Haben Sie heute Geburtstag?
Nein?
Wusste ich. Facebook, Xing und Co haben mich informiert: Heute gibt es niemanden zu beglückwünschen…

Herzlichen Glückwunsch, Ihr Lieben. Gut, dass Ihr das alles nicht mit ansehen müsst...

Gibt es etwas Feineres als die Geburtstagserinnerungen von Facebook, Xing & Co.? Sie sind so hilfreich, dass ich gar keinen Geburtstagskalender mehr führe. Dumm ist allerdings, wenn reale Freunde, Verwandte, Kollegen nicht in Facebook & Co unterwegs sind. Pech für sie und peinlich für mich, da ich ihre Geburtstage todsicher vergesse.
Diese Minderheit außer acht lassend, werde ich fast täglich damit konfrontiert, dass irgendwer in meinen Kontaktlisten Geburtstag hat. Und schon sind wir mitten im Thema. Wie soll man auf diese Geburtstagsbenachrichtigung angemessen reagieren?

Am einfachsten ist es, dem Geburtstagskind einfach die Wünsche auf die Pinwand zu posten. Und genau das machen alle.

Aber mal ehrlich: Gibt es eine bessere Möglichkeit, seinem Mitmenschen mitzuteilen, dass er einem eigentlich völlig wurscht ist?
Der Subkontext eines solchen Pinwandeintrags ist: Du bedeutest mir nichts. Ich weiß nicht, wann du Geburtstag hast. Ich gratuliere Dir auch nicht persönlich sondern unverbindlich Deinem Online-Profil.
Folglich sind die Glückwünsche schablonenhaft und nichtssagend, schon bemerkt?

Allerdings würde es mir das Leben vereinfachen, wenn Facebook eine automatische Funktion einrichten könnte. Facebook weiß, mit wem ich befreundet bin und wann meine Freunde Geburtstag haben. Dann kann Facebook gefälligst automatisch standardisierte Einträge auf der Pinwand eines Geburtstagskindes machen. Ich muss mich um nichts mehr und der andere muss die Standardgratulationen nicht mehr lesen. Stattdessen könnten wir im echten Leben einen Kaffee zusammen trinken gehen.

Mein Cousin erzählte mir (natürlich im realen Leben), ein Freund von ihm würde alle paar Wochen sein Geburtstagsdatum bei Facebook ändern und hartnäckig bekäme er immer die gleichen Glückwünsche von immer den gleichen Freunden. Die merken nicht mal, dass sie ihm vor ein paar Wochen schon mal gratuliert haben.

Ist das nicht großartig? Die vermeintlichen „Freunde“ mutieren zu Gratulator-Androiden, die hirnlos Monat für Monat „Herzlichen Glückwunsch“ posten. Laufen diese Menschen schon im Auto-Programm einer kraftwerk’schen Menschmaschine?

Ich habe mir diese Form der Gratulation abgewöhnt, denn ich möchte mich weder in die Reihe der Gratulanten einordnen, die „Alles Gute zu Deinem Burzzeltag“ wünschen noch in die, die mit dem Imperativ aufwarten: „Genieße den Tag und lass dich schön feiern!“. Einem notorischen Nörgler und Wortverdreher wie mir gehen diese Formulierungen sowieso gegen den Strich. Wer zu Geburtstag „Burzzeltag“ sagt, ist in seiner Entwicklung möglicherweise nicht über ein Alter von 10 Jahren hinaus gekommen. Ich aber schon.
Wer ein Geburtstagskind auffordert, sich „ordentlich feiern zu lassen“, hat möglicherweise leichte Realitätsverschiebungen. Wie soll das im Berufsleben gehen und soll die Familie daheim um den Jubilar herumtanzen wie um ein Goldenes Kalb?

Dann lasse ich diese Posts doch gleich und melde mich auf dem herkömmlichen Weg. Noch kann ich anrufen, eine Mail schicken oder eine e-Card. Letzteres ist auch nicht gerade originell, aber etwas mehr Wertschätzung ist das allemal als ein schnöder Pinwandeintrag.

Ach ja: Eine Freundin erzählte mir, sie habe zwei richtige (!) Postkarten zum Geburtstag bekommen. Sie erinnern sich? Diese bunt bedruckten und bebilderten Kartonstücke mit einem Adressfeld und einer Briefmarke darauf. Echte Geburtstagskarten habe ich seit Ewigkeiten nicht mehr verschickt, und auch keine bekommen. Bei ausgesuchten Personen werde ich das einfach mal wieder machen…

Sie haben doch heute Geburtstag?

Na dann: Alles Gute zum Burzzeltag, genießen Sie den Tag und lassen Sie sich ordentlich feiern. Steht sicher auch schon auf ihrer Pinwand, aber ganz gewiss nicht von mir…

11 Antworten

  1. Das ist eigentlich eine gute Idee. Ich ändere auch mein Geburtsdatum, dann kriege ich vielleicht mehrmals im Jahr Geschenke 🙂

  2. „Gratulations-Androiden“ – gefällt mir! Ich hatte einige Zeit ein falsches Datum drin stehen und bekam prompt die entsprechenden Glückwünsche. Seitdem habe ich überhaupt nicht mehr Geburtstag.

  3. Leute die Burzeltag sagen, meinen auch, es würde ihnen nichts Walter Ulbricht bleiben als zum Bleistift zum Abschied Tschüssikowsky zu sagen, aber so ist das Leben, Sellerie!

  4. Ceterum censeo wir sollten den Küchenlatereinern das Maul stopfen, die semper idem saudumm quaerant und einem mit Unsinnssprüchen wie „ovum, ovum quid lacus ego“ oder „nunc habemus endiviam“ Tag und Laune verderben.

  5. Eigentlich wird man ohnehin gezwungen seinen Geburtstag frühzeitig zu „individualisieren“. ich kann die angesichts meines geburtsdatums anschwellende werbeflut für viagra und akademische „singles in reiferen jahrgängen“ nicht mehr sehen …
    und aus marektinggesichtspunkten empfehle ich eh die entwicklung einer namenstagsgratulationsfunktion. ist einfach und aufmerksamkeitsstark – und vermittelt mindestens für vier wochen ein alleinstellungsmerkmal.

  6. Zum Thread weiter oben, da fehlt noch der Eschenbacher, zum Bleistift. Aber manches wird so oft wiederholt, dass am Ende niemand mehr weiß, dass das auch mal ein blöder Scherz war. „Klammheimlich“ gehört dazu (lat. clam = heimlich) oder der Attentäter (ja, auch das war mal ein Scherz! Den gibt es nämlich ebensowenig wie einen Habitäter, Comitäter oder Traktäter).

    @Joachim Graf
    #include ⟨burzzeltag.h⟩ /* scnr */

  7. Im Übrigen bin ich ganz bei Humpty Dumpty in „Through the Looking Glass“, der sich lieber *Un*geburtstagsgeschenke geben ließ. Davon bekommt man im Jahr nämlich 364.

  8. Tim: Dem entspricht auf Deutsch „Verschwiegen wie eine Auster“. Was besonders bemerkenswert ist, denn Austern sind geradezu gesprächig im Vergleich zu Miesmuscheln oder „clams“. Wie war das, clam ist alles, was zwei Schalen hat, aber nicht mussel ist?
    Schade, dass Czyslansky sein Standardwerk über Muscheln wegen plötzlichen Desinteresses über Nacht einfa

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