Ich befingere gern kleine Jungs, dafür saß ich schon mal im Knast und mein besonderes körperliches Merkmal: Ich habe eine besonders große Narbe am rechten Ohr. Außerdem wohne ich in Bielefeld in der xxx-Straße

Noch ist niemand genötigt, sein Profil bei Facebook, MySpace, LinkedIn oder anderen sozialen Netzwerken mit solchen Angaben zu versehen. Geht es aber nach dem Abgeordneten im amerikanischen Repräsentantenhaus Jeff Thompson könnte sich das für die Bewohner des amerikanischen Bundesstaates Louisiana bald ändern. Dort im tiefsten Süden steht ein Gesetz, das bereits im August in Kraft treten soll, an: In Louisiana sollen Sexualstraftäter Vorstrafen in ihren Profilen aller sozialer Netzwerke – so sie in selbigen vertreten sind – veröffentlichen. Damit aber nicht genug: Dazu sollen sie auch gleich noch ihre Adresse offenlegen. Und – um die Sache abzurunden- sollen ebenfalls besondere und unveränderliche körrperliche Merkmale beschrieben werden. So meldet es aktuell CNN.
Hinter der Idee steckt auch Gouverneur Bobby Jindal, der das Gesetz laut CNN bereits unterschrieben hat. Sexualstraftäter sollen auf diese Art im Social Web identifizerbar sein. Ziel ist es, sie zu nötigen, soziale Netzwerke zu verlassen, da wohl niemand sich selbst öffentlich derart outen wird. Das Ganze soll dazu dienen, dass sie dort nicht weiter auf Opfersuche gehen können.
Den Gutmenschen, Empörungsmaschinisten und Blockwartmentalikern wird’s sicher gefallen. Ebenso vermutlich den tumben Rednecks. Man kann sich schon jetzt vorstellen, mit welcher Geschwindigkeit diese Fraktionen dem Gesetz in allen Communities Beifall zollen, sollte das Gesetz im August in Kraft treten.

Es ist der altbekannte Ruf nach Zucht und Ordnung, nach harten Strafen und einer lebenslangen Sühne. Das paart sich mit dem üblichen Satz „Wer sich nichts zu schulden kommen lässt, der braucht schließlich nichts zu befürchten“ und der meist hochemotional geführten Debatte gerade  um die Bestrafung von Sexualstraftätern.  Vielen – und nicht nur Eltern – können die Strafen nicht hoch genug sein.

Eine ganz andere Sache – und zwar die der Juristen – ist es, zu prüfen, ob solche Gesetze mit der Verfassung und/oder den Menschenrechten überhaupt in Einklang zu bringen sind. Und das gilt  sicher nicht nur für Louisiana. Nicht unwahrscheinlich ist, das andere amerikanische Staaten diesem Beispiel folgen könnten. Und vielleicht wird irgendwann das Thema auch in anderen Ländern – vielleicht auch bei uns – zur Diskussion kommen.

Neben dem juristischen Aspekt stellen sich natürlich sofort viele   Grundsatzfragen:

Wie weit darf der Gesetzgeber bei der Durchsetzung seiner Ziele – und seien sie noch so ehrenhaft – gehen? Hat nicht auch ein Täter nach verbüßter Strafe ein Recht auf Würde- das Totschlagargument „Was ist mit der Würde der Opfer?“ mal ausgeklammert? Hat ein Täter nicht auch das Recht auf Anonymität und eine zweite Chance? Wie steht es mit dem Schutz der Angehörigen?

Und weiter: Ein vorbestrafter Täter hätte fortan die Wahl, entweder sich aus einem (Groß-)Teil des gesellschaftlichen Lebens zu entfernen, sich also zu isolieren oder eben sich zu stigmatisieren. Damit nimmt er  möglicherweise ungeahnte Konsequenzen und unkalkulierbare Risiken (Verlust des Arbeitsplatzes, keine Einstellung bei Jobsuche, Mobbing durch Kollegen & Nachbarn…, Verlust von Freunden…) für sich und seine Angehörige in Kauf, eventuell für den Rest seines Lebens .

Man muss weder Jurist noch Moralist sein, um eine solche Gesetzgebung als einen  Rückschritt ins finsterste Mittelalter anzusehen. Das ist ein Atavismus in eine Zeit, in der Menschen zu Tausenden für ihr ganzes Leben stigmatisiert, gebrandmarkt oder verstümmelt wurden, wenn sie sich etwas zu Schulden haben kommen lassen – und nicht nur dann. Das ganz im Einklang mit geltendem Recht.

Das Ziel, Sexualtätern die Opfersuche in sozialen Netzen möglichst schwer zu machen, ist nachvollziehbar und gerechtfertigt. Aber nicht jeder Zweck heiligt die Mittel. Und nicht jedes Instrement wird sich als so funktionstüchtig erweisen, wie es der Gesetzgeber gern hätte. Denn nichts ist einfacher, als in den sozialen Netzwerken unter falschem Namen und mit falschem Profil auch weiterhin aktiv zu sein…

Eine Antwort

  1. „…entweder sich aus einem (Groß-)Teil des gesellschaftlichen Lebens zu entfernen, sich also zu isolieren oder eben sich zu stigmatisieren.“

    Ich verzichte freiwillig auf ’soziale Netzwerke‘ (sozial?), bisher ist mir dadurch nichts abgegangen und Nachteile irgendwelcher Art habe ich bisher nie bemerkt. Der Ansatz des Gesetzes ist falsch, die hier befürchtete Benachteiligung aber auch.

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