Die Bereitstellung eines Internetzugangs für jeden Menschen auf der Welt ist ein zu wichtiges Ziel, als dass von einem einzigen Unternehmen, einer Gruppe oder einer Regierung eine Lösung gefunden werden könnte. Die Partner von Internet.org haben sich zusammengetan, um sich dieser Herausforderung anzunehmen, weil sie an die Kraft einer miteinander verbundenen Welt glauben.

So steht es vollmundig auf der Internetseite internet.org. Hinter dieser Seite stehen Unternehmen wie Handy- und Kommunikationstechnologieanbieter  Ericsson, Samsung und Nokia, das Halbleiterunternehmen Mediatek, das Softwarehouse Opera, Qualkomm und… Facebook.

Internet.org ist ein globale Partnerschaft von führenden Technologieunternehmen, gemeinnützigen Organisationen, lokalen Gemeinden und Experten, die gemeinsam daran arbeiten, dem 2/3 der Weltbevölkerung, die noch keinen Zugang zum Internet haben, dazu zu verhelfen.
Die Partner von Internet.org teilen Tools, Ressourcen und Best Practices miteinander und suchen nach Lösungen für drei Bereiche mit großem Entwicklungspotenzial: Bezahlbarkeit, Effizienz und Geschäftsmodelle.

Kein Wunder, dass der Werbebranchendienst W&V titelt:  Mark Zuckerberg will die ganze Menschheit ins Netz bringen. Das ist ein hehres Ziel angesichts der Tatsache, dass im Prinzip 2/3 der Weltbevölkerung nur sehr eingeschränkt oder gar keinen Zugang zum Internet besitzen. Da dürfte es auch nicht viel nützen, mit kostengünstigen Smartphones den Weltmarkt zu fluten, denn gebrauchte Geräte der älteren Generationen werden einem nun wirklich überall hinterher geworfen. Hier ist wohl mehr Internet-Didaktik im Form aufklärerischer und erzieherischer Arbeit gefordert als High-Tec-Allianzen zu schmieden. Und hier stellt sich noch viel eher die Frage, wie große Teile der Weltbevölkerung die nur über ein zensiertes Netz verfügen, erreicht werden sollen, so lange poltische Systeme und Regierungen entweder den Zugang auf Plattformen per se unterbinden oder z.b. Twitterer als die neue Bedrohung kriminalisiert werden wie geschehen im Juni durch den türkischen Ministerpräsidenten Erdogan.

Es fällt mittlerweile schwer, sich in unserem Kulturkreis ein Leben ohne Internet vorzustellen: Die extrem eingeschränkte Kommunikation, der Nachrichtenkonsum, die Verfügbarkeit aller Waren rund um die Uhr, die Nutzung von Entertainment und weltweitem Wissen… Von den Gefahren und Risiken des Netzes sei an dieser Stelle mal nicht gesprochen.


Noch schwerer aber fällt es, sich vorzustellen, dass es Menschen – vielleicht abgesehen von den entlegensten Winkeln der Erde – gibt, für die ein Leben ohne Internet Realität ist; auch in Deutschland. Fast zeitgleich zum Launch des internet.org Projekts hat gestern das Statistische Bundesamt veröffentlicht, dass fast jeder siebte Deutsche das Internet noch nie benutzt hat. Ob das, wie die Münchner Abendzeitung  titelte, allerdings einer mangelnden Lust auf’s Netz geschuldet ist, sei in Frage gestellt. Die wahren Gründe dürften wohl eher woanders liegen. In der Pressemeldung des Statistischen Bundesamtes heißt es:
WIESBADEN – Rund jeder siebte Einwohner Deutschlands (15 %) zwischen 16 und 74 Jahren hat noch nie das Internet genutzt. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) auf der Grundlage von Daten aus dem Jahr 2012 mitteilt, war der Anteil damit geringer als im EU-Durchschnitt, der bei 22 % lag.
Während nach von Eurostat bereitgestellten Daten in Schweden, Dänemark, Luxemburg, Finnland und den Niederlanden weniger als 10 % der 16- bis 74-Jährigen ohne Interneterfahrung waren, traf dies in Rumänien, Griechenland und Bulgarien immer noch auf mehr als 40 % dieser Altersgruppe zu.

Die Ursachen der Netzreaktanz dürften in unserem Land, wie bereits gestern die großen deutschen Medien bericheten, eher Überforderung,  Angst und Unsicherheit sein, vor allem bei älteren Menschen und dort besonders bei bildungsfernen Schichten. Es geht nicht allein um das Haben-Können, es geht vielfach auch um die Angst des Damit-Nicht-Umgehen-Könnens.
Mark Zuckerberg wird sich also, vielleicht noch vor seinem Wunsch, jedem Erdenbürger ein Facebook-Profil zu bescheren, zunächst mal Gedanken machen müssen, wie man diesen Menschen als Allererstes die Angst und das Mißtrauen vor dem Netz nimmt. Doch da stellt ihm seine eigene Regierung angesichts von PRISM und NSA gerade gewaltig ein Bein…

Eine Antwort

  1. Lutz Prauser kann man nur zustimmen: wir erleben derzeit Dinge, die die Akzeptanz des Netzes eher noch zurückdrängen: PRISM und die Debatte um das gefährdete informationelle Selbstbestimmungsrecht haben nicht nur dazu geführt, dass der Außenseiter Yahoo mit seiner „vielleicht“ nicht allzu willfährigen Politik gegenüber den US-Behörden für Furore sorgt, sondern dass in meinem Bekanntenkreis sich gleich mehrere Menschen aus Facebook verabschiedet haben. Und die kamen noch nicht mal aus „bildungsfernen Schichten“. Und was Facebook trifft, trifft auch den Rest des Netzes. Die Angst vor „Big Brother“ ist nicht neu, aber sie kann ganz schnell zum Selbst- und Irrläufer und zur Flucht aus dem Netz führen. Es geht heute nicht nur darum, den technischen Zugang zum Netz zu erleichtern, sondern vor allen Dingen auch darum das Vertrauen ins Netz zu stärken oder doch zumindest die Angst vor Kontrollverlust zu reduzieren. PRISM ist eine Gefahr für das Internet.

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