flaggeEs sollte ein Urlaub werden, eine Rundreise, um Land und Leute zu kennenzulernen. Doch, was der deutsche Student Johannes Niederhauser in den USA erlebte, war alles andere als erholsam. Dabei hatte er nicht einmal die Gelegenheit, das Land der unbegrenzten Freiheiten wirklich kennenzulernen. Denn seine Reise endete am Ankunftflughafen Minneapolis und schleißlich in einem Flugzeug, das ihn nach Amsterdam brachte…
In der Onlineausgabe des Magazins Vice schildert er seine Erlebnisse.

Ich muss zugeben: angesichts tausender Europäer, die jedes Jahr die USA bereisen, sei es als Individual- und Rucksacktourist, sei es als Teilnehmer organisierter Reisen, ist Johannes Niederhausers Einreiseverweigerung sicher ein Einzelschicksal. Damit verschwindend gering? Eine Marginalie?
Mitnichten.
Nein: Nur ein weiteres Symptom einer massiv an Paranoia, grenzenloser Selbstüberschätzung und Sicherheitssucht leidenden Weltmacht USA. Und ein signifikantes Fallbeispiel, was an Daten über wen eigentlich den amerikanischen Behörden zur Verfügung steht und auf Knopfdruck abgerufen werden kann.
Lange nicht mehr hat mich ein Reisebericht nachhaltig so sehr beschäftigt. Schon lange nicht mehr ist mir so klar geworden, welchen kolossalen Wert die uneingeschränkte Reisefreiheit der EU-Bürger innerhalb der Europäischen Union darstellt, wie angenehm es ist, einfach mit dem Auto nach Italien oder Frankreich zu fahren, mit dem Flieger nach London oder Barcelona oder mit der Bahn nach Prag. Natürlich ist mir klar, dass an den Europäischen Flughäfen die freundlichen Grenzschützer auch meinen Personalausweis anschauen und in ihren Systemen rumklimpern, ob ich vielleicht was ausgefressen hviceabe. Aber es interessiert sie nicht die Bohne, was ich in London zu tun gedenke.

Den Bericht von Johannes Niderhäuser lesen Sie – wie gesagt – in der Onlineausgabe des Magazins Vice. Er ist sehr empfehlenswert.

PS: Da der Verfasser dieser Zeilen nicht vorhat, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten zu bereisen, leistet er sich also den Luxus dieser Leseempfehlung. Und er leistet sich den Luxus, das amerikanische Nationalheiligtum, die Flagge, per Photoshop auszufransen…

4 Antworten

  1. Der Text von Johannes Niederhauser trifft zwar den Nerv vieler Leute, aber nicht die Kriterien journalistischer Arbeit. So haben sehr viele Kommentatoren unter dem Text darauf aufmerksam gemacht, dass die Infos, die sich die US-Grenzer beschafft haben, auf den vielen Seiten im Netz abzugreifen waren, die der Amateurmusiker (und Amateurjournalist) mit Daten füllt. Darunter auch seine Facebook-Chronik, aus der er allerdings inzwischen die entscheidende Passage gelöscht hat. Da standen zum Beispiel die Daten seiner geplanten Tournee (http://americanarena.wordpress.com/2013/10/13/ein-eingesperrter-reporter/). Theoretisch kannte Niederhauser Amerika von einem Studienaufenthalt, aber nicht gut genug, um die Einreisebestimmungen zu studieren, die für Leute gelten, die auf dem Visa Waiver Programm antreten. Ich bin weit davon entfernt, das Verhalten der Grenzer zu rechtfertigen. Im Gegenteil. Die Fälle von Willkür häufen sich. Besonders gut in diesem Fall von einer Radio-Journalistin dokumentiert, die tatsächlich ihr Handwerk versteht: http://www.onthemedia.org/story/my-detainment-story-or-how-i-learned-stop-feeling-safe-my-own-country-and-hate-border-patrol/ Hier wurden mehrere Teilnehmer einer Hochzeit in Kanada an völlig unterschiedlichen Grenzkontrollpunkten stundenlang ohne Begründung festgehalten. Das Problem: Die internen Aufklärungs- und Kontrollmechanismen der Behörde sind extrem schlecht. Jeder der zunehmenden Machtmissbrauchsfälle hat es verdient, öffentlich gemacht zu werden. Dazu gehören aber auch journalistische Arbeitsmethoden, die nicht angreifbar sind.

  2. Ich gebe Ihnen, lieber Herr Kalwa, recht, dass es sich beim Autor, da ein Student, wohl um einen Amateurmusiker und -journalisten handelt. Aber es sind gerade diese subjektiven und sehr individuellen Eindrücke, die diesen Bericht ehrlich und authentisch machen und damit eine gewisse „Betroffenheit“ auslösen?
    Wohl recherchierte Reportagen in allen Ehren und bei aller Notwendigkeit reichen eben, wenn es einem nicht in den Kopf, sondern im Magen übel werden soll, nicht an diese persönlichen Berichte heran. Zumindest bei mir nicht…

  3. Ich habe sehr bewusst in meinem Kommentar das Beispiel einer Amerikanerin verlinkt, die ihre Erfahrung für National Public Radio beschrieben hat: Journalismus von der Art, wie ich ihn selbst dann erwarte, wenn jemand erst mal nur seine eigene, sehr persönliche Geschichte erzählt. Die Betroffenheit, die ich nach dem Durchhören ihres Berichts empfinde, ist sehr viel größer als das, was mir der Text in „Vice“ verschafft. Geschrieben von jemandem, der nichts dabei findet, nachträglich seine Facebook-Seite zu entschlacken, damit ein wesentlicher Teil seiner Verdachtsberichterstattung von Außenstehenden nicht überprüft werden kann.

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