SC20140117-115701Wenn man wie ich den ganzen Arbeitstag auf engem Raum mit Kollegen verbringt, dann genießt man bisweilen die Ruhe während der Mittagspause. Was heißt: Hin und wieder sitzen wir gemeinsam in einem kleinen Bistro-Restaurant in der Nähe unseres Büros und genießen eher wortkarg das Mittagessen.
Nicht, dass man nichts miteinander zu reden wüsste, aber es muss nicht unbedingt sein, sich fortgesetzt zu unterhalten.
Ganz anders am Nebentisch: Dort sitzt eine Dreiergruppe, ebenfalls wohl regelmäßige Gäste umliegender Firmen, denn Laufkundschaft verliert sich eher selten hierher. Diese Drei sind im intensiven Gespräch miteinander.
Obwohl: Das ist nicht ganz richtig. Einer erzählt – und das laut genug, dass Gesprächsfetzen immer wieder herüberwehen. Begeistert schwärmt er von seiner neuesten App:  Quizduell. Für viele ist das bereits ein alter Hut:  Seit Wochen macht diese App Smartphone-Besitzer süchtig, zeitweise liegt sie im Ranking sogar vor Facebook und WhatsApp: das „Quizduell“. Fünf Millionen nutzen es, lese ich auf Welt Online  unter der Überschrift: Die App für Demütigungen und Angeber. Chip   bezeichnet sie als App mit Suchtfaktor.
Da scheint etwas dran zu sein. Denn ich persönlich habe mittlerweile viele eifrige Spielgegner, die ich mir  im realen wie im digitalen Leben zusammengesucht habe: Vom Schüler zum Arzt, vom Studenten bis zu einem leibhaftigen Pater in einem nordrheinwestfälischen  Kloster. Sie alle können Stunden mit dem Quizduell verbringen – mich natürlich eingenommen.
Man spielt so wunderbar nebenbei, spielt, spielt und spielt und akquiriert immer neue Gegner aus der Familie, den Freunden, den Freunden von Freunden usw. – und  natürlich Twitter. Denn natürlich wird über Quiduell auf Twitter viel geredet. Es ist also keine Kunst, sich Leute in seiner Timeline zu suchen und diese herauszufordern.
Der Quizduell-Novize am Nebentisch aber ist ganz neu dabei. Gestern, so erzählt er seinen beiden Begleitern, habe er sich das Spiel heruntergeladen und seitdem fast ununterbrochen gespielt.
Dann erklärt er den anderen die Regeln und den Sinn des Ganzen.
Es dauert nicht lang und alle drei sitzen mit dem gezückten Handy am Tisch. Während das Essen kalt wird, starren sie auf ihre Smartphones, es wird demonstriert, probiert und vermutlich auch gespielt.
Nun ist es meine Sache nicht, Gesprächen am Nebentisch zu lauschen. Aber dieses war nicht zu überhören. Vor allem war nicht zu überhören, als der Neueinsteiger ein wenig stolz seinen Quizduell-Nickname verrät: Danielschaffteuchalle (*) – alles zusammengeschrieben als ein Wort.
„Ok“, denke ich mir am Nebentisch. „Das klingt selbstbewusst – Torheit der Jugend?“
Denn Daniel, so isoliere ich seinen Vornamen aus diesem Nick, ist noch nicht wirklich im Alter, in dem man Dinge gelassener angehen könnte.
Diese gelassene Erhabenheit scheine ich aber auch noch nicht zu besitzen, denn sein Nick provoziert mich, sobald ich ihn höre. Schafft er wirklich alle? Mich auch?
Männer, das ist hinlänglich bekannt, stehen seit Urzeiten im Wettstreit untereinander. Wer kann am längsten, hat den längsten… Sie kennen das.
Eine knappe Stunde später schicke ich Daniel eine Quizduell-Spielanfrage. Wollen wir doch mal sehen, ob sein Nickname auch Programm ist.
Das ist es nicht, wie sich alsbald herausstellt. Ich habe gute Gewinnaussichten.
Unterhaltsamer als das Spiel selbst aber ist die Chatunterhaltung mit Danielschafftsiealle. Er fragt „Wer bist Du?“ Das Modul Zufallsspieler, auf das ich mich jetzt berufen könnte, scheint er noch nicht zu kennen.
Witziger allerdings erscheint mir die wahre Antwort, Ich schreibe also, er müsse sich nicht wundern, wenn er seinen Quizduell-Nick lautvernehmlich durch’s Restaurant XY riefe, dass er dann Spiel-Aufforderungen bekäme.
Daniels Vorstellungskraft übersteigt wohl etwas, dass es auch ein Fremder sein könne . Er fragt mich: „Tim?“ Das wird vermutlich der Begleiter am Tisch gewesen sein.
„Nein“ antworte ich wahrheitsgemäß. „Ich habe am Nebentisch gesessen.“ Brav entschuldige ich mich, dass ich unfreiwillig Zeuge seines Gesprächs geworden wäre und den Nick aufgeschnappt habe.
Daniel meint „Gut :-))“ lässt sich auf ein Duell ein.
Als die Vorzeichen gut für mich stehen, biete ich ihm keck an, man könne demnächst ja irgendwann mal um ein Mittagessen beim Italiener spielen.
Gegen einen Neuling stehen die Gewinnchancen besonders gut. Denn Daniel weiß weder, wer ich bin, noch in welchen Quizduell-KategorSC20140114-103739ien meine Stärken und in welchen meine Schwächen liegen.
Spielt man oft genug mit den gleichen Leuten, hat man das schnell heraus. Der andere allerdings auch. Hinzu kommt, und das ist ein wirkliches Plus, dass man als Routinier davon profitieren kann, dass sich Fragen öfter mal wiederholen. Irgendwann weiß man eben, dass der Thüringen-Tag 2013 in Sondershausen und die DTM erstmals 2000 stattfanden.
Daniel weiß das wohl noch nicht.
Und er weiß nicht, gegen wen er spielt: Ob jung oder alt, Mann oder Frau. Ich bin also klar im Vorteil.
Ganz abgesehen vom eigentlichen Duell wird es mir ein ganz besonderes Vergnügen sein, zu beobachten, ob er in den kommenden Tagen beim Mittagessen argwöhnisch die anderen Gäste beäugt, wer ihn denn da zum Duell herausgefordert hat.
Ich war’s.

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(*) Daniel heißt natürlich nicht Daniel, Tim nicht Tim und Daniels Nick lautet auch nicht so. Letzterer ist aber dem von mir in diesem Text Nachgebauten sehr ähnlich, auch was die selbstbewusste Siegesansage angeht. Sie werden verstehen, dass ich dem Armen Hunderte von Quizduell-Anfragen, die dieser Beitrag hier generieren könnte, ersparen will… zumindest, bis ich mein Mittagessen gewonnen habe, oder Daniel vielleicht weitere lustige Informationen durch das Restaurant ruft. Vielleicht mal ein Passwort?

Eine Antwort

  1. Neulich ist in den USA einer im Flieger verhaftet worden, weil er bei der Landung sein Smartphone nicht aussschalten wollte. Das heißt: Er sagte, er konnte es nicht. Er sei gerade dabei, „Quizup“ zu spielen, und das mache süchtig. Kann ich übrigens bestätigen. Immerhin war ich dort eine zeitlang Österrichischer Meister in alter Römischer Geschichte…

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