“ zu weltweiter Berühmtheit geschafft.
    Die Namen James Damore und Lindsay Shepherd wecken lebhafte und dystopische Erinnerungen an die Agenda der Diversifizierer.
    Noch so eine kleine Geschichte: Nach einer Veröffentlichung einer Studie zur Ermittlung der „Top 100 Diversity-driven Companies in Silicon Valley“ war die (sogar öffentliche!) Reaktion der Techies die Frage nach den „Top 100 Diversity-ignorant Companies“. Die als Arbeitgeber jetzt sehr begehrt wären.

  2. Da sind wir in der Tat sehr unterschiedlicher Meinung. James Damore hat sich ja nicht gegen Diversity an sich gewehrt, sondern darauf hingewiesen, dass rein bürokratische Diversity-Programme, wie sie seiner Meinung nach bei Google aufgesetzt wurden, nicht zielführend sind. Über seine Thesen zu biologischen Unterschieden zwischen Frau und Mann kann man streiten. Das hat aber mit dem Grundsatz von Diversity, also von Vielfalt im Unternehmen nichts zu tun. Der Fall Lindsay Shepherd liegt ähnlich: da wurde ein Professor, der sich weigerte Transgender-Personen mit der von ihnen gewünschten Anrede anzusprechen, als Nazi diffamiert. Auch hier geht es um unterschiedliche Erwartungshaltungen über die „Reichweite“ geschlechtlicher Gleichstellung. Aber so vielfältig wie unsere Gesellschaft ist, so vielfältig müssen Diversity-Programme aufgesetzt sein. Bei Siemens in Regensburg darf – und muss vielleicht auch – ein Diversity-Programm anders aussehen, als bei einer kleinen Werbeagentur in Kreuzberg. Entscheidend ist, dass wir in die richtige Richtung vorangehen und dabei möglichst viele Menschen mitnehmen. Das ist dann selbst schon Diversity. Da aber, wo unter dem Mantel von Diversity Ausgrenzung geschieht, ist sie von vornherein zum Scheitern verurteilt.

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