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Für zwei Milliarden Dollar muss eine alte Frau lange stricken. Und selbst unbedarfte Beobachter des Verkaufs von Skype durch eBay haben sich verwundert gefragt: Wieso ist Skype noch so viel wert? Dass sich die ehemalige eBay-Chefin Meg Whitman 2005 von den Skype-Gründern Janus Friis und Niklas Zennstrom über den Tisch ziehen ließ, als sie ihnen 3,1 Milliarden für den Internet-Telefondienst gab, wusste außer ihr eigentlich jeder. Und dass die vier Jahre, in denen eBay eine Chance nach der anderen verpasste, den Sprach-Dienst sinnvoll ins eigene Geschäftsmodell zu integrieren, auch nicht gerade wertsteigernd waren, ergibt sich bei einigem Nachdenken fast von selbst.

Frau Whitman hat sich denn auch innerhalb von kürzester Zeit mit den beiden Skype-Buben überworfen, die nach zwei Jahren den Bettel hinwarfen und sich ihrem nächsten Projekt, joost.com, zuwandten (BTW: Was ist eigentlich daraus geworden – man hört so gar nichts…).

Wie sehr sich Whitman hat düpieren lassen, wurde allerdings ernst mit der Zeit klar. Die schlauen Nordlichter hatten ihr nämlich offenbar verschwiegen, dass die Basistechnologie von Skype eigentlich gar nicht Skype gehört, sondern einem anderen Unternehmen der beiden namens JoltID. Friis und Zennstrom hatten ja schon einmal für Furore in der Branche gesorgt mit Kaaza, einer Musik-Tauschbörse, die so lange als „Piratensender“ von der internationalen Musikindustrie verfolgt wurde, bis die beiden die Lust verloren und die Firma verscherbelten.

Vorher haben sie aber die Patente für den Kaaza-Code in JoltID ausgelagert. Und dort blieben sie, auch als das Finnen-Duo Skype ins Leben riefen, das in seinem Kern auf der alten Kaaza-Technologie basiert. So lange die beiden selbst Eigentümer von beiden Firmen waren, fiel das niemandem weiter auf, in den ersten beiden Jahren der anfangs harmonischen eBay-Ehe auch nicht. Aber als der Hausfrieden zerbrach und die beiden weg waren, ging der Streit los. Ergebnis: Inzwischen ist in London ein Rechtsverfahren anhängig, das aller Voraussicht nach 2010 zur Verhandlung kommen wird. Und wenn die Sache dumm läuft, kann Skype danach den Laden zumachen. So, wie sich die Beteiligten ineinander verhakt haben, ist wohl kaum von einer gütlichen Einigung auszugehen.

Die große Preisfrage lautet nun: Haben Netscape-Gründer Marc Andreessen und seine Mitstreiter von Index Ventures, Silver Lake Partners und dem kanadische Pensionsfond, keine Zeitungen gelesen? Dass es im Falle einer Verurteilung von Skype ans Eingemachte gehen wird, stand längst zumindest in obskuren Branchendiensten und Blogs. Gut, Andreessen ist kein ganz armer Mann: Seine Venture Capital-Firma verwaltet 300 Millionen Dollar, da ist sein persönlicher Anteil am Skype-Deal in Höhe von 50 Millionen vielleicht noch zu verkraften. Aber wie ist es mit den kanadischen Rentnern und den anderen Anlegern?

Und so wird jetzt kräftig spekuliert. Wissen Andreessen & Co. vielleicht etwas, das wir nicht wissen? Zum Beispiel, dass Friis und Zennstrom ihr Einlenken bereits signalisiert haben? Da ist es interessant zu erfahren, dass Michelangelo Volpi, ein ehemaliger Cisco-Manager, seit kurzem im Verwaltungsrat von Index Ventures sitzt. Liest man in seiner Biographie weiter, erfährt man, dass er auch schon im Aufsichtsrat von Skype saß. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Allem Anschein aus den vergangenen Krisenmonaten zum Trotz sind Investmentbanker in der Regel keine Zocker. Und so können wir getrost davon ausgehen, dass die Anleger, die sich mit zwei Milliarden Scheinchen an Skype beteiligt haben, gewußt haben, was sie taten. Ob es wirklich so ist, werden wir anderen erst wissen, wenn es so weit ist.

2 Antworten

  1. „Für zwei Milliarden Dollar muss eine alte Frau lange stricken.“

    Dieser Satz macht nachdenklich. WIE LANGE muss eine alte Frau für diesen Betrag stricken?

    Ich habe das mal schnell überschlagen:
    Nehmen wir als Beispiel eine wirklich sehr alte Frau, etwa Jahrgang 1900. Sie strickt auf einer Strickmaschine, die zu ihrer Zeit das Modernste vom Modernen war, vielleicht auf einer Strumpfwirkmaschine von Schubert & Salzer (ein Onkel Czyslanskys mütterlichseits war dort einige Jahre in der Registratur beschäftigt! Die Firma gibt es heute noch …) aus dem Jahr 1925. Die schafft so um die 780.000 Maschen pro Minute. Für einen ordentlichen Strumpf benötigt man etwa 25.000 Maschen (je nach Fußgröße und Strumpflänge natürlich). Vernachlässigen wir die Abschreibung bei einer so alten Maschine und gehen wir von einem Wareneinsatz an den Herstellungskosten von vielleicht 25 Prozent aus und bewerten wir das Paar Strümpfe für 5 Euro (taiwanesische Wettbewerber drücken auf den Preis), so strickt die alte Dame tatsächlich bei durchschnittlicher 40-Stunden-Woche und 220 Arbeitstagen im Jahr sage und schreibe 333 Jahre. Aber welche Dame wird schon so alt?

    Man sieht: Skype war zu teuer. Definitiv.

  2. Wenn man sich den Umsatz von Skype im letzten Jahr anschaut – $500 Milionen – dann ist der Kaufpreis eigentlich nicht sonderlich hoch, oder gar überzogen. Ein solches „Multiple“ wird in vielen anderen Deals bei weitem übertroffen. Richtig hingegen ist, dass eBay und Ms Whitman scheinbar zu keinem Zeitpunkt eine blasse Ahnung hatten, was sie mit dem Goldstück im Portefolio eigentlich anfangen sollten: wobei der knappe Hinweis auf ein Messaging- und Voice-System bei einem E-Commerce-Marktplatz eigentlich jedem genügen sollte. Seltsam. Noch seltsamer ist aber, dass eBay, die ja letztlich deutlich weniger gezahlt haben als die zunächst kolportierten $4 Milliarden, anschließend fast $2 Milliarden auf Skype abgeschrieben haben – was ihnen nun wiederum einen hübschen Deal beschert. Wer sowas durchschaut, und das tut der ehemalige VoIP-Verantwortliche bei Cisco, Mike Volpi, ganz sicher, der weiß genau warum er (gar nicht) so viel für den inzwischen weltweit größten Long-Distance-Operator bezahlt. Und der gute Marc Andreesen hat ja nicht nur mit seinem Browser und der Firma Netscape bewiesen, dass er durchaus Visionen entwickeln kann.
    Mehr dazu übrigens auf http://www.urchs.de/4/ossi/2009/09/ebay-kisses-skype-good-bye.html

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