
Ich bin der Boss – holt mich hier raus!
Wer dachte, er sei in Europa sicher vor den Datenschnüfflern aus USA, für den gab es ein böses Erwachen, als die Snowdon-Papiere und damit das Ausmaß der digitalen Bespitzelung der Welt durch den amerikanischen Geheimdienst NSA heraus kamen. Eine Branche bekam das vor allem zu spüren, nämlich die Anbieter von Cloud-Computing. Da es sich hierbei fast ausnahmslos um US-Firmen wie Amazon, Google und Microsoft handelt, munkelten die Auguren schon von einem drohenden Umsatzeinbruch, weil die Kunden diesseits des Atlantik zunehmend ungern ihre Datenschätze Unternehmen in einem Land an vertrauen würden, in dem sozusagen Polen offen sei. Keine Angst, erwiderten die Cloud-Konzerne, zumindest in Europa sind Eure Daten sicher, denn in der EU gilt ein anderes, strengeres Datenschutzrecht, und das verbiete es jedem Betreiber, personenbezogene Informationen ohne Zustimmung des Betroffenen außer Landes zu schaffen. Sobald solche Daten das physikalische Territorium der Europäischen Union verlassen, macht sich der Provider strafbar. Und da es bekanntlich so etwas wie Vorstands- oder Geschäftsführerhaftung gibt, steht in einem solchen Fall theoretisch der Chef des Konzerns mit einem Bein in einem (europäischen) Kittchen.
Wenn ich also Satya Nadella wäre, der Steve Balmer gerade als Microsoft-Chef abgelöst hat, wäre ich ziemlich unruhig. Muss der weltgrößte Softwarekonzern womöglich demnächst auf seinen Boss verzichten, weil der auf seiner nächsten Europareise am Frankfurter Flughafen festgenommen wird? Könnte durchaus sein, und wenn, dann hat ihn ein amerikanischer Bundesrichter dorthin gebracht.
Gestern entschied der Federal Magistrate Court in New York laut New York Times nämlich, dass Microsoft Informationen über einen seiner Kunden, die im Rechenzentrum der Firma in Dublin gespeichert sind, den US-Ermittlern aushändigen müssen, die in einem Kriminalfall (es geht angeblich um Drogen, aber niemand weiß etwas Genaueres) ermitteln.
Microsoft wehrt sich – noch – heftig gegen das Ansinnen, weil es doch nicht sein kann, dass amerikanisches Datenrecht in Europa gültig sei. Aber was, wenn der amerikanische Richter Ernst macht und Microsoft mit hohen Strafen belegt – oder den guten Satya vielleicht in ein New Yorker Gefängnis steckt? Man weiß ja, dass man in den USA noch ganz anders mit Vorständen umgeht, die sich was zuschulden haben kommen lassen: Die wandern tatsächlich in den Bau, im Gegensetz zu Europa, wo man es meistens mit einem Schlag auf den Handrücken und einer kleinen Geldstrafe bewenden lässt. Wenn Sie mir nicht glauben, fragen Sie nur Klaus Zumwinkel. Der mußte nach seiner Verurteilung wegen Steuerbetrugs zwar seinen Bundesverdienstkreuz zurückgeben, aber das war so ziemlich alles. Weiterlesen →