Klabund: Das Leben lebt.

Klabund: Das Leben lebt. Gedichte.

Klabund: Das Leben lebt. Gedichte. Meinen ersten Klabund habe ich während meines Studiums in der Buchhandlung „Das Internationale Buch“ erworben. Die Älteren werden sich erinnern: Das „IB“ war der Laden, in dem wir Westdeutsche unseren Zwangsumtausch in Literatur umtauschten. Ich war regelmäßig in Berlin West und Ost und neben dem Dorotheenstädtischen Friedhof und einem Besuch bei Weigel, Brecht und Hegel gehörte ein Einkauf im IB zum festen Programm in Berlin (Ost).

Meinen kleinen Klabund von damals finde ich leider gerade nicht, auch nicht in der zweiten Reihe im Regal hinter anderen Autoren mit „K“: Kafka, Kemal, Kisch, irgendwo da sollte er sich eigentlich befinden. Aber so ist er, der KLABUND, eben eine Mischung aus KLAbautermann und VagaBUND. Er macht was er will und hat sich vermutlich einfach versteckt, vermutlich bei einer netten Autorin, mit der er grad … na was wohl … ?

KLABUND, eine Mischung aus KLAbautermann und VagaBUND

Klabund, ein – nein – DER legitime Nachfahre von Fränzchen Villon. In diesem Band „Das Leben lebt“ sind einige Gedichte vertreten, in dem man das gut nachfühlen kann. Ja sogar das „lyrische Portrait des Francois Villon“ findet sich in diesem kleinen Büchlein:

„Francois Montecorbier, genannt Villon,
Geboren Vierzehnhunderteinunddreißig,
Als Schüler faul, als Buhler strebsam fleißig,
Aus dunkelstem Paris, und darob lichtscheu,
Mit Faltern schwebend, Blüten blühend, pflichtscheu,
Bekannt von Meung sur Loire bis Roussillon,
Der Leibpoet des Herzogs von Bourbon
Und Leibpoet des letzten Straßenweibs,
Bedacht auf sondre Art des Zeitvertreibs,
Landstreicher, Gauner, Dieb, Zechpreller – und
Hündischer oft traktiert als der geringste Hund,
Um eines Haares Breite Mörder gar …“

Klabund hat den guten alten Vaganten Villon nachgedichtet wie kein anderer. Er hat gesoffen und geliebt wie er, und er hat die Mächtigen angepisst wie er, jedenfalls nach seiner Wandlung zum entschiedenen Kriegsgegner nach den Gräueln des ersten Weltkriegs. „Das Leben lebt“ versammelt vor allem verzehrende Liebeslyrik, zahlreiche Gedichte, die Klabund seiner großen Liebe Brunhilde Heberle, genannt „Irene“, widmete. Irene wurde später seine erste Frau.

Klabund und Mann und Brecht ...

Klabund ist nicht alt geworden. Er starb 1928 mit nicht einmal 38 Jahren in Davos. In Davos? Richtig geraten: er starb am Zauberberg, an einer Lungenentzündung und an einer langjährigen Tuberkulose und vielleicht auch ein wenig am Weltschmerz. Ein paar Gedichte über den Zauberberg finden sich auch in dieser kleinen Gedichtsammlung. Insofern ist dieses Buch, nein: ist Klabund auch eine zauberhafte Ergänzung zum Thomas-Mann-Jahr 2025.

Ach ja, noch eine Kleinigkeit will ich dieser kleinen Besprechung hinterherwerfen: Klabund starb in Davos in den Armen seiner zweiten Frau. Und das war die großartige Brecht-Schauspielerin Carola Neher. Für sie schrieb Klabund das Theaterstück „Der Kreidekreis“, damals ein großer Publikumserfolg, heute leider weitgehend vergessen, jedenfalls weitaus weniger bekannt als „Der kaukasische Kreidekreis“, das Lehrstück von Bert Brecht, das dieser nach Klabunds Vorlage verfasste, adaptierte, klaute oder wie auch immer …

Illustrationen © Michael Kausch

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2 Antworten

  1. Kennst Du Klabunds „Störtebeker“? Wenn nicht (oder auch wenn doch) gönn Dir die Lesung von Christian Rode). Welch ein Hörgenuss.

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