„Just setting up my Twtr.“

Das also waren die famous first words – die ersten Wörter, die Jack Dorsey am 21. März 2006 via Twitter verschschickt hat – der erste Tweet.
Auf den Tag genau sieben Jahre ist das her, dass der Mirkoblogging-Dienst
Twitter ins Leben gerufen und gestartet wurde.  Seitdem ging es rasant aufwärts – nicht in allen Teilen der Welt, nicht in allen Ländern mit dem gewünschten Tempo, aber mittlerweile ist Twitter in der Lebenswirklichkeit vieler Menschen angekommen.

Selbstmord oder nicht? Szenenfoto: Ein riskanter Plan. (c) Concorde Filmverleih 2012

Mich nicht ausgenommen. Es macht Spaß, ist kommunikativ, kreativ und unterhaltsam. Aber es liefert auch Informationen, Nachrichten, Splitter, Einblicke in die Welt, in andere Städte und in das Leben anderer Twitterer – vieles davon würde ich sonst nicht oder nur sehr viel später mitbekommen. Manchmal auch erschüttert es einen. Ganz plötzlich, eiskalt. So zum Beispiel gestern abend.

Ein Twitterer – wir folgen uns wechselseitig, kennen uns aber nicht – schrieb in heller Aufregung, er habe den Verdacht, ein anderer Twitterer seiner Timeline wolle sich etwas antun. Man möge diesen Tweet retweeten. Kurz darauf kam  die Meldung, man kenne mittlerweile durch andere Twitterer, die das gelesen hatten, den Namen des möglichen Selbstmörders, seine Adresse und seine Telefonnummer, habe dort angerufen und mittlerweile die Polizei verständigt.
Nach einer knappen Stunde kam dann Entwarnung. In dieser Zeit war diese Nachricht zigfach getreut worden, viele Twitter-Freunde hatten sich eingeschaltet, den vermeintlichen Selbstmörder versucht zu kontaktieren, freundliche, aufbauende Nachrichten geschickt usw. usw. Eine Welle der Sympathie, der Hilfsbereitschaft, des guten Willens…
Hier ein Auszug aus der Chronik der gestrigen Ereignisse. Avatare und Namen habe ich entfernt, ebenso Tweets in der Timeline der betroffenen Personen, die mit der Sache nichts zu tun haben. Was bleibt, ist die Struktur eines klassischen Dramas:

Akt 1: Der Auslöser:

 

Akt 2: Die Suche:

Akt 3: Die Auflösung:


Epilog: Die Antwort:

Twittergegner mögen in diesem Fall wieder einmal ihre Argumente bestätigt finden. Man kann eben nicht in 140 Zeichen deutlich kommunizieren. Alles ist missverständlich. Und wildfremde Menschen können auf völlig falsche Schlüsse kommen. Sie rufen die Polizei und lösen einen Einsatz aus, der sich als völlig unbegründet erweist. Nur weil ein Telefon „verreckt“.

Aber es ist auch genau anders herum: Auch bei Twitter entwickeln sich Sozialkontakte zwischen den Menschen, die sich möglicherweise wildfremd sind, die möglicherweise nicht einmal gegenseitig ihre realen Namen kennen. Sie werden Bekannte, werden Freunde. Sie sind füreinander da, machen sich Sorgen, geben Ratschläge und helfen, wenn sie meinen, dass der andere Hilfe nötig hat. Und das ist großartig!

Web 2.0 ist längst Wirklichkeit. Sieben Jahre in Twitter.

Herzlichen Glückwunsch Twitter.

Was Kollege Michael Kausch zum heutigen Twitter-Geburtstag zu sagen hat, steht übrigens auch hier auf Czyslasnky: http://www.czyslansky.net/?p=9043.

7 Antworten

  1. Ihr lieben, ich arbeite heute Nachmittag in einem Coffeeshop und habe mein MacBook-Ladegerät vergessen. Ich bin (erstaunlicherweise) immer noch nicht lebensmüde, sollte ich also offline gehen, liegt das nur an fehlendem Strom nicht an fehlendem Lebensmut. Ich sag das nur, nicht dass hier jemand vor lauter Sorge mir eine Einsatztruppe mit Pfarrer und Psychologen …

  2. Coffeeshop? Die gibt’s doch nur in Amsterdam, oder? Ladegerät vergessen, JaJa…

  3. Na, ich weiss nicht. Diese Tweets lesen sich recht gestört. Entweder, dieser Mensch schreibt immer so, dann können ihn die Menschen, die darauf eingestiegen sind, nicht wirklich kennen. Oder er schreibt normalerweise anders, dann hat er durch fahrlässiges Absondern von inhaltsleerem Text all denen, die einen echten Hilferuf über Twitter versenden, einen Bärendienst erwiesen.

    Ich mag Twitter, aber diese Geschichte gehört nicht zu den Gründen, wieso das so ist. Ich finde diesen Vorfall schlicht peinlich. Und wenn etwas peinlich ist, sind Kalauer ein probates Mittel, die Luft rauszulassen. Was keine Despektierlichkeit gegenüber suizidgefährdeten Menschen sein soll.

    Hier also sicherheitshalber ausnahmsweise kein Kalauer. Will Dich ja nicht ärgern, nur widersprechen.

  4. Meine Herren,
    es geht doch an dieser Stelle gar nicht darum, ob der Twitter-Vogel einen Selbstmord angekündigt hat oder nur falsch verstanden wurde (was bei dem Ausriß oben ur noch schwieriger zu deuten ist).
    Es geht darum, dass die Community soziale Verantwortung übernimmt und diese ins RL übertragen hat. Twitter kann eben mehr als nur Nachrichten und Gerüchte verbreiten und Langeweile vertreiben helfen. Denn hinter den Avataren verbergen sich teilweise echte Menschen, für die das, was sie lesen, Bedeutung hat. Darum ging es mir. Denn diese Reaktion war alles andere als peinlich, die war zutiefst menschlich, hilfsbereit und fürsorglich, vielleicht etwas panisch, aber nicht peinlich.

    Und Kalauer, lieber Sebastian, sind m.E. mitnichten immer eine probate Reaktion auf Peinlichkeiten, denn sie setzen dem Kalauerer selbst oft genug selbiger aus. Denn der Kalauer ist platt, kein Zeugnis für feinsinnigen Witz, oder geistige Reife. Ironie wäre da besser.

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