Diese Digitalisierungsgeschichte spielt auf der kleinen Insel Tory Island. Sie handelt von einem kommunikativen Abenteuer zwischen einem älteren japanischen Gentleman und einem jüngeren irischen Hotelmanager. Der eine spricht kein Englisch und der andere kein Japanisch. Trotzdem haben sie sich bestens verstanden.

Foto: Breandán Ó Nualltáin/flickr
Foto: Breandán Ó Nualltáin/flickr
Tory Island ist eine nur 4 Kilometer lange Insel vor der irischen Nordwestküste. (Überfahrt von Magheroarty, County Donegal) Die 180 Bewohner sprechen noch fließend gälisch (irish), es gibt keine Polizei, aber ein Hotel, zwei kleine Läden, einen Leuchtturm und riesig hohe, zerklüftete Klippen, einige naive Maler und gefühlt 1 Million wilde Kaninchen.
Weil wir begeisterte Irlandfahrer sind und von der irischen Westküste nicht genug bekommen können, haben wir vor 2 Wochen auf Tory Island übernachtet – im einzigen Hotel der Insel, im Harbour View Hotel. Die Bar des Hotels ist der soziale, gesellschaftliche, musikalische und auch in fast jeder anderen Hinsicht Mittelpunkt des Insellebens.
Über einem Pint Guiness kamen wir mit Pad, dem Hotelmanager, Barkeeper und ehemaligem Hochseefischer ins Plaudern, über Tory, über die Menschen im Allgemeinen und über Hotelgäste im Besonderen. Vor einigen Wochen, erzählte Pad, sei ein älterer Japaner zu Gast gewesen. „Er sah aus wie 60, war aber 88 und sprach kein Wort englisch.“ Man verständigte sich zunächst über Gesten. Grundbedürfnisse wie Essen, Schlafen, Trinken etc. lassen sich ja so relativ leicht vermitteln. Bei den höheren Kommunikationsformen wird es dann allerdings schwieriger. Deshalb lud sich Pad eine Übersetzungs-App aus dem Netz und fragte den Mann via iPhone, was ihn nach Tory Island verschlagen hat.
Pad hat uns das vorgemacht (die App kann auch vom Englischen ins Deutsche übersetzen). Dazu redet er auf Englisch ins Handy, hält uns das Gerät ans Ohr und nach einigen Sekunden, bringt die App tatsächlich die gesprochene Übersetzung. Nicht perfekt natürlich, aber gut genug. Mit dem Japaner habe das nicht immer geklappt.

Vieles hätte man der App schriftlich mitteilen müssen, um eine Übersetzung zu bekommen – vor allem vom Japanischen ins Englische. Wie gut die Übersetzung vom Englischen ins Japanische funktioniert, ließ sich natürlich nur am Verhalten des Japaners ablesen, weil Pad ja kein Japanisch kann. Da der ältere Herr aber weder entrüstet weglief, sich scheckig lachte noch völlig irritiert in die Gegend schaute, kann man vermuten, dass er das Wesentliche verstanden hat – wenn auch nicht immer ganz richtig interpretiert, wie sich später herausstellen sollte.
Mit Hilfe der App konnte er seine Lebensgeschichte erzählen – in Kurzform: Er heißt Fumiko mit Vornamen, ist 88 Jahre alt und hat fast sein ganzes Leben bei Toyota gearbeitet. Lange haben er und seine Frau davon geträumt, nach seiner Pensionierung die Welt zu bereisen. In ihrer spärlichen Freizeit suchten Fukimo und seine Frau sich Ziele in aller Welt aus, studierten Reiserouten und überlegten sich seltsamerweise, dass sie alles möglichst mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen wollen. Als er in Rente ging, erkrankte seine Frau und starb. Allerdings nahm sie ihm auf dem Sterbebett das Versprechen ab, die Reise allein zu unternehmen. Sie würde all die schönen Orte, die sie gemeinsam hatten besuchen wollen, schließlich durch seine Augen sehen können. Da Tory Island eines der Ziele war, die die beiden sich ausgesucht hatten, war Fumiko jetzt da.
Er blieb 4 Tage, erzählte Pad, wanderte jeden Tag über die Insel und hat jeden Abend in der Bar einen Whiskey getrunken, aber nur einen.
Doch ob das alles so stimmt, ist natürlich nicht eindeutig zu belegen. Zum einen sind die Iren, irische Barkeeper zumal, große Geschichtenerzähler (immer aufpassen, wenn es heißt „this is a true story“) und zum anderen könnte die Übersetzungs-App auch nicht immer ganz korrekt gearbeitet haben. In der Hotel-Lobby hängt nämlich das ziemlich schreckliche Ölbild eines Fussball-Managers aus Donegal. Pad hat Fukimo via App von ihm erzählt und auf englisch gesagt „die Leute haben ihn als Fussballgott bezeichnet“. Nach dieser Übersetzung, habe sich Fukimo auf dem Weg durch die Lobby jedesmal ehrfurchtsvoll vor dem Bild verbeugt.

Eine Antwort

  1. Fukimo war vermutlich Shinto-Anhänger, und „shinto“ heißt auf Japanisch „Weg der Götter“. Es ist also völlig logisch, wenn er sich vor einem Gott, was auch immer für einen, verbeugt hat.

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