Der französische Nationalrat hat völlig überraschend den Gesetzentwurf der Regierung zum Kampf gegen „Internet-Piraterie“ abgelehnt, aber das dürfte die Opposition nur Zeit gewonnen haben. Das Abstimmungsergebnis (15 zu 21 Stimmen) kam überhaupt nur deshalb zustande, weil die die anderen 541 Abgeordneten die Gunst der Stunde vor den Osterfeiertagen genutzt und in die Ferien verschwunden waren. Das ist zwar eine Schlappe für Nicolas („Bonaparte 2.0“) Sarkozy, aber die Regierungsmehrheit wird das gewünschte Ergebnis mit Sicherheit nach der Parlamentspause nachholen.

Ist das Netzsperrengesetz erst mal unter Dach und Fach, kommen auf die Internet-Provider in Frankreich völlig neue Aufgaben zu: Sie sollen in Zukunft darüber wachen, dass niemand illegal Musikstücke herunterlädt. Wenn doch, dann müssen sie zunächst eine Abmahn-Mail, dann ein Einschreibebrief an die Delinquenten verschicken und ihnen beim dritten Verstoß den Zugang zum Netz komplett kappen.

Eine neue Behörde, „Hadopi“ genannt, soll auf Hinweis der Industrie und/oder der Urheber Versöße gegen das Urheberrecht prüfen und die Raubkopierer an die Provider zwecks Sperre melden. Kommt der Provider dieser Aufforderung nicht nach, droht ihm ein Bußgeld von 5.000 Euro.

Damit verlieren die Provider auf einen Schlag ihren Status als neutrale Datenlieferanten und werden zum Handlanger der Exekutive. Sollte das Gesetz, wie Kritiker warnen, später vom Verfassungsgericht kassiert werden, drohen ihnen andererseits mögliche Schadensersatzklagen der vom Internetzugang abgeschnittenen Kunden.

Wie die Neue Züricher Zeitung vermeldet, hoffen Vertreter der Musikbranche wie U2-Manager Paul McGuiness, dass die französische Intitaive international Schule macht. Man kann davon ausgehen, dass die Worte auch in Berlin gehört und verstanden werden. Dort ist man bekanntlich neuerdings dem Thema Internet-Zensur gegenüber äußerst aufgeswchlossen (siehe „Czsylansky Tee Vau gegen Zensur im Net„). Hier bietet sich dafür gleich wieder ein attraktives neues Betätigungsfeld.

6 Antworten

  1. Warten wir es ab. Noch klingt das ja so, als ob die Provider erst auf behördliches Handeln tätig werden müssen dort. Das ist zwar nicht gut, aber besser als die Verpflichtung, Büttel der nicht unumstrittenen Musikindustrie zu werden. Auch der Aspekt des Schadensersatzes entfällt.

    Wir hatten in Deutschland duchaus schon die Diskussion, dass Provider für die über ihre Leitungen übertragenen Inhalte haften könnten. So wurde das Mitscannen der Inhalte schon mehrfach diskutiert. Aber auch die durch Frankreich wieder aktuelle Hashwertmethode hält einer Verfassungsüberprüfung nicht stand. Ich denke, so weit kommt es bei uns also nicht. Aber ich beobachte das weiter und die gerade vergangene KiPo-Diskussion abseits jeder Rationalität bremst meinen Glauben etwas.

    Eines ahne ich jetzt schon: Wenn eines Tages die Diskussion bei uns wieder losgeht, werden einige mit dem Finger auf uns Internetprovider zeigen. „Das waren die, die KiPo ignorieren“…

    Wir sind einfach nicht die Büttel, sondern bleiben die Autobahnmeisterei. Die halt auch Fahrstunden gibt, aber fahren müssen die andern.

  2. Ich glaube, du verkennst den Ernst der Lage. Die Franzosen wollen die Provider nicht zur Autobahnmeisterei, sondern zur Autobahnpolizei machen, nämlich zu Online-Hilfssheriffs.

  3. Sie sollen nicht nur die Verstöße feststellen und überwachen, sondern gleich noch die Strafmaßnahmen (elektronische Abmahnung, beim dritten Verstoß Sperrung des Accounts) in eigener Machtvollkommenheit vornehmen. Die Bestrafung von Diebstahl (auch von dem Diebstahl geistigem Eigentums) ist aber Hoheitaufgabe. Wenn der Staat diesen Schwarzen Peter an die Provider überträgt, bringt sie das in eine peinliche Zwickmühle: Ignorieren sie das Gesetz, wird man sie sich amtlicherseits vorknüpfen; führen sie es aus, machen sie sich unter Umständen privatrechtlich haftbar.

    Ich wollte jedenfalls nicht in deinen Schuhen stecken, wenn die deutschen Politiker davon Wind bekommen und es nachmachen (was sie unweigerlich tun werden, wenn das Gesetz in dieser Form in Frankreich durchgeht).

  4. Meine Schuhe sind so unbequem nicht 🙂 d.h., ich habe mich daran gewöhnt.

    Was die hoheitliche Aufgabe angeht, so werden das die französischen und vielleicht auch unsere Juristen anders sehen. Die Accountsperrung ist für die vermutlich keine Strafe, sondern konsequente Verhinderung einer Straftat. Das Austeilen dunkler Brillen beim Betrachten von Kinderpornographie wird in Deutschland ja auch als probates Mittel zur Verbrechensprävention gesehen.

    Nur, die Bilder gleichen sich. Ein gesperrter Franzose wird sicher Mittel und Wege finden, sich einen neuen Account zu organisieren. Und er wird nicht bis zur dritten Abmahnung warten, um sich halt mit Anonymizern u.ä. zu beschäftigen. Oder den Provider zu wechseln, um beim nächsten einen kleinen Buchstabendreher oder was auch immer zu nutzen für einen Neustart als unabgemahnter böser Kopienräuber.

    Bestürzend ist etwas ganz anderes: Da kämpft eine Industrie, die nicht einmal hundert Jahre existiert und die Milliarden bewegt, altruistisch bemäntelt heftig um ihre Existenz und sie findet willfährige Mitstreiter in der Politik, die sich mit Verhältnismäßigkeitsüberlegungen nicht lange aufhalten. Echte Internetvergehen wie virtuelles Mobbing, Identitätsdiebstahl, Onlinebetrug, also Dinge, die ohne Internet nicht in der Form und dem Umfang möglich wären, werden dagegen nicht wirklich diskutiert. Nicht, dass ich das nun vorschlagen würde, ich finde es nur auffällig, über was gesprochen wird und über was nicht.

    Denkt man die Verhinderungsidee weiter, wird man konsequenterweise auch bei uns in Europa Dieben wieder die Hand abhacken etc.

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