Dass der Tatort Deutschlands liebstes TV-Programm geworden ist, ist nicht neu. Kaum eine Folge der ARD-Krimiserie, die nicht sensationelle Quoten einfährt und längst die einstigen Zugpferde im Fernsehkonsum abgeschlagen hinter sich lässt. Selbst die schlechteste Tatort-Quote toppt die Tagesschau. Und von Wetten Dass brauchen wir gar nicht mehr zu reden. Lediglich sportliche Großereignisse bringen noch bessere Ergebnisse – dort natürlich allen voran König Fußball.
Längst hat der Tatort auch seinen Weg ins virtuelle, digitle Leben gefunden. Längst ist der Tatort Gegenstand tausender Tweets auf Twitter. Noch während der Ausstrahulung haut die deutsche Twittergemeinde wie wild in die Tasten. Das ist nichts Besonderes. Das macht sie nicht nur beim Tatort, das macht sie auch bei Germany’s Next Top Model, Schwiegertochter gesucht, Deutschland sucht den Superstar… und bei allen Fußballspielen. Alles, was Quote bringt und/oder polarisiert, wird kommentiert. Auf Teufel komm raus und mit der twittereigenen Sucht nach Zynismus, Häme, Boshaftigkeit und Originalität. Die gehässigen Pointenjäger schwärmen aus und machen reichlich Beute. Aber auch die „ganz normalen“ Twitterer beteiligen sich am Kommentaremarathon. Das verwundert nicht.
Allein Fernsehen ist und bleibt eben doof: Keiner, der zuhört, wenn man sich so schön über die schlecht sitzende oder lächerliche Garderobe aufregt, niemand, dem man die gerade entdeckten Logik- oder Anschlussfehler mitteilen kann. Keiner hört zu, wenn man sich über die miserablen schauspielerischen Leistungen aufregt oder der auf ein beherztes „Ach Du Scheiße…“ reagiert. Und wer hilft einem weiter, wenn niemand mit vor dem Fernseheer sitzt, aber einem ein Schauspielername nicht einfällt? Daheim niemand.
Aber: Twitter.
Die Plattform bietet den perfekten Ausweg. Längst hat sie die Funktion übernommen, die früher die Familiencouch inne hatte: Man sitzt eben doch nicht allein vor der Glotze. Irgendwer liest einen schon, wenn man nur seine Tweets mit dem richtigen Haashtag versieht. Und irgendwer antwortet oder besternt. Zum Beispiel:

– Twitterer XXX: Ist das nicht der Lerchenberg #tatort
– Twitterer XYZ: @XXX Ja
– Twitterer:XXX: @XYZ Thx

Die ARD hat das Potential längst erkannt und twittert eifrig mit. Mal beantwortet das Team Fragen zur laufenden Sendung, mal informiert es über die Darsteller oder die aktuell verwendete Musik. So geht man mit den Fans auf Tuchfühlung, und die Fans mögen das. Auch große Medienportale wie Spiegel Online oder Stern mischen munter mit, dazu kommen die Tweets der Tatort-Blogs, Fanseiten und der Regionalsender, die den jeweiligen Tatort verantwortet haben. Überall hat irgendwer hat Twitter-Dienst und schreibt sich eineinhalb Stunden die Finger wund. Die Community nimmt alles auf.
Aber die ARD kann noch mehr. Wer seine Tweets zusätzlich mit #ard777 versieht, kann sie mit etwas Glück live im Teletext wiederfinden. Auf dieser Teletextseite blendet die ARD direkt unten ins Bild die Kommentare der Twittergemeinde ein. Und es ist immer wieder witzig, mitzulesen, was Twitter-Deutschland über die emotionalen Ausbrüche eines Ivo Batic, die Verschrobenheit einer Bibi Fellner oder die dürfitge Nachsynchronisation eines Reto Flückiger zu kommentieren hat. Hinzu kommen getweetete geniale Sprüche aus dem Dialogbuch und das frühzeitige Spekulieren der Fans, wer denn dieses Mal der Täter war. So wir der Tatort  dank Twitter zu einem kolossalen Gemeinschaftserlebnis.
Ach ja: Gibt’s noch ’ne Katze bei den Kommissaren (wie bei Lena Odenthal, Thorsten Falke oder gestern bei Franz Leitmayr) dann gerät die Community vollends aus dem Häuschen.

tatort-twitter1

Und mein persönliches Highlight vom gestrigen Twitter/Tatort-Abend?
Am Tag danach weist mich ein Twitterer darauf hin, dass ich die ganze Folge noch mal „nachlesen“ kann. Dazu hat die Onlineseite der Rheinischen Post sich etwas ganz Besonderes ausgedacht. Neben der Filmkritik gibt es eine Zusammenstellung Tweets zum Münchner Tatort – rund 170 Tweets zu 90 TV-Minuten. Das kannte ich bisher gar nicht. Das ist großartig.

Es macht Spaß, so den TV-Abend noch einmal Revue passieren zu lassen und in aller Ruhe die ausgewählten Tweets zu lesen – vor allem, wenn man selbst zitiert wird:

tatort-twitter2

 

Ok, ich mag Tatort und ich mag Twitter. Vor allem aber liebe ich die Kombination aus beidem…

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