Die meisten von uns tragen wohl einen Traum in sich, einen Traum aus Kindheitstagen, von einer fernen Insel, einer fremden Stadt oder was auch immer. Mein Traum hat einen Namen: Timbuktu!

Ich war in TimbuktuAls Kind  war ich vernarrt in ein Buch mit dem verheißungsvollen Titel „Ich war in Timbuktu“. Geschrieben hat es der DDR-Schriftsteller Werner Legère 1953 in Anlehnung an den Reisebericht des französischen Afrikaforschers René Caillié, der im Jahr 1828 als zweiter Europäer nach Alexander Gordon Laing die sagenumwobene Wüstenstadt Timbuktu erreichte. Laing war auf seiner Expedition getötet worden und so waren Cailliés Berichte die ersten Reportagen aus der ehemals so reichen muslimischen Metropole, die Europa erreichten. Der Franzose gab sich zu seinem Schutz als Muslim aus und durchlebte allerlei Abenteuer. Für einen verträumten Jungen in der fränkischen Provinz war er eine Mischung aus Neil Armstrong, James Bond, Alexander Humboldt und … äh … Karl May. Kurz: er war ziemlich genau das, was ich auch mal werden wollte.  Und Timbuktu war alles, was man mit einem VW Käfer von Mittelfranken aus trotz ADAC Schutzbrief nicht mehr erreichen konnte.

Ich war niemals in Timbuktu

Ich war in meinem ganzen Leben niemals in Timbuktu. Aber ich wurde immer hellhörig, wenn ich von Timbuktu las oder hörte. Ich habe gelitten, als ich erfuhr, dass der IS sein Terror-Regime im nördlichen Mali etablierte und in Timbuktu einmarschierte und ich habe mich gefreut wie Lawrence von Arabien in Akabar,  als französische Truppen 2013 die Stadt endlich befreiten.  Und natürlich verbindet mich die Musik mit Timbuktu, ist Mali doch berühmt für seine musikalische Tradition. Schon der Film „Mali Blues“ ist eine Offenbarung: 

 

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden


 

Aber eigentlich will ich ja etwas ganz anderes erzählen, nämlich warum ich neuerdings so gerne Ansichtskarten aus Mali verschicke.

Natürlich echte Karten und natürlich wirklich aus Mali, abgestempelt nirgendwo anders als in – Timbuktu!

Gruß aus Timbuktu

Schöne Grüße aus Timbuktu

Vor einigen Wochen stieß ich auf eine ganz wunderbare Aktion einiger junger Leute aus Timbuktu. Die Stadt leidet – wie andere Städte auch, vielleicht noch mehr, als andere – unter COVID-19 und den damit verbundenen Verheerungen. Schließlich ging es wirtschaftlich der Region schon vor Corona nicht gut. Jetzt aber kommen gar keine Touristen mehr ins Land und nicht nur die wirtschaftliche, auch  die politische Lage ist seit Monaten extrem instabil. Der Staatsstreich, in dem das Militär vor wenigen Tagen in Mali die Macht übernommen hat, war alles andere als eine Überraschung. Die überaus kritische Darstellung dieses Staatsstreichs in unseren Medien ist übrigens durchaus umstritten.  Thorsten Schreiber, ein respektabler Kenner der Verhältnisse in Afrika, der die meiste Zeit dort lebt und arbeitet, hat zum Beispiel eine deutlich andere Sicht der Dinge und ich kann nur empfehlen ihn zu lesen (https://www.facebook.com/Klimakrieger). 

Karte aus Timbuktu

Aber nun zur Aktion: Einige junge Leute aus Timbuktu kamen also auf die Idee eine kleine Website zu bauen und über diese Website einen Service für den Versand von Ansichtskarten aus Timbuktu anzubieten. Und das funktioniert so:

Man sucht sich auf https://www.postcardsfromtimbuktu.com eine von knapp 20 angebotenen Ansichtskarten aus, teilt dem Anbieter die Versandadresse mit und gibt den Text für die Karte an. Zur Auswahl stehen moderne und historische Kartenmotive, zum Beispiel wunderschöne alte Stadtansichten der Wüstenstadt. Ali und seine Jungs und Mädels vor Ort schreiben mühsam – natürlich handschriftlich – den Kartentext ab. Dazu muss man ja die Sprache nicht verstehen. Bei Bedarf kommunizieren sie in Englisch oder Französisch. Natürlich malen sie auch wunderhübsche Umlaute „ä“, „ö“ und sogar „ß“ ;-).

Ansichtskare Timbuktu

Dann bringen sie die Karten aufs Postamt von Timbuktu, wo aber manchmal die Briefmarken ausgehen. Dann dauert es etwas bis wieder Nachschub in die Wüste kommt. Die Wege sind weit und trocken. Von dort geht es dann über die Hauptstadt Bamako weiter nach Frankreich und irgendwann – die Reise kann drei Wochen dauern, aber auch mal fünf oder acht Wochen – liegen dann die handgeschriebenen Ansichtskarten aus Timbuktu im Briefkasten in Wien, München, Rom, Tokio oder Prag. Mit schönen Grüßen aus Timbuktu. Von mir.

Ein paar Leute in Timbuktu leben davon. Und einer in München träumt davon. Schon sein ganzes Leben lang. 

Eine Antwort

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.