Manchmal steht man vor seiner Bibliothek und greift einfach hinein. Und dann zieht man ein Büchlein heraus, wie einen Ertrinkenden aus dem Meer. Dieser kleine, geschundene dtv-Band trägt das Veröffentlichungsdatum 1973. Sein damaliger Preis: 2.80 DM. Er muss also schon reichlich lange in den Fluten meiner Regale treiben. Es handelt sich um die 7te deutsche Taschenbuchauflage von Alexander Solschenizyns Erstlingswerk „Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch“.

Ich weiß nicht mehr, wann ich das Buch zum ersten Mal gelesen habe. Als ich es kaufte, hatte der Autor gerade 3 Jahre zuvor den Nobelpreis für Literatur erhalten.

Der Roman schildert einen Tag im Leben eines Häftligs in einem stalinistischen GULAG. Der Kunstgriff, eine Geschichte auf den Zeitraum von 24 Stunden zu verdichten, hat mir schon immer imponiert: bei Sansibar von Alfred Andersch (ok, da sind es 27 Stunden) und natürlich bei Ulysses.

Solschenizyn berichtet von den Erfahrungen des Gefangenen Iwan Denissowitsch, vom täglichen Überlebenskampf, von den Hierarchien im Lager, von den sozialen Beziehungen unter den Häftlingen. Vieles von dem was er so eindrucksvoll und intensiv erzählt entstammt seinen eigenen Erfahrungen. Schließlich verbrachte er selbst mehrere Jahre in Arbeitslagern. Es ist ein bitteres, erhellendes und wichtiges Buch. Liest man es noch in den Schulen? Es wäre gut.

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