Das klingt erstmal – nun seltsam – so wie nicht mit Seife waschen, ein Handy, aber keinen Mobilfunkturm in der Nachbarschaft, nie auf Fliesenfugen zu treten, weil das Unglück bringt und wie viele andere Ticks, die Leute pflegen und auch noch als das Alleinseligmachende verkaufen. Nun, Luis Suarez versucht jetzt seit 23 Wochen ohne E-Mails zu leben und veröffentlicht jede Woche einen Statusreport .

Suarez ist kein ungewaschener Müsli-Esser, sondern Berater bei IBM Global Services, genauer Evangelist für Social Networking, also sicher kein Technikhasser.
Er findet E-Mail nur ein sehr ineffiziente Art der Kommunikation, wie er in einem Artikel erklärte, den die New York Times über ihn veröffentlichte:

I stopped using e-mail most of the time. I quickly realized that the more messages you answer, the more messages you generate in return. It becomes a vicious cycle. By trying hard to stop the cycle, I cut the number of e-mails that I receive by 80 percent in a single week.

It’s not that I stopped communicating; I just communicated in different and more productive ways. Instead of responding individually to messages that arrived in my in-box, I started to use more social networking tools, like instant messaging, blogs and wikis, among many others. I also started to use the telephone much more than I did before, which has the added advantage of being a more personal form of interaction.

I never gave up my work e-mail address, because I still need it for some work-related activities — for example, for one-on-one discussions that are too private and confidential to discuss publicly.

Offenbar geht es ihm darum, zu beweisen, dass sich E-Mail nur für bestimmte Zwecke eignet, aber beispielsweise nicht dazu, Kritik zu äußern oder komplizierte Sachverhalte zu erklären. Für so etwas, sollte man doch lieber mit den Leuten persönlich sprechen, oder sie anrufen. Das sei viel persönlicher. Aha! Eigentlich müsste man Amerikaner sein, um so etwas erst nach einem fast halbjährigen Selbstversuch heraus zu finden. Aber auch dieses Vorurteil bestätigt sich leider nicht. Suarez ist Spanier. Trotzdem überlege ich ernsthaft, ob ich es nicht auch mit irgendeinem hirnrissigen Selbstversuch in die Online-Ausgabe der New York Times schaffen könnte. Wie wäre es mit: „Leben ohne Digitalkamera“ oder „Kein Schritt mehr zu Fuß“. Absolut in die Zeit passen würde wahrscheinlich: „Leben ohne iPhone“. Habe ich es schon gesagt? Ich liebe das Web!

5 Antworten

  1. Leben ohne Auto …
    Leben ohne Fernsehen …
    Leben ohne Telefon …

    Die „Leben ohne …“ Reportagen sind wahrscheinlich so alt wie das Leben selbst, oder zumindest so alt, wie es Medien gibt, die darüber berichten können. Immer irgendwie amüsant, diese schrulligen „was-wäre-wenn“ Geschichten.

    Leben ohne E-Mail …

    Die Erkenntnis ist banal: Für viele Zwecke ist die E-Mail im Beruf nicht mehr wegzudenken, aber für genauso viele Fälle wäre ein einfacher Anruf besser geeignet.

    Fakt ist: In den meisten Unternehmen diktieren ankommende E-Mails massiv den Arbeitstakt. Während ein Fax und ein Rückruf ruhig mal einige Stunden warten können, beugt sich fast jeder dem Zwang des sofortigen Re-Mails. Und das ist meist nicht sehr produktiv.

    Wir haben von „Reagieren auf E-Mails“ zu „Agieren mit E-Mails“ gewechselt. Es gibt täglich zwei kleine Zeitfenster, in denen wir uns um die Mails kümmern. So ähnlich wie früher mit Internen Memos oder der Hauspost. Das ist extrem wirkungsvoll, zielgerichtet und produktiv …

  2. die burgersche mailpolitik klingt interessant: nur zwei mal am tag emails beantworten.

    ich habe hier schon die angewohnheit meine emails nicht einfach jederzeit aufploppen zu lassen. ich merke nicht, wenn ich eine email erhalte. kollegen senden mir eine mail und erwarten, dass ich sofort drauf reagiere. wenn ich aber an einem langen text oder einem konzept sitze, kann es sein, dass ich erst mit zwei oder drei stunden verspätung reagiere. das schöne daran ist, dass sich dann viele dinge bereits erledigt haben. meistens zum besten. manchmal aber auch vepasse ich, wenn ein kollege spontan zum sektempfang läd. das ist dann eher blöd.

    ich fürchte nur, irgendwann kommen die menschen auf die idee, wenns ganz eilig ist, mir was reinzutwittern. oder schlimmer noch: sie kommen selbst! 😉

  3. die Potenz von E-Mail ist Instant Messaging. Das ist praktisch synchrone Kommunikation. Beim Chatten, weiß dein Gegenüber nämlich, dass du gerade am Rechner sitzt. Da hilft dann wahrscheinlich in der Tat nur noch Abschalten oder, das Modell von Herrn Burger weiter entwickelnd, Sprechstunden einzurichten. Wenn es so weit ist, können wir aber auch wieder zu ganz normalen Briefen zurückkehren. Deren Beantwortung dauert dann wahrscheinlich nicht so lange, wie man auf Mail-Antwort warten muss

  4. >beugt sich fast jeder dem Zwang des sofortigen Re-Mails.

    Das ist genauso komisch wie die Tatsache, dass wir uns pausenlos von einem Anrufer den Zeitpunkt diktieren lassen, an dem wir über ein bestimmtes Thema mit ihm a, Telefon reden. Warum eigentlich? Nur weil er das Gespräch bezahlt?

    Eigentlich müssten wir den Mumm aufbringen zu sagen: „Lieber Herr Meier, Ihr Anruf kommt gerade ungelegen, ich habe eigentlich etwas ganz anderes zu tun und ich bin auch nicht richtig vorbereitet. Sie dürfen mich gerne morgen Nachmittag um 15:30 Uhr anrufen, da werde ich Zeit für Sie haben, und ich habe dann die Unterlagen vor mir liegen.“

    Aber wer traut sich das schon…

  5. Aber wer traut sich das schon…

    Genau! Wer traut sich das?

    Zur selbstbestimmten Kontrolle der Kommunikation braucht es Disziplin, Courage und einen starken Willen. Das fremdbestimmte Abarbeiten von Aufgaben ist so viel einfacher und verführerischer.

    Apropos „Courage“: Hier sind wir kommunikationstechnisch noch in Wild Wild West. Wenn ich oft sehe, wie jemand beim Geschäftsessen wegen eines Handyanrufes a) seinen Hauptgang kalt werden läßt und b) gleichzeitig die Unterhaltung am Tisch lähmt, sehne ich mich nach irgendwelchen akzeptierten Verhaltensmustern ala Knigge. Aber das ist ein anderes großes Thema …

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