Nachdem sich die Freunde Czyslanskys in den vergangenen Tagen besonders den Reiz- und Erregerthemen gewidmet haben (Peta & Tierschutz, Passivrauch-Komplott & Nichtraucherschutz, Lecker & Schlecker) kommt jetzt hier ein richtiges Genussthema. Gereizt und erregt wird dann später wieder…

Es geht um eines der heiligsten deutschen Kühe überhaupt: Neben dem Auto, dem ungebremsten Fahrvergnügen, dem deutschen Wald, dem deutschen Fußball und der Oper gibt es wohl kaum etwas, das dermaßen hochstilisiert, emotional überhöht und weltweit verehrt wird wie das gute deutsche Brot.
Kräftig war es schon immer, vielgestaltig, gehaltvoll und ein wahrer Genuss. Mal abgesehen von den wenigen tierischen Beigaben eines süddeutschen Großbäckers (liegt nicht in den Insekten die Zukunft der Welternährung?) weiß ein jeder das Brot und seine Bäcker zu schätzen. Davon konnte ich mich heute erst in einem Telefonat mit Czyslansky-Kollege Broy überzeugen.

Man geht nicht einfach zu irgendeinem Bäcker, man geht zu seinem, dem wahren, dem einzigen, der das Handwerk richtig beherrscht. Bei ihm schmeckt das Brot, bei der Konkurrenz sind das doch nur getrocknete Badeschwämme.

Es ist eine fast heilige Handlung, spirituell und emotional von großer Bedeutung: Mein Schwiegervater zum Beispiel erzählt, dass man in seiner Familie noch nie zum Rottenwallner gegangen sei, das hat schon die Uroma verboten. „Kind, Du kannst mir jede nach Hause bringen, sogar eine Evangelische. Aber keine, die beim Rottenwallner die Semmeln holt!“ Das Zitat ist nicht verbürgt, aber so ungewähr mag es bei den in Glaubensfragen nicht gerade liberalen Oberbayern geklungen haben.
Der Broy, Alex zum Beispiel, so bekennt er sich, geht grundsätzlich nur zur Hofpfisterei, die immerhin haben eine über 700jährige Tradition und sicher schon dem König Ludwig sein geliebtes Weißbrot serviert – zumnindest, wenn er in München war. In Berg eher nicht, denn dort hat dies der alte Graf-Bäcker und die Heimrathin besorgt. Nachzulesen im „Leben meiner Mutter“ von Oskar Maria Graf.
Überhaupt ist dies eine erbauliche, wenig romantisiert verklärende und doch heimelig stimmende Lektüre über die gute alte Zeit im Bäckerhaushalt, die mitnichten so gut war, wie sie heute gezeichnet wird. Und für die Bäcker noch viel weniger…
Der Hofpfister des Herrn Broy ist natürlich auch eine Filiale eines Großbäckers, nur dass der Chef nicht eine Fernsehmoderatorin geehelicht hat. Aber ansonsten ist es überall das gleiche Prinzip. Die drei lokalen Bäcker hingegen würdigt der Kollege Broy keines Blickes – denn die können ja mal gar nicht g’scheit backen. Ob er recht hat oder nicht ist in diesem Fall nicht abhängig von der Entscheidung einer Studiolampe sondern eine Frage von Geschmack, Einbildung, Glauben, Sturheit und ein wenig Trotz. Das kann ich ihm nicht verübeln, denn auch wir haben unseren präferierten Bäcker, Sie doch sicher auch…

Dann wissen Sie ja, was ich meine.

Nun ist es aber um die Zukunft des Bäckereiwesens eher schlecht bestellt: Der Ruf ramponiert, die Bezahlung niedrig, die Arbeitszeiten sch…. – eben nicht gerade der Traum eines beruflichen Werdegangs. Das muss den Schulabgängern wohl bewusst sein, und der Innung auch. Wie sonst wäre erklärbar, dass es am Nachwuchs mangelt?
Das hat die Innungen des Bäckerhandwerks zu einem bemerkenswerten Image-Film provoziert, der momentan im Netz die Runde macht, launisch kommentiert und von der Facebook-Gruppe für Guerilla-Marketing wärmstens empfohlen.


Natürlich möchte die Innung, dass dieser Film möglichst oft und viel gesehen wird. Soll er doch zum einen helfen, den Ruf der angeknacksten Zunft zu retten. Denn nicht alle strecken das Mehl mit Kakerlaken und Mäusekot – und nicht jedes Mohnbrötchen muss unter Generalverdacht gestellt werden, ob die dunklen eingebackenen Pünktchen wirklich nur Mohnsamen sind.
Zum anderen wünscht sich die Innung nichts sehnlicher als Nachwuchs. Und ganz ehrlich: Brezensalzer ist doch ein so arges Schimpfwort nicht, oder?

Damit wir auch morgen noch genussvoll in Semmeln, Wachauer, Vinschgauer, Laugenstangen, Brezen, Wecken, Croissants, Kaffestücken, Berliner, Krapfen, Röggelchen, Muckerl, Schrippen, Ciabatta, Mazzen, Teilchen, Plunder, Baguettes und wie sie alle heißen mögen, beißen können, schauen Sie diesen Film und werden Sie Bäcker. Wenn Sie schon etwas anderes geworden sind: Dann kaufen Sie gefälligst beim Bäcker. 

Das gilt ganz besonders für die Freunde auf dem Lande. Sonst schließt dieser nämlich auch noch in bester Lecker-Schlecker-Manier schon bald seine Ladentür für immer und sie müssen den Tag in ihrem Dorf mit Aufback-Toasties vom Supermarkt beginnen.

Und wenn Sie das alles nicht interessiert: Genießen Sie 2:11 ein Video, das gute Laune und Hunger auf Backwerk macht. Mir jedenfalls…

 

7 Antworten

  1. Also ich kann mich da der Meinung des Alex broy nur anschliessen.
    Mein Vater , der bis vor einer Woche ( es sein ihm seine altersteilzeit gegönnt) 33 Jahre lang Geschäftsführer der hofpfisterei war hat gezeigt , dass man auch ohne Farbstoffe , Zusatzstoffe , backmittel, ausbeutung und Skandalen ein unbeschreibliches Brot produzieren kann!
    In diesem Sinne lasst es euch schmecken und allseits schöne Ostern
    Viele Grüße Steffi

  2. Da kann ich ja richtig stolz (ohne Nudelholz) sein, als Inspirationsquelle für deinen Blogpost gedient zu haben.
    Der Vollständigkeit halber möchte ich noch mehr Abgründe meiner verwahrlosten Brotkonsumenten-Seele preis geben.
    Ja, ich kaufe mein Brot beim Pfister und meine Semmeln bei einer Augsburger Bäckereikette und … Achtung jetzt kommts: „Meine Croissants beim Lidl!“

    Und warum? Weil sie da am leckersten sind!
    Ich finde es löblich und bewundernswert, wenn man morgens um 04:00 Uhr aufsteht und in die Backstube geht, finde es aber als Verbraucher am wichtigsten, dass man nicht nur die Disziplin hat, sich Morgens früh rauszuquälen, sondern dass man leckere Backwaren herstellen kann. Und da sieht es bei den hiesigen „echten“ Bäckern einfach ganz übel aus. Man muss einfach backen können!

    Und wenn sich ein Croissant anfühlt wie ein gebogenes Hausbrot und schmeckt wie Ciabatta ohne Olivenöl, dann geh ich eben zum Lidl, auch wenn es mir leid tut um den unbegabten Frühaufsteher.

  3. Wie dankbar bin ich, Alex, für diese Lidl-Konfession! Die Dinger sind aber auch lecker, von denen kann sich der Kreisinnungsmeister Höfelsauer ordentlich was abgucken! Und der Lidl hat noch etwas, was ich in meiner neuen Heimat, dem Allgäu, sehr zu schätzen lernte: Die Seele. Geradezu spirituell, religiös, schon vom Namen her. Länglich, außen knusprig, innen weich und im Original mit Kümmel und Salz drauf. Die macht natürlich der Bäcker Holzheu in Dirlewang unübertroffen, die vom Lidl mögen aber als oberbayrischer Ersatz ganz gut durchgehen.

  4. Lidl versuche ich so gut es geht zu boykotieren. Ich habe, als ich zwischen 17 und 19 Jahre alt war, zwangsweise in Schwaben leben müssen und seither einen nicht sachlich zu begründenden Hass auf alles Schwäbische – und auf Diskounter sowieso.

    Ich gebe zu: Meine Frau kauft dort öfter ein und überlistet mich dann wenn sie mich fragt, ob dies oder das mir geschmeckt hat und ich mit „Ja“ antworte. Grinsend meint sie dann das käme vom Lidl. Naja.

    Aber zur Hofpfisterei: Seit dem massiv überhand nehmenden Gesundheitsterror bin ich dazu übergegangen, wieder mehr ungesund zu leben. Und bei der Hofpfisterei steht ja überall „Bio“ drauf. Doch letztens hatte ich Gelegenheit, eine Führung bei der Hofpfisterei mitzumachen und ich war – zugegeben – begeistert. Sowohl die Geschichte der Firma als auch die Philosophie und der Umgang mit den Mitarbeitern scheint hervorragend zu sein. Und das Brot schmeckt einfach wirklich gut. Bäcker werde ich trotzdem nicht mehr, und das liegt nicht daran, dass ich zu alt für einen neuen Beruf bin. Aber essen werde ich Brote der Hofpfisterei nun öfter. Trotz „Bio“.

  5. Die Bäckerinnung ist schlecht beraten, wenn sie zugibt, daß Bäcker früher aufstehen müssen. Ich würde ja eher darauf wetten, daß man einem jungen Azubi es so erklärt, daß er lediglich ein bisserl länger aufbleiben muß 🙂 und nach getaner Arbeit gaaaanz lang ausschlafen kann. Und dann erst mal ausgehen. Ich kenne da so ein paar Azubis, denen das sofort einleuchten würde.

  6. Das erinnert mich an die wundervolle Serie „Der Schwammerlkönig“ Michael Fitz hat da so einen Party-Bäcker gespielt, der erst gefeiert und danach gebacken hat. Pre-Work-Party sozusagen.

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