Demosthenes2Billiges Kalkül: Der Pegidagründer Lutz Bachmann nutzte die Logikschwäche der hyperventilierenden Öffentlichkeit, um mal wieder Schlagzeilen zu produzieren und nicht in Vergessenheit zu geraten. Dieses Ziel hat er erreicht, das steht schon mal fest.

Wie hat er das gemacht? „NS-Vergleich“ heißt die Methode der Wahl. Und was ein Vergleich ist, muß nicht immer jedem als solcher erkennbar sein.

Um es kurz zu machen: Bachmann hat – Skandal Skandal – festgestellt, daß der deutsche Justizminister Heiko Maas nicht so schlimm ist wie Goebbels. Na gut, etwas schärfer war es schon formuliert: Maas sei der schlimmste geistige Brandstifter seit Goebbels und Schnitzler. Lassen wir diesen Schnitzler, den Chefpropagandisten im DDR-Fernsehen, mal beiseite. Das haben die meisten, die von dieser Rede berichtet haben, auch gleich gemacht, um das Stichwort mit dem „Nazivergleich“ nicht mit lästigem DDR-Beiwerk zu verschleiern. Lügenpresse, würde Bachmann jetzt sagen, berechenbar halt.

Jetzt kann man die Achseln zucken und Bachmann ignorieren, anstatt ihm den Gefallen zu tun, ihm Aufmerksamkeit durch einen deutschlandweiten #Aufschrei zu verschaffen. Man könnte auch sagen, daß Bachmann Maas völlig überschätzt. Dieser ist doch kein Brandstifter, mindestens das sollte gerade ein Bachmann doch beurteilen können. Maas ist vielleicht ein glatter Karrierist, ein prinzipienschwacher Technokrat, ein etwas überforderter ehemaliger Verlegenheitskandidat oder ein Mann, dessen Aussagen man nicht trauen kann. Wir erinnern uns: Er verspricht, dass er ein Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung verhindern wird, nennt es dann um („Höchstspeicherfristen“), führt es ein und meint, damit sein Wort gehalten zu haben. Man muss ihn also sicher nicht mögen, aber „schlimmster Brandstifter“ seit Goebbels? Zu viel der Ehre, diesen ruhmhaften Titel hatte bereits Willy Brandt an Heiner Geißler vergeben.

Brandt wird in der SPD gerne als großer Sozialdemokrat gewürdigt, aber am liebsten als Ikone. Mit dem, was er gesagt hat, geht man vorsichtig um. Der Logikfehler bestand schon damals im Gebrauch des Wortes „seit“. Damit ist es ja genau kein Nazivergleich: Der Schlimmste seit Goebbels ist weniger schlimm als jener. Was ist daran so schwer? Dass Namen wie Goebbels in einem Satz mit dem eigenen Namen fallen? Kann es nicht sein, siehe „Professor XY hält einen Vortrag über Joseph Goebbels“. Aber es kommt noch spaßiger. Wie wäre es mit „Lutz Bachmann ist der größte Volksverhetzer seit Demosthenes“? Kurzer Faktencheck: Philipp von Makedonien, der Vater von Alexander dem Großen, war mit seiner säbelrasselnden Annäherungspolitik dem Demosthenes so suspekt, daß er flammende Reden gegen diesen hielt. Reden, die so eindringlich waren, dass wir heute noch solche Reden „Philippika“ nennen, Reden, die ihr Ziel erreichten, es wurde anstelle einer Verbrüderung mit den Makedonieren, für die es durchaus Stimmen gab, ein athenischen Heer aufgestellt. Lustig dabei ist ja, daß gefühlt 90% der Menschen denken, das wäre etwas aus der Bibel. Das alles wäre ja dann schmeichelhaft für Bachmann, mit Demosthenes verglichen zu werden. Da Demosthenes aber von 384 bis 324 vor Christus gelebt hat, war Goebbels zweifellos später, also ein kleinerer Volksverhetzer als Bachmann? Das ist natürlich Quatsch, zu viel der Ehre für Bachmann, aber der Philipp-Vergleich wäre der „richtige“ Nazivergleich, ohne dass es jemand merkt oder gar darüber schwadroniert, das vor den Kadi zu bringen.

Den Mechanismus, der all dem zugrundeliegt, nennt man „Reflex“. Reflexe sind Körperreaktionen, die ohne Interaktion mit dem Hirn ablaufen.

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