Auf der High End traf sich nicht die High Society

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Bild: High End Society

Gestern ging hier in München im M.O.C. die High End zu Ende, eine meiner absoluten Lieblingsmessen: alles rund um Plattenspieler, (Röhren-)Verstärker und überhaupt um die Dinge, die unser Wohnzimmer zu einem akustischen Genusstempel machen (können). Mehr als 20.000 Besucher hatten die Veranstalter erwartet. Finale Besucherzahlen haben die PR-Kollegen des Veranstalters leider noch nicht publiziert. Aber auch das ist wie immer: die größte Hifi-Messe Europas hat auch in diesem Jahr auf PR weitgehend verzichtet: Die Pressematerialien sind kaum mehr als Marketingprospekte der Hersteller, das Pressezentrum kaum mehr als eine Ecke im Foyer und die Berichterstattung in den „großen“ Medien bekannt karg. Immerhin bringen es die Pressemeldungen des Veranstalters nicht mehr regelmäßig in unser Kuriositätenkabinett der PR-Sprachvirtuosen, wie noch vor einigen Jahren. Habt Ihr einen neuen Texter?

Wenn denn schon mal eine der großen Tageszeitungen über die High End berichtet, dann kopfschüttelnd fokussiert einzig auf das Thema „Teure Teile für reiche Hörer“. Natürlich gab es auch in diesem Jahr wieder Kabel für 25.000 € zu bestaunen (siehe Bild).

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Und Transrotors Plattenspieler für 140.000 € war nicht der einzige Exot in den Hallen. Aber das Gros der Besucher informierte sich über Anlagen, deren Gesamtpreis (zumeist CD, Verstärker, Lautsprecher plus gutes altes Radio) in der Regel doch bei deutlich weniger als 5.000 Euro, oft sogar bei unter 2.000 Euro liegt. Nein – die High End ist keine Millionärsmesse. Aber wenn heute dem deutschen Durchschnittshaushalt der Genuss von Musik in den eigenen vier Wänden nichts mehr wert ist und der Handel mit der Aufforderung „nicht blöd zu sein“ mit klappernden Blechkisten rauschende Erfolge feiert, dann erscheint Journalisten offenbar auch schon ein klassischer und preisWERTER Rega-Plattenspieler als Luxus-Gut. Wenn aber die Hifi-Ausstattung in deutschen Haushalten in der Regel 10 oder gar 20 Jahre im Einsatz ist, ehe sie mal ausgetauscht wird, dann sollte man doch meinen, dass ein paar Euro mehr für derart langlebige Kulturgüter investiert werden könnten. Eine Openkarte in München kostet locker mal 200 Euro. Warum sollen dann ein paar Tausender für einen ordentlichen Musikgenuss zuhause „pervers“ sein?  Und es geht auch billiger. Für meine Tochter habe ich mir auf der High End eine ordentliche Microanlage vom jungen deutschen Anbieter Audio Block angehört. Knapp 600 Euro für ordentlichen und langzeittauglichen Klang. Mit Internet-Radio, CD und auch noch ganz gut anzuschauen. Jedenfalls wird sie sich damit ihr Gehör nicht versauen. wie mit den Schüttelboxen aus den Media- und anderen Märkten. Und wer weiß: vielleicht tut’s sie’s ihrem Bruder ja eines Tages gleich und leistet sich noch einen kleinen Plattenspieler dazu. Mich würde es freuen …

Natürlich geht das mit dem Hören ein paar Stufen auf der Preisschwelle höher nochmal besser. Die beste Vorführung war für mich dieses Mal bei German Physiks zu vermelden. Eine spannende und überaus räumlich klingende Lautsprecherarchitektur, die stark an meine eigenen Duevel-Lautsprecher erinnern.

Wir sollten jedenfalls daran arbeiten, dass Musik endlich wieder mehr wird, als „Beschallung“ mit Lärm, dass Menschen wieder Wert auf gutes Hören legen. Es gäbe so viele spannende Geschichten über das Kulturgut „Hören“  zu berichten, dass mir nicht einleuchten will, warum es in der Berichterstattung und leider auch in der PR-Arbeit der High End immer nur um das oberste Ende der Preisfahnenstange geht. Das Thema Musik und Hörgenuss hat durchaus mehr als 20.000 Besucher verdient.

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Live-Musik auf dem Stand von Silent Wire

Aber mit dem Kulturgut Musik im Wohnzimmer befassen sich die großen Medien ja nicht. Wie auch, wenn sie gar nicht verstehen, um was es auf der High End eigentlich geht. Meine geliebte Süddeutsche Zeitung hat in diesem Jahr den Vogel abgeschossen bei ihrer Berichterstattung zum Messeauftakt: überall sehen die Kollegen „Lautsprecher aus Horn – darauf schwören Klangpuristen“. „Lautsprecher aus Horn, die aussehen wie auf Gestelle montierte Flüstertüten“ … HALLO … RUNTERKOMMEN … Hornlautsprecher bestehen aus allem möglichem, aber in den seltensten Fällen aus Horn! Bei mir zuhause sind die Hörnchen aus schlichtem Schichtholz. Hornlautsprecher nutzen hornförmiger Trichter zur Schallverstärkung. Nicht alles, was ein „Horn“ im Namen trägt, ist auch aus Horn, liebe SZ-Kollegen. Euer Mitarbeiter Peter Horn ist doch auch nicht aus dem Vollen gefräst, sondern aus Fleisch und Blut. Eben.

Und Ihr, liebe Veranstalter der High End: Gebt Euch endlich mal Mühe, den Journalisten zu erklären, um was es auf Eurer wirklich tollen Veranstaltung weigentlich geht. Heute wissen noch nicht einmal Technikjournalisten, was ein Hornlautsprecher ist. Und welche Vorteile Gold und welche Konsequenzen Silber im Signalweg hat. Wir brauchen eine Hör-Erziehung für die schreibenden und bloggenden Kollegen, damit sie endlich von dem Irrsinn lassen, „gut hören oder gut sehen [sei] vor allem Glaubenssache“ (SZ). Mit einer solchen Öffentlichkeitsarbeit wäre die High End Society als Veranstalter einer tollen Messe wirklich in der Mitte der Gesellschaft angelangt.

Und weil das Auge ja doch immer ein wenig mithört, zum Abschluss noch ein Bild meines geliebten Scheu unter dem ebenfalls verehrten Miles Davis – just a kind of blue:

scheu

4 Antworten

  1. Manchmal werde ich auch ein wenig wehmütig nach alten Analogplatten. Ich selber habe auf meinem ersten und einzigen Plattenspieler ausschliesslich Pumuckl Platten gehört.

    Für meinen ersten CD Player gab es nur eine einzige CD zu kaufen „Brothers in Arms“ alles andere war Karajan & Co. Das waren die Achtziger (zu denen man ja jetzt immer 1980er sagt)

    Ich bin also eigentlich total digital aufgewachsen (natürlich ausser Pumuckl) aber irgendwie faszinieren mich diese Dinger, die meine Kinder nur als alte, grosse, schwarze CDs kennen.

    Dabei sind sie ja gar nicht immer schwarz … Irgendwie musst du mir mal erklären, warum man diese Dinger noch hört, ich könnte dafür empfänglich sein …

  2. ganz einfach: weil der man in black von american IV auf vinyl noch halbwegs erträglich klingt … soweit ich weiß, hast du „nur“ die cd. sag mal: die platte ist doch wirklich so viel schlechter, als die anderen fünf americans, oder?

    aber im ernst zum thema vinyl:

    ok, eine gute cd klingt nicht schlechter als eine gute vinylplatte. es gibt aber viel mehr schlecht aufgenommene CDs, als schlechte schallplatten. und ich hab einfach viele alte platten und deshalb auch ein ordentliches abspielgerät. und wenn man einen guten plattenspieler hat, braucht man aus klanggründen jedenfalls keine CDs.

    und die haptik einer schwarzen scheibe ist einfach um so viel befriedigender als eine cd … das sieht sogar mein sohn so, auch wenn er zusätzlich die dinger dann immer noch auf mp3 brennt.

    und an der plattenkiste beim gebrauchttandler lernt man die entschieden spannenderen menschen kennen, als in der cd-ecke. von den milchgesichtern vor dem dvd-regal ganz zu schweigen 😉

    und sticky fingers auf cd ist doch sowas von katholisch!

    kurz: vinyl ist single malt, cd ist johnny walkers pisse. that’s it.

  3. Es gibt von Johnny Cash gar keine schlechten Platten/CDs/Downloads

    Ich denke, dass die CD im Grunde nur ein Übergangsmedium war, so wie die CD-ROM oder die DVD. Es macht einfach keinen Sinn digitale Daten auf einem „materiellen Körper“ aufzubewahren. Wenn Musik analog ist gehört sie auf Materie, ist sie digital gehört sie in die Cloud …

  4. Nicht nur, dass man an der Plattenkiste die interessanteren Menschen trifft, zumindest bestimmte Musik verlangt nach meiner Empfindung sogar nach einer (kratzigen) Schallplatte: Jazz finde ich z.B. geht nur live oder von der Schallplatte. Bei allen anderen Medien fehlt irgendwas…

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