Gute Reise!
Gute Reise!

Dieses Interview mit mir erschien gerade auf der Homepage von eco, dem Verband der deutschen Internetwirtschaft e.V.

Er zählt zu den ersten Bloggern im deutschsprachigen Raum: Tim Cole, Journalist, Buchautor und Referent. Sein Blog „cole.de“ feiert in diesem Jahr sein zwanzigjähriges Bestehen. Im Interview berichtet er über die Anfänge, Hürden mit HTML und wie das Blog seine berufliche Tätigkeit verändert hat.

Herr Cole, wann gab es Ihren erster Blogeintrag und zu welchem Thema?

Das war im Januar 1995, und es ging um ein Thema, das bis heute hochaktuell geblieben ist, nämlich um das Abhören von Handys. Die Polizei wollte, dass Telekom und Mannesmann die bis dahin abhörsicheren GSM-Netze nachträglich für Staatsschutzorgane öffnen sollten, was ein klarer Rückschritt war.

Damals habe ich geschrieben: „Lasst alles, wie es ist! Ich finde es ganz beruhigend zu wissen, dass mir niemand, aber auch niemand zuhören kann, wenn ich im D-Netz telefoniere. Wir werden im Leben schon genug beschnüffelt und erfasst.“ Leider hat man nicht auf mich gehört.

Wie sind Sie überhaupt zum Bloggen gekommen?

Ich war damals Chef der Redaktionsgruppe Multimedia bei der Motor Presse Stuttgart, und wir haben ein neues Heft entwickelt namens connect. Dort schrieb ich jeden Monat eine Kolumne mit dem Titel „Mein Leben im D-Netz“. Um diese Zeit hörte ich zum ersten Mal von etwas, das sich „World Wide Web“ nannte, und ich wollte das sofort haben.

Mein Freund Sebastian von Bomhard von Spacenet in München richtete mir einen Server ein und reservierte die Domain „cole.de“ für mich. Nur hatte ich keine Ahnung, was ich mit meiner schönen neuen Webseite machen sollte. Da kam mir die Idee, die Kolumne einfach scheibchenweise ins Netz zu stellen, denn irgendwie war mir damals schon klar, dass eine Homepage leben muss, also ständig irgendwelche neuen Inhalte dort zu sehen sein sollten. War ja auch irgendwie logisch.

Gab es anfangs technische Hürden für Sie?

Ich musste HTML lernen! Viel größer konnte die Hürde für einen technisch relativ unbegabten Menschen wie mich gar nicht sein. Aber zum Glück habe ich schon vorher mit einem Textverarbeitungssystem namens WordPro gearbeitet. Das war lange vor Microsoft Word. Und dieses Programm hat auch mit Tags gearbeitet, etwa für Fettschrift oder Kursiv. Also war es bis zu HTML nicht mehr sehr weit.

Wie hat sich Ihr Blog in den 20 Jahren seines Bestehens verändert?

Es ist vielseitiger geworden. Anfangs habe ich nur über das D-Netz und Mobiltelefone gebloggt. Dann kamen Internetthemen dazu, weil ich einen Nachrichtendienst namens „Net Report“ herausgegeben habe, in dem es um die noch sehr, sehr junge Internetwirtschaft in Deutschland ging.
Ich erinnere mich noch genau daran, wie eco gegründet wurde und der DE-CIX den Betrieb aufnahm. Das waren damals für mich wichtige Themen, über die ich viel gebloggt habe. Aus der Zeit kenne ich noch alle alten „Internet-Urgesteine“. Viele von ihnen sind Freunde geblieben.

Wie hat der Blog Ihre berufliche Tätigkeit verändert?

Früher habe ich als freier Journalist mein Brot verdient und meine Texte für Geld an Zeitungen und Magazine verkauft. Das geht heute nicht mehr, denn Verlage sind in der Regel nicht mehr bereit, für Content zu bezahlen. Ich bin aber ein geborener Schreiberling und der Blog war für mich wunderbar, denn ich konnte nach Herzenslust über alles schreiben, was ich wollte, und viele Leute haben es sogar gelesen!

Gut, ich verdiente nichts damit, aber mein Geschäftsmodell hat sich in dieser Zeit ohnehin verschoben. Ich schrieb 1999 das erste Buch, „Erfolgsfaktor Internet“. Danach wurde ich immer häufiger als Keynote-Referent auf Firmenveranstaltungen und Kongressen gebucht, und damit kann man sehr viel Geld verdienen.

Das Blog von Tim Cole, dem Schreiber, wurde immer mehr zur Visitenkarte, sozusagen zu einem Onlinewerbemittel für Tim Cole, den Redner.

Wie schätzen Sie den Einfluss von Blogs auf die gesamte Medienlandschaft ein?

Sie werden immer mehr zu einer wichtigen Wegstation auf der Customer Journey. Diese beginnt zwar auf Facebook, Twitter oder YouTube, aber der Kunde will, wenn er erst einmal Interesse für ein Produkt oder eine Dienstleistung bekommen hat, fundierte Informationen. Er besucht deshalb gerne die Blogs von Leuten, die einen Ruf als kompetente Experten haben. Erst dann gehen sie zum Webshop des Onlinehändlers. Und bis dahin ist die Kaufentscheidung meistens schon gefallen.

Dadurch ändert sich die Rolle der Händler-Homepage. Sie ist nicht mehr das Onlineschaufenster, an dem Kunden entlangspazieren und sich die Auslagen anschauen, sondern nur noch reine Transaktionsplattform. Das heißt: Ich will dort keine bunten Bildchen und ruckeligen Filme sehen. Ich will schnell und ohne viel Aufwand meinen Einkauf abschließen und weitersurfen.

Leider haben das viele Onlinehändler noch nicht verstanden. Sie versenken immer noch viel Geld in völlig unsinniges Web-Firlefanz, anstatt das Augenmerk auf Funktionalität, Bedienkomfort und Schnelligkeit zu legen.

Warum sind Blogs für Journalisten wichtig?

Weil es die einzige Möglichkeit für sie ist, auch in Zukunft relevant zu bleiben. Die Tageszeitungen sterben ihnen unter den Hintern weg – ich meine: welcher junge Mensch liest heute noch Zeitung? Das Problem ist, dass die sogenannten „Qualitätsjournalisten“ in der Blogosphere auf mächtige Konkurrenz von quasi „nichtlizenzierten“ Bloggern treffen, die auch gut schreiben können und die es aus purem Spaß an der Freude tun, statt um ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

Wie sehen Ihrer Meinung nach Blogs in 20 Jahren aus?

Ich denke, Video-Blogs werden an Bedeutung gewinnen. Und Unternehmen werden immer mehr dazu übergehen, ihre Kundenkommunikation über Plattformen abzuwickeln, die irgendwie wie Blogs aussehen.

Geschriebene Blogs werden sich kürzer fassen als heute und sich untereinander stärker vernetzen müssen, um sozusagen ein Beziehungsnetzwerk zu bilden, in dessen Mittelpunkt der Leser steht. Das ist so wie im E-Commerce auch: Gemeinsam sind wir stärker!

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