Sie häufen Seide, schöne Steine
Und Gold in ihr verfaultes Holz
Sie sind auf die geraubten Weine
In ihren wüsten Mägen stolz.

Bert Brecht: Ballade von den Seeräubern

Logo der Saar-Piraten.

Jetzt sind sie also da, die Piraten. Nach dem fulminanten Walerfolg in Berlin gefielen sich die etablierten Parteien, Grüne und Linke längst eingerechnet, die Piraten als einen schillernden Großstadtreflex zu stilisieren. Junge, rebellische und intellektuelle Menschen, Studenten, Avantgardisten, Szene-People – wen und was hat man nicht alles bemüht, um die Demografie der Piratenwähler zu beschreiben… Es sei das Sepktrum von den Protestler bis zu den  Spaß-People, die ein Haufen Amateur-Politiker in in das rote Rathaus gewählt haben. Menschen, die verantwortungslos einfach aus Spaß an der Sache ein paar Exoten ihre Stimme gegeben haben.

In den Flächenstaaten werde sich das nicht wiederholen, hieß es. Die ohnehin traditionelle  Landbevölkerung sei für einen solchen Unfug nicht zu haben. Und auch in den weniger „trendigen Städten“ z.B. an Rhein und Ruhr oder Rhein-Main würden die Piraten kein Bein von ihren Schiffen in die Landesparlamente setzen.

Und nun das: 7,3% im Saarland. Zwar zählt das Saarland weder zu den Flächenstaaten mit ausgesprochen landwirtschaftlicher, konservativer Struktur, und auch nicht zu den Ballungsräumen Rhein-Ruhr oder Rhein-Main, aber auch hier hat ein Häuflein Verwegener den Einzug ins Landesparlament geschafft.

War das eine Überraschung? Nein – werden die Analysten rufen, denn sie haben es eigentlich schon immer gewusst. Ihnen war klar, dass das, was passiert ist, hat passieren müssen. Nur: Prophezeit haben sie es nicht.

Warum nicht?

Ist es so überraschend, dass die CDU einen Großteil ihrer Jungwähler abgeben musste, zum Teil auch an die Piraten? Und wie billig mutet es an, stolz davon zu sprechen, man sei froh, seine Wähler im Alterssegment 60+ gefunden zu haben, denn das spiegle die Gesellschaft. Wie zukunftsweisend dies angesichts der Bevölkerungsentwicklung in Deutschland sei. Nun, man muss nicht unter 30 sein, um diesen Standpunkt als sehr sonderlich zu bewerten.

Verwundert es, dass es allen anderen Parteien genauso ergangen ist? Sie alle haben mit Wählerabwanderung zu kämpfen. Ob nun die gänzlich zur Splitterpartei degradierte FDP oder die Grünen, die längst schon so etabliert sind, dass sie zu wählen, rein gar nichts mehr mit Wahlverdrossenheit, Protest und Hoffnung auf Änderungen zu tun hat. Entweder die Wähler wechseln oder sie geben gar nicht mehr ihre Stimmen ab. Es ändert ja doch nichts.

Aber genau diese Nischen haben die Piraten besetzt: Wider die Wahl- und Politikverdrossenheit, Protest gegen bestehende Parteien und Strukturen und Hoffnung auf Änderung. Wie anders würde sich sonst erklären lassen, dass der größte Teil der Piratenwähler aus Erstwählern oder reaktivierten langjährigen Nichtwählern besteht?

Wahlkampfplakat der Piraten.

Scheint so, dass es doch deutlich mehr Menschen gibt, die sich zwar für die politischen Belange interessierten, vor allem in der digitalen Welt, die aber mit den bestehenden Parteien und Verhältnissen rein gar nichts mehr anfangen können.

Und noch etwas lässt sich aus dem Saarland lernen. Während die Altvorderen es immer weniger schaffen, ihre Klientel an die Urnen zu bringen, scheinen die Piraten auch hier die Nase vorn zu haben. Die stets sinkende Wahlbeteiligung ging noch immer zu Lasten der sogenannten Volksparteien und deren Koalitionären. Die macht die Mobilmachung der Nichtwähler und der Stimmenfang bei den Trotzwählern plötzlich erhebliches aus.

Das alles wundert mich jetzt nicht. Das erinnert mich an die Gründungsphase der Grünen vor über 30 Jahren. Die zopf- und norwegertragenden Stricker im Parlament hat anfangs auch niemand ernst genommen. Sie galten als schrill, bunt, als nicht koalitionswürdig und reduziert auf nur ein Thema, als ein Phänomen, von dem die SPD, CDU und die damals noch relevante FDP dachten, dass sich das bald würde erledigt haben. Welch ein Irrtum.

Die Menschen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen werden 2012 wählen gehen. Ich bin gespannt, ob sich die Piraten zwischen Nord- und Ostsee, im Land von Störtebecker und Co. durchsetzen können. Noch mehr aber, ob sie zwischen Aachen und Bielefeld genug Stimmen gewinnen können. Genug Hochschulstädte gibt es ja in NRW, aber eben auch den katholischen Niederrhein, das Münster-, Sauer- und Siegerland. Wohl nicht unbedingt piratenaffine Gegenden. Von Ostfestfalen ganz zu schweigen.

Ob sie die erwarteten „Heilbringer“, Veränderer oder nur ein Strohfeuer in der politischen Landschaft darstellen, wird die Zeit zeigen. Warten wir’s ab…

Vielleicht entpuppen sie sich ganz nach Brecht auch als eine ganz andere Fraktion:

Sie morden kalt und ohne Hassen
Was ihnen in die Zähne springt
Sie würgen Gurgeln so gelassen
Wie man ein Tau ins Mastwerk schlingt.

Bilder: http://piratenpartei-saarland.de/

3 Antworten

  1. Das gerade in Bielefeld ein Piratenfest stattfinden wird, wage ich zu bezweifeln.
    Um eine Partei wählen zu können, braucht man hier zu Lande halt auch realte Wähler und nicht nur erfundene Charaktere einer erfundenen Stadt.
    Da reichen ein paar Blogs, ein offiziell anmutender Internetauftritt und ein Wikipedia Artikel dann doch nicht.
    Wobei, wenn erfundenen Stimmen in eine erfundene Wahlurne und eine erfundene Auszählung einfließen…

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