Die aktuelle Hochtemperaturdebatte um den Auftritt von Elke Heidenreich bei Markus Lanz bringt das Problem des alltäglichen kleinen Rassismus ja mal wieder in die Klatschspalten. Vor allem: Darf man einen nicht-weißen Menschen fragen, wo er oder sie herkommt? 

Elke Heidenreich meinte über die dunkelhäutige Sarah-Lee Heinrich bei Lanz: „Ich frage natürlich: Wo kommst du her? Und zwar nicht, um sie zu diskriminieren. Sondern, weil ich sofort sehe, die kommt nicht aus Wanne-Eickel oder Wuppertal. Ich finde darin kein Problem, wenn man das fragt. Man sieht es ja.“ Heidenreich findet es im Übrigen ganz „wunderbar, dass wir so viele Menschen aus anderen Ländern hier haben, die bei uns leben und sich engagieren.“ 

Da leben also PoC, dunkelhäutige Menschen, die vielleicht in Köln-Süd geboren wurden „bei uns„, also bei Elke Heidenreich und anderen hellhäutigen Deutschen. Natürlich ist eine solche Formulierung rassistisch. Aber natürlich ist Frau Heidenreich keine Frau Heydrich. Das ist eben der alltägliche kleine Rassismus, der mehr oder weniger in allen von uns steckt  und mal mehr, mal weniger durch unsere mal heller, mal dunklere Haut an die Oberfläche treibt. Er ist erfahrungsgetrieben. Eine multikulturelle und (haut-)bunte Gesellschaft muss man erleben und erfahren und erlernen.

Eine Geschichte über Rassismus aus dem Münchner Untergrund

Vor etwa einem Jahr saß ich abends in der Münchner U-Bahn. Auf der anderen Seite des Mittelgangs saßen sich zwei junge dunkelhäutige Männer lässig gegenüber. Offenbar kannten sie sich nicht. Als der eine den anderen in schlechtem Deutsch fragte „Wo du her?“ erhielt er mit erkennbar Münchner Zungenschlag zur Antwort „München. Munich“ und es entspann sich sogleich folgender, hier aus dem Gedächtnis zitierte Dialog zwischen den beiden

Ja. Aber richtig.

Ich bin von Giesing.“ – Breites Lächeln.

Ja. Aber in wirklich. Ich wirklich von Ghana. Von wo du wirklich?“ 

Schlierseestrass“ – Noch breiteres Lächeln.

Ja, aber wo geboren?

Ja mei – In Giesing halt“ – Lautes Lachen und Schenkelklopfen. Irritierter Blick auf Seiten des Gegenübers. Bei ihm handelte es sich – nach meiner Einschätzung – um einen Asylsuchenden.

In diesem Moment musste auch ich laut auflachen. Da war sie also: die berühmte Frage nach der Herkunft eines dunkelhäutigen Deutschen, dieses Mal gestellt von einem dunkelhäutigen Neuankömmling.

Und ich habe bei mir gedacht: Vielleicht sitzt da in 30 Jahren die Tochter des Emigranten aus Ghana und erzählt irgendjemanden in breitem Münchnerisch, dass sie ein Münchner Kindl aus Sendling ist.  Das wär doch was. Dann wird die Hautfarbe wirklich so egal sein wie die Augenfarbe. Für jede und jeden. Jedenfalls in München. 

Das wird dann auch für 80igjährige Literaturkritikerinnen normal sein. Das braucht halt Zeit.

Rassismus im Schnellwaschgang 

Vielleicht ist es dann auch endlich so, dass in den jungen schicken Hotels PoC nicht nur vorzugsweise im Service-Bereich Dienst tun. Das ist doch auch auffällig, dass vor rund zehn oder fünfzehn Jahren die neuen Hotel-Ketten wie 25hours alle angefangen haben dunkelhäutige Mitarbeiter*innen einzustellen – und zwar v.a. im Frühstücksservice und an der Bar. Wollte man sich ein internationales und tolerantes Image ausgerechnet dadurch aneignen, dass man den Gastro-Rassismus aus den USA importierte?  Liege ich mit meiner Wahrnehmung, völlig daneben, dass die Sichtbarmachung nichtweißer Hautfarben in Deutschland mit der Übernahme rassistischer Muster aus den USA einherging? Und dass uns das auch noch unter dem Deckmäntelchen von Toleranz und Internationalität verkauft wurde? Ich glaube kaum.

Jedenfalls muss der Kampf gegen Rassismus gleichermaßen in den Institutionen und Frühstücksräumen wie in unseren Köpfen und U-Bahnen geführt werden. Und wir müssen stets achtsam sein und eine Elke Heidenreich und uns selbst auf rassistische Äußerungen hinweisen, ohne uns immer gleich aufs schärfste selbst und gegenseitig zu verurteilen, selbst wenn eine oder einer mal das „N“-Wort gebraucht.

N-de.


Titelbild acrogame @ stock.adobe.com

 

3 Antworten

  1. Wir hatten einige Jahre lang eine dunkelhäutige Haushaltshilfe.
    An ihrem ersten Arbeitstag holte ich Sie an der Trambahnhaltestelle ab, da mir das einfacher erschien, als ihr mühsam den Weg zu erklären.
    Da man unser Zuhause mit unterschiedlichen öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen kann und ich Ihr den einfachsten Weg zeigen wollte, fragte ich sie, wo sie den herkomme? Und sie antwortete prompt: „Nigeria“ Da ich allerdings herausfinden wollte, ob für sie die Tram Nummer 5 oder die Nummer 8 besser sei, half mir das nicht wirklich weiter…
    Mit der 8??? fragte ich ungläubig? (Denn dort hatte ich sie abgeholt)
    Sie begriff Ihren Irrtum und antwortete „Nein, Südstadt“
    Wir unterhielten uns ein Bisserl auf dem Weg, dann wollte Sie wissen, ob wir Kinder haben.
    Sie wollte vermutlich einschätzen, wie unordentlich es bei uns zuhause sein würde.
    Ich antwortete wahrheitsgemäß: „vier“ Da blieb sie stehen, blickte mich mit ungläubigen Augen an und meinte: „4 Kinder? Das ist sehr viel für weissen Mann!“

  2. Lieber Alexander, ganz großes Kino. Als Franke, äh, Sudetendeutscher, äh, Nachkomme ostpreussischer Walfänger mit Wurzeln im Hotzenplotzer Schtetl verstehe ich natürlich nur die Hälfte davon, aber immerhin ;-).
    Beethoven soll ja Afrobonner gewesen sein (https://www.welt.de/kultur/buehne-konzert/plus191250683/Rassismus-Ludwig-van-Beethoven-soll-ein-Schwarzer-gewesen-sein.html). Was man so alles liest. Aber das war ja immer schon ein schwarzes Nest …

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