Das Münchner Oberlandesgericht hat gestern ein wegweisendes Urteil gefällt, das Stadt-Marketing-Profis gar nicht gefallen kann: Das hochgelobte Online-Portal muenchen.de hat zu viel Inhalt!

Mit seinen guten Geschichten rund um die bayerische Landeshauptstadt sei muenchen.de zu „presseähnlich„. Die Stadt darf ihr Online-Aushängeschild deshalb mit sofortiger Wirkung nicht mehr in der gewohnten Form betreiben. Geklagt hatten in seltener Eintracht die örtlichen Tageszeitungen: die Süddeutsche Zeitung, die Abendzeitung, die tz und der Münchner Merkur. Nach ihrer Meinung verstößt muenchen.de gegen Artikel 5 des Grundgesetzes, der die Pressefreiheit und die Staatsferne der Presse regelt: „Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet“ heißt es dort. Kurz: Wenn das Portal einer Stadt inhaltlich so gut gemacht sei, wie das Angebot einer Zeitung, dann handele es sich um staatsnahe Presse und die Freiheit der Presse, die immer kommerziell sei, sei gefährdet. 

muenchen.de ist Storytelling vom Feinsten

Nun bietet muenchen.de tatsächlich deutlich mehr als nur die Öffnungszeiten von Wertstoffhöfen und Amtsstuben. muenchen.de ist im Selbstverständnis ein Teil der Strategie des Standortmarketings von Stadt und Stadtwerken der Landeshauptstadt. Und die Macher*innen des Portals nehmen Storytelling eben ernst und drucken nicht nur das Kinoprogramm ab, sondern besprechen auch Filme und lassen die Bürgerinnen und Bürger zu Wort kommen. Es gibt hervorragend gemachte Artikel über Restaurants und Freizeit-Tipps und einfach alles, was man als Münchner*in über die Stadt wissen will und muss. Genau deshalb wurde muenchen.de vielfach ausgezeichnet, genau deshalb lieben die Menschen dieses Angebot.

Nun kommen die Revisionisten

Die Stadt München hat bereits angekündigt, dass sie gegen das Urteil des OLG Revision beim Bundesgerichtshof einlegen wird. Und das wird nun spannend werden. Der BGH nämlich hat vor drei Jahren bereits in einem ähnlich gelagerten Fall ganz im Sinne der Zeitungsverleger entschieden. Damals wurde der Stadt Crailsheim untersagt weiter in ihrem Amtsblatt über Vereinsfeste und Fußballspiele zu berichten. Das sei Sache kommerzieller Medien.

Die Münchner tricksen nun ein wenig und behaupten ihr Portal sei ja gar kein informationsmedium für die Bürgerinnen und Bürger, sondern ein Marketing-Medium, eben „Stadtmarketing“.  Dass sie damit durchkommen, glaube ich nicht. Dass die Verlage nicht in der Lage sind gegen muenchen.de eine kommerzielle Alternative zu entwickeln will mir allerdings überhaupt nicht einleuchten. Ein attraktives Informationsangebot mit integrierten Buchungssystemen und Mehrwertdiensten der örtlichen Wirtschaft muss sich doch rechnen. Ich meine, da haben die Verlage einfach die Zukunft verschlafen und nun sollen die Gerichte ihnen den bleiletternen A. retten.  Schade, sehr schade.    

Eine Antwort

  1. Hallo Herr Kausch,
    ich dachte erst das sei Satire … scheint aber nicht so!? Da bleibt Dir echt die Luft weg bei soviel Schwachsinn. Aber das ist ja heute an der Tagesordnung. Ausspucken, Krawatte richten, stark bleiben 🙂

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