keep-calm-and-follow-netiquetteDies ist der fünfte Text unserer kleinen Serie zum Thema Nett im Netz – Netiquette2014.beta. Weitere Beiträge folgen in loser Reihenfolge. Eine Übersicht über die erschienenen Beiträge finden Sie jeweils am Ende des Textes.

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„Netiquette“ kommt von „Net“ wie „Netz“ nicht von „nett“ wie der kleine Bruder von Scheisse. Nur das sei einmal mal vorweggeschickt. Ich muss also nicht nett sein. Ich befinde mich, seit ich denken kann in sozialen Netzwerken, erst mit meinen Eltern und Grosseltern, Tanten und so weiter und dann irgendwann mit Frau und Kindern. Ich war in ein paar Cliquen, Schulen, sogar Universitäten, an unzähligen Arbeitsplätzen und Filmsets. Das alles sind soziale Netzwerke. Überall waren Menschen mit denen ich gut, besser oder eben auch schlechter zurechtgekommen bin. Manchmal gab es Freundschaft, manchmal Sex, Streit oder auch mal ein paar aufs Maul, wie man in kultivierten Kreisen sagt. Aber meistens gibt und gab es Nix, gar Nichts. Langeweile, Desinteresse …

Seit ein paar Jahren, inzwischen sind es Jahrzehnte geworden sind auch einige digitale Netzwerke hinzugekommen. von Compuserve, div. MMORPGs, Mailinglisten, Newsgroups, Foren, Twitter, Facebook, Youtube etc. Und wissen Sie was? Es gibt kaum Unterschiede. Mal gibt es Freundschaft, machmal … sie wissen schon … Es ist schlicht genau dasselbe. Ob digital oder real: „same shit, different channel“, wie der Lateiner sagt.

Wirklich? Nicht ganz! Einen Unterschied gibt es schon. Mir hat im richtigen Leben noch nie jemand Kinderfotos, Katzenvideos oder Urlaubsdias gezeigt. (Nein, auch nicht in den 70ern) Auch Füße vor Sonnenuntergang am Meer musste ich mir nie ansehen. Auch erinnere ich mich nicht an Joggingstreckenverläufe auf Landkarten. Mein Auto, meine Jacht, mein Pferd kenne ich eigentlich nur aus der Fernsehwerbung. Vielleicht liegt es daran, dass jeder, der mich persönlich kennt sofort bemerkt, dass ich ein zynischer, respektoser Sack bin, der ohnehin nur die Mundwinkel wie Billy Idol (kennt den überhaupt noch jemand?) verziehen würde und einen taktlosen Kommentar abgeben würde.

Aber im Netz, da merkt das niemand. Niemand nimmt Rücksicht auf einen Misanthropen, dessen Kreise durch Einbeziehung in einen fremden Lebensalltag gestört werden. Niemand kümmert sich darum, dass meine Timeline rein, unbenutzt und leer bleibt. Netiquette wäre, mich nicht mehr mit diesem ganzen Mist zu belästigen.

Ja, ich weiss, ich bräuchte mich doch nur abzumelden und schon wäre der ganze Spuk vorbei. Ein paar Klicks und meine Profile wären gelöscht. Das kann ich aber nicht, ich muss doch meinen Job machen, ich bin hier nicht zum Spass, das ist mein f**king Job. Also macht es mir nicht so schwer. Haltet das eine oder andere süße Video zurück, postet ein Essen oder ein Urlaubsfoto weniger. Denkt, wenn ihr das nächste Mal etwas teilen, sharen oder posten wollte an meine hochgezogene Augenbraue, mein schiefes, abfälliges Grinsen und haltet euch zurück, dann werde auch ich weniger Weißbierfotos posten, versprochen!

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Nett im Netz – Netiquette2014.beta

#01: Muss ich Euch kennen? – von Tim Cole
#02: Papa, Du bist Scheiße – von Lutz Prauser
#03: “Oh … der Chef liest mit …” – von Michael Kausch
#04: Was darf in einer E-Mail stehen – und was nicht – von Tim Cole
#05: Lasst mich mit eurem Scheiss in Ruhe! – von Alexander Broy
#06: Eine Granate namens Hitler – von Lutz Prauser

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