Lachende Fliegen und kippelnde Beine. Zum Ende der täglichen gedruckten taz.

„Der Begriff „lachende Fliegen“ ist mehrdeutig. Es könnte sich auf einen Ort namens Lachen-Speyerdorf beziehen, wo Segelflugmeisterschaften stattfinden. Alternativ könnte es auch ein Ausdruck für Erlebnisflüge am Flughafen Wangen-Lachen sein, bei denen man das Gefühl hat, zu lachen, während man fliegt.“ Das meint die KI zum Stichwort „lachende Fliegen“. Völliger Blödsinn? Völliger Blödsinn!

Auf die Frage „Was kann ich tun, wenn mein Tisch wackelt“ antwortet die KI: „Ein wackelnder Tisch kann oft mit einfachen Mitteln stabilisiert werden. Zuerst sollte man prüfen, ob alle Schrauben fest sitzen. Wenn der Tisch höhenverstellbare Beine hat, kann man diese anpassen, um eine ebene Fläche zu erreichen.“ Sitzen bei Ihnen noch alle Schrauben fest?

Zum Ende der täglichen gedruckten taz.

Ach was waren das für Zeiten, als es noch keine KI gab. Das waren Zeiten, als man mit einer einfachen Zeitung noch fast alle Probleme lösen konnte: man konnte lästige Fliegen erschlagen und zur Not auch mal einen kippelnden Tisch stabilisieren. Aber die Zeiten der Zeitung scheinen langsam vorbei zu sein. Jedenfalls der Zeitung, so wie ich sie kenne und liebe; also der raschelnden Tageszeitung aus Papier, aus toten Bäumen. Das Lesen der Morgenzeitung am Frühstückstisch ist für mich seit Kindheitstagen tägliches Ritual. In meiner Kindheit ging es nur um den Sportteil, den ich erbittert gegen meinen Vater erkämpfen musste. Recht schnell aber erwachte auch das Interesse an den Büchern für Politik und Lokales, am Feuilleton und schließlich am Wirtschaftsteil.

Mit 19 Jahren bin ich aus meinem Elternhaus ausgezogen und eine meiner ersten Investitionen war der Abschluss eines eigenen Abonnements einer Tageszeitung. Während des Studiums kam eine zweite Zeitung dazu, neben der Süddeutschen Zeitung – der ich bis heute treu geblieben bin – bezog ich von der ersten bis zur letzten Ausgabe „Die Neue“ als zweites Blatt. „Die Neue“ war zeitgleich mit der taz als Alternativprojekt in Berlin gegründet worden, hielt sich aber leider nicht lange auf dem Markt. Sie erschien von 1978 bis 1982. Auf meinem Dachboden steht ein Karton mit sämtlichen Ausgaben. Nach ihrem Niedergang kaufte ich dann unregelmäßig noch die taz oder die Frankfurter Rundschau, las in Kaffeehäusern und im Urlaub gerne auch mal ausländische Zeitungen, vor allem die New York Times, Le Monde oder Libération.

Eine frühe Ausgabe der taz

Seit einigen Jahren beobachte ich mit großer Sorge den Niedergang der Tagespresse. Meine geliebte SZ hat jüngst die Lokalberichterstattung aus dem Münchner Umland in ihrer Druckausgabe weitgehend eingestellt. Die Frankfurter Rundschau ist seit Jahren nur noch ein Schatten früherer Tage.

Die Tageszeitungen stehen enorm im Wettbewerbsdruck elektronischer Medien und konzentrieren sich mehr und mehr auf ergänzende Hintergrundberichterstattung. Das Aktuelle überlassen sie zunehmend den elektronischen und Online-Medien. Es ist abzusehen, dass sich die meisten Tageszeitungen irgendwann in Wochenzeitungen verwandeln. Die taz geht diesen Schritt nun. Am 17. Oktober 2025 stellt sie das Drucken an Werktagen ein. Damit geht eine lange Geschichte zu Ende. Am 17. April 1979 erschien die taz erstmal mit einer täglichen Print-Ausgabe. Damals war die Herausgabe der tageszeitung eine kleine Revolution. Der Zeitungsmarkt wurde aufgemischt. In Berlin gab es plötzlich Alternativen zur Springer-Presse. Die taz und „Die Neue“ erprobten neue publizistische Formate. Unvergessen die Kommentare der „Säzzer“, die streitbaren parteilichen und kontroversen Debatten, die in der taz geführt wurden (und werden). Das raschelte mächtig neben dem Frühstücksei.

Ausgedruckt. Setzmaschine der New York Times aus dem 19. Jahrhundert.

Ab Oktober wird es die taz nun nur noch als gedruckte Wochenzeitung plus als elektronisches aktuelles Medium geben. Damit geht das Blatt vermutlich anderen Tageszeitungen voran. Irgendwann werden auch SZ, FAZ, WELT und all die anderen folgen. Die Zeit der gedruckten Tageszeitungen geht zu Ende. Fliegen haben dann gut lachen, kippelnde Tischbeine müssen wohl mit Bierfilzen stabilisiert werden. Mit wird etwas fehlen. Ich will gar nicht daran denken …

Illustrationen © Michael Kausch

Vielen Dank für dein Interesse an diesem Beitrag. Wenn er dir gefallen hat würde ich mich über ein LIKE freuen. Oder teile ihn doch mit deinen Freunden über ein soziales Netzwerk. Und am meisten freue ich mich natürlich über Kommentare, Kritik und Anregungen.

Weitere interessante Artikel

ARD und ZDF zwischen Trump und Lindner

Der 6. November 2024 war ein Supernachrichten-Tag. Eigentlich ein Tag, an dem das öffentlich-rechtlicher Fernsehen seine Qualität unter Beweis stellen könnte. In den USA wird ein verurteilter Straftäter zum Präsidenten gewählt und in Berlin scheitert eine Regierungskoalition. Aber um es klar zu sagen: In den deutschen Sendeanstalten scheiterte der öffentlich-rechtliche Journalismus.

Weiterlesen »
Wien Prater

Meine zehn Geheim-Tipps für Wien. Ein Reiseführer in Bildern

“Wien hat lauter Wahrzeichen und jeder Wiener fühlt sich als solches” soll Karl Kraus einmal gesagt haben. Und wirklich ist Wien, eine Stadt mit gerade mal knapp zwei Millionen Einwohnern, voll gestellt mit Sehenswürdigkeiten. Die Entwicklung dieser Stadt ist völlig untypisch: Schon im jahr 1920 hatte Wien mehr als zwei Millionen Einwohner. Danach ist Wien verzwergt. Damals war Wien eine turbulente Metropole, Hautpstadt einer Großmacht. Und das sieht man dieser Stadt heute noch an allen Ecken und Enden an. Hier ist alles ein wenig zu groß geraten: die Straßen, die Theater, die Bürgerhäuser, die Museen, das Selbstbewusstsein ihrer Einwohner. Selbst das Rad ist ein RIESENrad.

Weiterlesen »

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.