Plattenkiste 18. Oldies but Goldies

Und noch mal eine Single-Kiste, angefüllt mit ganz alten Rundstücken. bellaphon, Decca und Polydor. Das waren halt noch Labels. Mit dabei sind aber auch Billigkracher. Die kamen damals noch nicht aus China, sondern aus deutschen Presswerken. Heute gibt es ja kaum noch Hersteller von Schallplatten. Ich kenne noch zehn Presswerke in Deutschland. Die beiden wichtigsten Pressewerke sind sicherlich optimal an der Müritz und Pallas in Diepholz. Die gibt es auch schon sehr lang. Daneben gibt es noch eine Anzahl kleinerer Spezialisten. In Augsburg gibt es zum Beispiel noch einen kleinen Laden für freie Produzenten, die duophonic und in Berlin das intakt und OBJECTS Manufacturing. Die meisten der kleinen Presswerke sind erst in den letzten zehn Jahren mit der Renaissance des Vinyls neu entstanden. Gut so. Ich kaufe ja auch regelmäßig Neuware. Hier und heute geht es aber am alte Schätzchen.

First recording of the Beatles: Ain't She Sweet. Cry for a Shadow

1977 hat Polydor diese Single veröffentlicht. Die Aufnahmen sind natürlich deutlich älter. „Cry for a shadow“ wurde am 22. Juni 1961 in der Friedrich-Ebert-Halle in Hamburg aufgezeichnet. Geschrieben haben den Song George Harrison und John Lennon. Es ist ein reines Instrumental-Stück. „Ain’t She Sweet“ ist ein alter Song von Milton Ager aus dem Jahr 1927. Es ist überliefert, dass John Lennon dieses Stück sehr gern hatte. Interessant an dieser Platte ist, dass auf beiden Songs Pete Best am Schlagzeug sitzt. es sind die einzigen Beatles-Aufnahmen mit ihm.
Auf Discogs wird diese Single heute im Schnitt für 10 EUR gehandelt.

Creedence Clearwater Revival: Green River. Commotion

Bei der Frankfurter bellaphon erschien diese Single von CCR im Jahr 1974. Bekannt ist natürlich vor allenm der Song der A-Seite „Green River“, ursprünglich 1969 erschienen. Geschrieben hat den Song John Fogerty, der den Titel nach seigener Aussage dem Etikett seines Lieblingslimonadensirups entlehnt hat. Fogerty sagt einmal über den Song: „What really happened is that I used a setting like New Orleans, but I would actually be talking about a thing from my own life. Certainly a song like „Green River“ – which you may think would fit seamlessly into the Bayou vibe, but it’s actually about the Green River, as I named it – it was actually called Putah Creek by Winters, California. It wasn’t called Green River, but in my mind I always sort of called it Green River. All those little anecdotes are part of my childhood, those are things that happened to me actually, I just wrote about them and the audience shifted at the time and place.“ „Aber wer A hört muss auch B hören“ wie damals der Titel einer Sendung auf Radio Luxemburg lautete, also zum B-Titel „Commotion“: In diesem Song geht es um den Rhythmus eines Zugs in New York City. Na ja, da gefällt mit ja „I’m a Train“ von Albert Hammond oder der City of New Orleans in der Version von Arlo Guthry oder natürlich der unsterbliche Hobo Blues von John Lee Hooker besser. Vielleicht sollte ich mal einen Beitrag über Eisenbahn-Lieder machen …

Barry McGuire: Eve of Destruction

Three Dog Night: Mama told me not to come

Eine seltsame Single: auf der A-Seite das völlig großartige „Eve of Destruction“ von Barry McGuire und auf der B-Seite „Mama told me not to come“ von Three Dog Night. „Mama told me not to come“ ist eigentlich von Randy Newman und Three Dog Night haben diesen Song 1970 überraschend in die Charts ganz nach oben gespült. In wechselnden Besetzungen spielten unter dem Band-Namen rund 30 verschiedene Musiker zwischen 1964 bis heute. eine arge Hundemeute. Ich mag die Gruppe nicht, ich mag das Lied nicht, ich mag den Spruch „Wer A hört muss auch B hören“ nicht. Aber ich mag „Eve of Destruction“ von Barry McGuire. Der hat abgesehen von diesem Song nicht viel nennenswertes zustande gebracht. Aber dieser Song war es wert gelebt zu haben. Ich LP hab ich hier schon mal vorgestellt und ich schrieb damals: Der Song ist heute so aktuell wie in seinem Entstehungsjahr 1965. In diesem Song schreit Barry Mc Guire die Wut und Ohnmacht förmlich ins Mikrofon, die Wut über den Vietnam-Krieg und die Ohnmacht der Jugend, die noch nicht wählen darf und scheinbar nichts gegen den Wahnsinn in der Welt ausrichten kann.

„The Eastern world, it is exploding
Violence flaring, bullets loading
You’re old enough to kill but not for voting
You don’t believe in war, but what’s that gun you’re toting?
And even the Jordan river has bodies floating“

Krieg und Terror überall auf der Welt, nicht nur in Vietnam, sondern auch im Nahen Osten, Terror in der damaligen Sowjetunion. Was hat sich denn geändert? Na gut, das Wahlalter wurde von 21 auf 18 gesenkt und Putins Russland hat die Sowjetunion beerbt. Aber sonst?

„And think of all the hate there is in Red China
Then take a look around to Selma, Alabama
Ah, you may leave here for four days in space
But when you return, it’s the same old place
The pounding of the drums, the pride and disgrace
You can bury your dead, but don’t leave a trace
Hate your next door neighbor but don’t forget to say grace“

In Selma in Alabama kam es Anfang der 60iger Jahre nach mehreren rassistischen Vorfällen zu Unruhen und 1965 zu den legendären Selma-MontgoMontgomery-Protestmärschen der Bürgerrechtsbewegung. Barry Mc Guire thematisierte diese Vorfälle ebenso, wie die großen Kriege und die Unterdrückung der Freiheit in der Sowjetunion und in China und schuf damit einen der größten Protest-Songs aller Zeiten. Er ist es wert auch heute noch gehört zu werden. Ein One-hit-wonder unter den All-time-greatest-hits.

The Moody Blues: Nights in White Satin. Cities

Verrückte zahlen laut Discogs bis zu 60 Euro für diese Platte. Der faire Wert liegt von bei 5 Euro: „Nights in White Satin“, als Single 1967 im Deram Label 1967 erschienen. Deram? Wat’n das? Deram war ein Tochter-Label der Decca, eigens gegründet für das damals neue Deramic Sound System. Dabei handelte es sich um ein Aufnahmesystem, das mehr akustischen Abstand zwischen den Instrumenten gewährleisten sollte. Man experimentierte u.a. mit Cat Stevens (ehe dieser zu Island Records wechselte) und David Bowie. Die Moody Blues waren die einzige Rock Band für die man in den Anfangsjahren die neue teure Technik einsetzte. Hört man’s? Die Aufnahme klingt für die frühe Enstehungszeit jedenfalls überraschend klar, klarer jedenfalls als meine Erinnerungen an die ungezählten Abende, in denen wir Pubertiere zu diesem langsamen Song tanzten, träumten und äh … den Rest habe ich vergessen. Wegen dieser Erinnerungen zahlen manche Spinner wahrscheinlich überhöhte Preise für die Platte.

The Monkees: Daydream Believer. Last Train to Clarksville

1980 veröffentlichte Arista bzw. Ariola diese Single der aus dem Fernsehen bekannten Monkees. Ich habe die Monkees irgendwann in den frühen 70igern im Fernsehen regelmäßig gesehen. Die Geschichte der Band ist schnell erzählt: 1965 erschien in den USA eine Anzeige, in der Jugendliche für eine TV-Serie über eine Beat-Band gesucht wurden. So entstand eine künstlich zusammengewürfelte Boy-Group, eben die Monkees. Die Fernsehserie startete 1966 und wurde mächtig gehypt. Die Monkees waren ein durch und durch kommerzielles Projekt, ihre Songs gefällige Meterware, alles andere als Kunst. Aber wir waren zwischendurch eben auch mal „Daydream Believer“. Non, je ne regrette rien. 😉

Illustrationen © Michael Kausch

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