614793Dieter Hildebrandt ist tot. Nachrufe auf ihn verbreiteten sich explosionsartig auf allen Nachrichtenplattformen. Von der Tagesschau bis zum Spiegel – alle würdigen den großen Kabarettisten.
In das gleiche Horn zu stoßen wäre unbotmäßig und unsinnig.
Und doch…

Ich persönlich muss zugeben, dass mich wenige Medienmacher in diesem unserem Lande (erinnern Sie sich noch an diesen Phrasenkanzler?) so sehr fasziniert haben wie Hanns-Dieter Hüsch oder eben Dieter Hildebrandt. Als aktiver verantwortlicher Lieferant der Notizen aus der Provinz (seitdem kenne und liebe ich Tschaikowskys Klavierkonzert) wie auch als Scheibenwischer. Sein größter Coup gelang ihm, als der Bayerische Rundfunk sich aus der ARD-Ausstrahlung ausschaltete wegen nicht gemeinschaftsverträglicher Inhalte. Das war ein Medienskandal, wie er seitdem nicht wieder vorgekommen ist. Lang, lang ist es her.
Das war in der Ära Kohl/Strauß, als Kabarett noch etwas zu sagen hatte, die geistig-moralische Wende das Land intellektuell still legte, als Journalisten noch als Ratten und Schmeißfliegen verunglimpft wurden und Hildebrandt jedes Mal auf’s Neue für klare Sicht sorgte. Es wurde in die Hände gespuckt, weil Leistung sich wieder lohnen sollte.
Die Juppies tauchten auf, die Popper und die Bundfaltenhosen verdrängten die Jutetaschen- und Parka-Fraktionen. Ordentliche Frisuren statt langer, strähniger Matten. Die Hippie-Zeit schien endgültig überwunden, ein paar wenige drängten in die Anarcho-Ecke, ein paar Untentwegte Friedensbewegte trugen noch lila Latztücher.
Hildebrandt, Hüsch, Wecker, Schneyder – sie alle versuchten verzweifelt, gegenzusteuern. Kabarett war noch politisch (meistens) und der Berufstand der Comedians lag noch in den Babywindeln. Das war in der Zeit, in der wir jung waren. Nicht so jung, dass wir für Kabarett noch nicht empfänglich gewesen wären, aber doch noch jung genug, um sich ein Beispiel zu nehmen. Davon zu lernen, perfide und respektlos zu sein gegenüber selbsternannten Autoritäten. Und das hat uns geprägt.
Bis heute.
So einer wie Dieter hat uns alle geprägt. Bis heute, und bis tief hinein in die Mitarbeit an dieser, der Czyslansky-Seite.
Und das werden wir nicht vergessen.

Seine Nachrufe und eine Würdigung seines Lebens und seine Werkes entnehmen Sie bitte der einschlägigen Presse.


Eine Antwort

  1. Das geht mir ganz ähnlich: Bei Tschaikowsky denke ich immer an die „Notizen“. Und Hüsch und Hildebrand werde ich künftig in einem Atemzug erinnern.
    Vermutlich sitzen sie auch beide schon auf der selben Wolke und ziehen da oben eine phantastische Show ab. Und der Werner Finck klopft von unten mit einem Besen an die Wolke und verlangt, sie sollten endlich Ruhe geben, diese Jungspunde. Woraufhin Hildebrand ihn zur Beruhigung und Bestechung zu einer Portion „Schlesisches Himmelreich“ einlädt. Und wer sitzt da links außen im Publikum? Ach ja … jetzt erkenne ich ihn … der gute alte Czyslansky hat sich schon mal einen guten Platz in der himmlischen Lach und Schieß gesichert. Typisch …

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