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An diesem Wochenende will die AfD auf ihrem Parteitag ein neues Grundsatzprogramm beschließen. Aus diesem Anlass beschäftigen sich zahlreiche Medien mit der Partei und meine geliebte Süddeutsche Zeitung sieht die AfD an der Weggabelung zwischen Nationalkonservatismus und Rechtsradikalismus. Das ist falsch!

Der Versuch zwischen nationalkonservativen und rechtsradikalen Teilen der AfD zu unterscheiden als fatal. Es gibt keine „guten“ und „bösen“ AfD-Teile. Vielmehr ist die Verbindung aus nationalkonservativen und rechtsradikalen Forderungen typisch für rechtsradikale politische Organisationen – nicht erst seit 1945.

Das doppelte Gesicht der AfD ist ein Januskopf: beide Seiten gehören zusammen

Im Entwurf für ihr Grundsatzprogramm beruft sich die AfD einerseits auf demokratische Traditionen – etwa auf die bürgerlichen deutschen Revolutionen von 1848 und 1989 – formuliert aber andererseits in vielen Punkten in faschistischer Tradition, in dem sie demokratisch gewählte Volksvertreter als Repräsentanten eines undemokratischen Systems brandmarkt. Unseren demokratisch gewählten Gremien wirft die AfD pauschal den „Bruch von Recht und Gesetz und die … Zerstörung des Rechtsstaats“ vor. Demokratisch gewählte Volksvertreter werden pauschal zu Verfassungsfeinden erklärt:

„Heimlicher Souverän ist eine kleine, machtvolle politische Führungsgruppe innerhalb der Parteien…. Es handelt sich um ein politisches Kartell, das die Schalthebel der staatlichen Macht, soweit diese nicht an die EU übertragen worden ist, die gesamte politische Bildung und große Teile der Versorgung der Bevölkerung mit politischen Informationen in Händen hat. Nur das Staatsvolk der Bundesrepublik Deutschland kann diesen illegitimen Zustand beenden.“

Dies erinnert nicht zufällig an die Schmähungen der demokratischen Parteien durch die NSDAP in den 20iger und 30iger Jahren des vergangenen Jahrhunderts.

Die AfD fordert offen die Verfolgung von Minderheiten und marginalisierten Gruppen, da wo diese Marginalisierung heute schon mehrheitsfähig erscheint oder unter Hinweis auf Trends in anderen demokratischen Staaten als legitim dargestellt werden kann. Beispiele hierfür sind die Forderungen nach dem Verbot der Burka oder – unter Verweis auf das laizistische Frankreich – das Verbot von Kopftüchern in Schulen. Zugleich wird dem Laizismus der Kampf angesagt.
Dem Islam wird ein Frauenbild unterstellt, dass grundsätzlich im Widerspruch zu unserer Verfassung stehe:

„Der Integration und Gleichberechtigung von Frauen und Mädchen sowie der freien Entfaltung der Persönlichkeit widerspricht das Kopftuch als religiös‐politisches Zeichen der Unterordnung von muslimischen Frauen unter den Mann.“

Gleichzeitig wird ein traditionelles auf die Vorherrschaft des Mannes basierendes Familienmodell als gesellschaftlich verbindlich formuliert.

Die AfD steht für einen Ausbau staatlicher Zentralgewalt und den Abbau demokratischer Kontrolle

Die AfD plädiert offen für die Aushöhlung unserer Rechtsstaatlichkeit. Wesentliche Elemente des unabhängigen und offenen Justizsystems sollen abgeschafft werden:

„Das Rechtsmittelsystem ist so zu gestalten, dass zügige Entscheidungen möglich werden, indem insbesondere Urteilsaufhebungen und Zurückweisungen zur Neuverhandlung abgeschafft werden.“ „Vor dem Hintergrund der steigenden Brutalität jugendlicher Krimineller und der gravierenden Problematik jugendlicher Intensivtäter halten wir es für wichtig und zweckmäßig, auf volljährige Täter das Erwachsenenstrafrecht anzuwenden und das Strafmündigkeitsalter auf zwölf Jahre zu senken.“

Rückversicherungssysteme unserer Justiz werden systematisch in Frage gestellt.

„Nicht therapierbare alkohol‐ und drogenabhängige sowie psychisch kranke Täter, von denen erhebliche Gefahren für die Allgemeinheit ausgehen, sind nicht in psychiatrischen Krankenhäusern, sondern in der Sicherungsverwahrung unterzubringen.“

In Bezug auf ausländische Straftäter fordert die AfD: es „muss für gefährliche Kriminelle Sicherungshaft verhängt werden können“.

Zur Schutzhaft, wie sie Deutschland unter dem NS-Regime erlebt hat, ist es da nicht mehr weit!

Die AfD steht für den Abbau von Sozialstaat und demokratischer Technologie- und Umweltpolitik

Andererseits plädiert die AfD für einen drastischen Rückbau der demokratischen Elemente des Staates. So „ist der öffentliche Sektor über sachgerechte Grenzen hinausgewuchert. … Es bedarf neuer Konzentration auf die vier klassischen Gebiete: Innere und äußere Sicherheit, Justiz, Auswärtige Beziehungen und Finanzverwaltung.“

Von einer demokratischen Forschungs- und Technologiepolitik und einer auf Gerechtigkeit fokussierten Sozialpolitik ist keine Rede wenn es um die zukünftige Entwicklung des Staates geht.

Mit einem wirtschaftsliberalem Kurs laufen die Forderungen der AfD auf Steuersenkungen und damit verbunden einen umfassenden Sozialabbau hinaus:

„Dazu ist es erforderlich, die Staatsaufgaben zu reduzieren und den finanziellen Staatszugriff auf die Einkommen und Vermögen der Bürger zu reduzieren. … Die AfD will die derzeit zur Erhebung ausgesetzte Vermögensteuer und die Erbschaftssteuer abschaffen.“
„Die AfD will die Bundesagentur für Arbeit auflösen und ihre Aufgaben vor allem auf kommunale Jobcenter übertragen.“

Der kulturelle Bildungsauftrag des Staates wird grundsätzlich in Frage gestellt:

„Die Zahl der öffentlich‐rechtlichen Fernseh‐ und Rundfunkprogramme muss deutlich verringert werden, auch deswegen, um die Entwicklung einer leistungsfähigen privaten Medienlandschaft nicht durch unfaire Konkurrenz zu behindern.“

Eine indirekte Kulturförderung wie die Förderung von Literatur durch einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz wird von der AfD ebenfalls bekämpft.

In der Technologiepolitik setzt die AfD auf Open Source Software, die deutschtümelnd als „quelloffene Software“ bezeichnet wird. Diese Software ist als Alternative zu Softwarestandards „ausländischer Hersteller“ zu verstehen. Ähnlich nationalistisch argumentiert die AfD im kulturpolitischen Umgang mit Unternehmen wie Google: „Die Digitalisierung der Deutschen Literatur ist eine von Deutschland zu leistende Aufgabe.“

Nur Deutsche löschen deutsche Bücher in der virtuellen Bücherverbrennung!

Die umweltpolitischen Forderungen der AfD sind von abenteuerlicher Wirrnis geprägt:

„Das Klima wandelt sich, solange die Erde existiert. Die Klimaschutzpolitik beruht auf untauglichen Computer‐Modellen des IPCC („Weltklimarat“). Kohlendioxid (CO2) ist kein Schadstoff, sondern ein unverzichtbarer Bestandteil allen Lebens. … IPCC und deutsche Regierung unterschlagen die positive Wirkung des CO2 auf das Pflanzenwachstum und damit auf die Welternährung. Je mehr es davon in der Atmosphäre gibt, umso kräftiger fällt das Pflanzenwachstum aus.“

Konsequent fordert die AfD den weiteren Ausbau der Atomenergie, die Abschaffung des Erneuerbare‐Energien‐Gesetzes (EEG) und die Abschaffung jedweder Klimaschutzpolitik: „Klimaschutz‐Organisationen werden nicht mehr unterstützt.“

Die AfD steht für eine reaktionäre und obrigkeitsstaatliche Familienpolitik

Die Familienpolitik der AfD ist ein reaktionärer Rückgriff auf die Forderung nach Mutterkreuz und Rasse. Offen wird die Familienpolitik in Zusammenhang mit der Forderung nach einem Zuzugstopp für Ausländer gebracht. Die zentrale Forderung lautet „Mehr Kinder statt Masseneinwanderung“.

„Die Familie aus Vater, Mutter und Kindern als Keimzelle der Gesellschaft zu verstehen und den Bedürfnissen der Kinder und Eltern gerecht zu werden, muss wieder Mittelpunkt der Familienpolitik werden. … In der Familie sorgen Mutter und Vater in dauerhafter gemeinsamer Verantwortung für ihre Kinder. Diese natürliche Gemeinschaft bildet das Fundament unserer Gesellschaft.“

Alle anderen Formen des Zusammenlebens sind demnach „unnatürlich“.
Der Auftrag des Staats zur Erziehung wesentlich beizutragen und für Chancengerechtigkeit zu sorgen, wird weitgehend in Frage gestellt:

„Staatliche Institutionen wie Krippen, Ganztagsschulen, Jugendämter und Familiengerichte greifen zu sehr in das Erziehungsrecht der Eltern ein.“

Damit droht die AfD erneut mit einem umfangreichen Sozialabbau. Gerade viele Wähler aus sozial benachteiligten Schichten würden unter einer Regierungspolitik auf Grundlage der Vorstellungen der AfD leiden.

Auch die Reform des Paragrafen 218 würde von der AfD vermutlich rückgängig gemacht. Unter Verweis auf die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche formuliert das Grundsatzprogramm der AfD:

„Dabei liegt nur bei 3‐4% eine medizinische oder kriminologische Indikation vor, in allen anderen Fällen wird der Schwangeren nach einer Beratung eine Bescheinigung ausgestellt, die ihr eine straffreie Abtreibung aus „sozialen Gründen“ ermöglicht.“ „Die Alternative für Deutschland setzt sich für eine Willkommenskultur für Un‐ und Neugeborene ein.“

Wer die Zuwanderung von Immigranten abschaffen will muss auf „Mutterkreuz“ und „Heim ins Reich“ setzen!

„Bereits ausgewanderte Deutsche sind mit speziell auf sie zugeschnittenen Initiativen zur Rückkehr zu motivieren.“ Die Heimkehrer können dann auch gleich das deutsche Gold aus dem Ausland mitbringen. Unter dem Stichwort „Gold heimholen“ formuliert die AfD: „Damit Deutschland bei einer demokratischen Entscheidung hin zu stabilem Geld alle Optionen offen hat, sollte das Gold der Bundesbank ausschließlich in Deutschland gelagert werden.“

Deutsche Tresore für deutsches Gold und Deutsche für Deutschland!

Die AfD und die Verfolgung religiöser Minderheiten

Die Doppelzüngigkeit der AfD wird auch in ihren religionspolitischen Forderungen deutlich. Einerseits fordert die AfD nur einige islamische Gruppen zu verbieten:

„Die AfD verlangt, verfassungsfeindlichen Vereinen den Bau und Betrieb von Moscheen wegen der Gefahr zu untersagen, dass die dort verbreitete Lehre gegen das Grundgesetz und unsere Rechtsordnung verstößt und zu politisch‐religiöser Radikalisierung führt.“

Das Verbot wird also nicht wegen nachgewiesener Verfassungsfeindlichkeit ausgesprochen, sondern wegen einer von der AfD festgestellten allgemeinen „Gefahr“.

Einerseits wird eine Toleranz der Religionen angemahnt und gegen des Islam ausgespielt:

„Das Minarett lehnt die AfD als islamisches Herrschaftssymbol ebenso ab wie den Muezzinruf, nach dem es außer dem islamischen Allah keinen Gott gibt. Minarett und Muezzinruf stehen im Widerspruch zu einem toleranten Nebeneinander der Religionen, das die christlichen Kirchen in der Moderne praktizieren.“

Andererseits droht die AfD auch dem „guten Islam“ mit offener Verfolgung: jedweder islamische Religionsunterricht soll verboten werden. Stattdessen soll der Islam zum Thema für den Ethikunterricht werden. Der Islam wird als unvereinbar mit der deutschen „Leitkultur“ beschrieben und so kann er letztlich auch jederzeit in allen Ausprägungen offen verfolgt werden. Auch in diesem Punkt zeigt sich die offene Verfassungsfeindlichkeit des Programms der AfD.

Deutschtümelei in der Kulturpolitik

„Die Alternative für Deutschland bekennt sich zur deutschen Leitkultur, die sich im Wesentlichen aus drei Quellen speist: erstens der religiösen Überlieferung des Christentums, zweitens der wissenschaftlich‐humanistischen Tradition, deren antike Wurzeln in Renaissance und Aufklärung erneuert wurden, und drittens dem römischen Recht, auf dem unser Rechtsstaat fußt. … Die Ideologie des Multikulturalismus, die importierte kulturelle Strömungen auf geschichtsblinde Weise der einheimischen Kultur gleichstellt und deren Werte damit zutiefst relativiert, betrachtet die AfD als ernste Bedrohung für den sozialen Frieden und für den Fortbestand der Nation als kulturelle Einheit.“

Diese Politik ist reaktionär, da sie jede Weiterentwicklung unserer Kultur ausschließt. Andersdenkende werden sofort als „geschichtsblind“ gebrandmarkt.

Die AfD gegen das Grund- und Menschenrecht auf Asyl

Die AfD wendet sich explizit gegen die Genfer Konvention von 1951:

„Die AfD will diese zynisch hingenommene Folge eines irregeleiteten Humanitarismus vermeiden und die daraus entstehende Gefahr sozialer und religiöser Unruhen sowie eines schleichenden Erlöschens der europäischen Kulturen abwenden.“

Die AfD fordert für Asylsuchende und Kriegsflüchtlinge die Errichtung von Aufnahmelagern in sicheren Herkunftstaaten und die sofortige Rückführung von Asylbewerbern in diese Lager. Für anerkannte Immigranten formuliert die AfD wieder in bekannter Doppelzüngigkeit einerseits nur das Erlernen der deutschen Sprache (Integration statt Assimiliation), andererseits aber zugleich eine nicht begrenzte Anpassung: „Jeder Einwanderer hat eine unabdingbare Bringschuld, sich zu integrieren; er muss sich seiner neuen Heimat anpassen, nicht umgekehrt.“ Unter Verweis auf die verbindliche Leitkultur drohen auch sie Opfer nationalistischer Verfolgung zu werden.

Für Forschung und Wissenschaft gilt einerseits:

„Die Freiheit von Forschung und Lehre sind unabdingbare Grundvoraussetzungen für wissenschaftlichen Fortschritt.“

Andererseits will die AfD die Teile von Forschung und Lehre verbieten, die ihr nicht ins reaktionäre Weltbild passen:

„Die Gender‐Forschung erfüllt nicht den Anspruch, der an seriöse Forschung gestellt werden muss. Ihre Methoden genügen nicht den Kriterien der Wissenschaft, da ihre Zielsetzung primär politisch motiviert ist. Bund und Länder dürfen daher keine Sondermittel für die Gender‐Forschung mehr bereitstellen. Bestehende Genderprofessuren sollten nicht mehr nachbesetzt, laufende Gender‐Forschungsprojekte nicht weiter verlängert werden“.

Unter der Fahne der „Freiheit der Wissenschaft“ will die AfD unsere Hochschulen von Entarteter Wissenschaft befreien!

Kulturpolitische Euthanasie ?

Auch wenn die AfD nicht gleich die Strafbarkeit von Homosexualität fordert, ist das Feindbild doch klar definiert:

„Die einseitige Hervorhebung der Homo‐ und Transsexualität im Unterricht lehnen wir ebenso entschieden ab wie die ideologische Beeinflussung durch das ‚Gender Mainstreaming‘“.

Die Wiedereinführung des § 175 StGB unter der AfD ist abzusehen.

Wie schon bei den Nationalsozialisten sollen neben Homosexuellen auch Behinderte massiv in ihren Grundrechten eingeschränkt werden. Und wieder erfolgt die Verfolgung unter einem dünnen scheindemokratischem Deckmäntelchen:

„Die Forderung, behinderten Kindern Teilhabe am Bildungssystem zu garantieren, ist bereits umfassend und erfolgreich erfüllt. Die ideologisch motivierte Inklusion „um jeden Preis“ verursacht erhebliche Kosten und behindert Schüler in ihrem Lernerfolg. Die AfD setzt sich deshalb für den Erhalt der Förder‐ und Sonderschulen ein.“

Für Behinderte und Lernschwache gilt: Teilhabe am Bildungssystem ja, optimale Förderung nein!

Dass man sich mit solchen Forderungen gerne der Auseinandersetzung mit den Zeiten der faktischen Euthanasie in Deutschland entzieht, ist klar:

„Die aktuelle Verengung der deutschen Erinnerungskultur auf die Zeit des Nationalsozialismus ist zugunsten einer erweiterten Geschichtsbetrachtung aufzubrechen“.

Zusammenfassung

Die AfD formuliert offen zumeist nur das als konkrete Forderungen, was sie als vom Mainstream legitimiert ansieht. Dahinter aber öffnet sie durch einen Zugriff auf völkische Vorteile und einer in weiten Teilen dem Nationalsozialismus verwandten Propaganda den Weg zu einer Transformation unserer Gesellschaft in ein autoritäres und letztlich faschistisches System. Nicht das Aufgreifen einzelner Forderungen der AfD ist heute angezeigt, sondern eine glaubwürdige Politik jenseits der völkischen Rattenfängerei. In diesem Sinne sollten alle demokratischen Volksparteien zusammenarbeiten. es geht um nichts weniger, als um unsere Zukunft.

Mit der AfD geht es nur scheinbar zurück in die 50iger Jahre – es geht zurück in die 30iger Jahre!

3 Antworten

  1. Die Alten erzählen uns, dass Janus, der Gott des Anfangs und des Endes, es scharf hatte auf eine hübsche Nymphe aus dem Hain des Helernus. Diese pflegte sich ihren besonders aufdringlichen Verehrern dadurch zu entziehen, dass sie verschwand, sobald einer sie aus dem Auge ließ. Da Janus aber vier davon besaß und vermutlich deshalb immer mindestens eines geöffnet hatte, zog der Trick bei ihm nicht, und er vernaschte sie nach allen Regeln der Kunst.

    Was sagt uns das für die Zukunft der AfD? Fluchtversuche zwecklos? Oder immer feste aufs Auge, und auf die anderen drei auch? Oh Orakel, spricht zu uns!

  2. Ich schließe daraus, dass Du die AfD nicht wählen würdest. Alles andere geht ein bisserl zu weit: Seit wann werden politische Grundsatzprogramme ernst genommen? Hast Du mal das Grundsatzprogramm der SPD gelesen? Der CDU oder CSU? Was hatte die FDP vergangener Tage mit ihrem Grundsatzprogramm zu tun? Und: „Mein Kampf“ war *nicht* das Grundsatzprogramm der NSDAP. Da standen Sachen drin, die auch nicht radikaler waren als die der anderen Parten aus den Flügeln des Reichstags.

    Lasst uns lieber die einzelnen Leute anschauen und die Basis. Aber kann man wirklich so tun, als ob da irgendetwas homogen wäre? Ich fürchte sogar, durch die ewige Verteufelung von allem, was irgendwie „rechts“ ist, und den Linksruck der CDU gibt es Leute, die es mit der AfD versuchen werden und die mir nicht per se unsympathisch sind. Wo sollten sie sonst hingehen? Ich habe es da leichter, meine Partei gibt es eh nicht, ich bin AfD-ungefährdet 🙂

    Bei vielen Forderungen der AfD wird das „unerträglich rechte“ erst sichtbar, wenn man dazu schnell ein paar Hirnlosigkeiten von Frau v. Storch kombiniert oder darauf hinweist, dass es AfD-Forderungen sind. Ansonsten sind viele Themen diskutabler, als es hier dargestellt ist. Man kann nicht auf alles mit der Nazikeule eindreschen, nur weil Forderungen auch von Unsympathen oder politischen Hooligans wie Herrn Höcke erhoben werden.

    Das hatten wir alles schon mal: Arbeit soll sich wieder lohnen, jener angeblich „unerträgliche neoliberale“ Spruch geht auf Ferdinand Lasalle zurück, den Gründer der SPD. Wenn der das sagt, dann ist es konsequente Anwendung der Schriften von Karl Marx (wer wissen will, wo das steht: Im Kapital. Es geht um die Entfremdungstheorie, also die Stelle, wo dem Arbeiter nur die Subsistenz gewährt, der Mehrwert aber vorenthalten wird. Das funktioniert nur, solange die Produktionsmittel so teuer sind, dass nicht einfach jeder selbst Unternehmer werden kann, der das will und seinen eigenen Mehrwert einstreichen. Also 19. und nicht 21. Jahrhundert). Wenn es ein Liberaler sagt, ist es „irgendwie rechts“. Also bei uns, in den USA ist das immer noch liberal, also beinahe marxistisch aus der dortigen Sicht.

    Also, zusammengefasst: Deine Ansichten in allen Ehren, Du magst halt die AfD nicht, aber Du verdrehst die Forderungen und Aussagen dieser Leute sehr grob und manche Deiner Unterstellungen sind Deiner unwürdig, billigste Polemik. Wenn wir alle uns nicht inhaltlich mit den Themen auseinandersetzen, also ohne Polemik, wird die AfD zu einem bleibenden Phänomen, analog den Grünen, die auch mal mit ihren Forderungen nach freiem Sex mit Kindern und irgendwelchen Ideen, die die Morgenthau-Pläne in den Schatten gestellt hätten, ihrem albernen Rotationsprinzip und der unerträglichen Strickerei im Parlament und letztlich mit dem völlig undemokratischen Ansatz der Umerziehung aller Andersdenkenden genauso unwählbar erschienen wie die heutige AfD. Die stellen heute den mir nicht unsympathischen Ministerpräsidenten von BaWü. Was, wenn in zehn Jahren in Niedersachsen ein AfD-Mann den Präsidenten macht? Und der dann kein Nazi ist? Sondern einfach nur ein „Rechter“, der aber mit Herz und Verstand das Land nach vorne bringt, ohne sich an Minderheiten zu vergreifen?

    Um nicht missverstanden zu werden: Ich sehe derzeit keine Personen in der AfD, die ich für geeignet hielte, ein Amt zu übernehmen. Aber warten wir doch mal auf die nächste Generation. Nicht die AfD ist eine Gefahr für die Demokratie, sondern die, die alle, die nicht im p.c. Mainstream sind, mundtot machen wollen, marginalisieren, ausgrenzen, wenn nicht gleich umerziehen (oder deren Kinder, sicherheitshalber).

    Es lebe der Pluralismus! Politik muss bunt sein!

  3. Lieber SvB,
    ich bin ja eigentlich ein großer Toleranzler und nicht schnell bei der Sache, wenn es darum geht mal wieder jemanden mit der großen „Faschismus“-Keule zu schlagen. Was mich bei der AfD so bedenklich stimmt, ist die Tatsache, dass der Bodensatz von Nazis mit noch durchbluteten Hirnzellen sich überraschend breit hinter das Projekt AfD stellt und dass die Blut-und-Boden-Mystik das Programm schon ziemlich kräftig durchfeuchtet. Ich war auch zu Beginn der Grünen über Schollen-Romantiker wie Baldur Springmann erschrocken – du erinnerst dich? – aber das waren Mitläufer, Auf- und Umsteiger, das war nie der Kern der grünen Bewegung. Außerdem gibt es seit Jahrzehnten einen relevanten Anteil Menschen in Deutschland, der für Nazi-Programme grundsätzlich empfänglich ist. Dieser Anteil lag immer zwischen knapp zehn und 15 Prozent und wurde von der klassischen SPD ebenso assimiliert, wie von der konservativen CDU/CSU. Mit der AfD gewinnt diese Gruppierung erstmals nach den Erfolgen der NPD in den 60igern einen eigenen politischen Kristallisationskern. Und der Anti-Nazi-Reflex in der Mitte der Gesellschaft ist nicht mehr so groß, wie in den 60igern. Das macht mich unruhig. Ich will hier keinen Le Pen und keine FPÖ. Ich halte das nicht für eine „Normalisierung“.

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