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Bernd Buchholz, Vorstandsvorsitzender Gruner & Jahr

In einem Gespräch mit der Rheinischen Post kündigt Gruner & Jahr-Chef Bernd Buchholz den Aufbau eines Online-Grosso-Dienstes der deutschen Verlage an. Ziel ist die Vermarktung von Qualitätsjournalismus über ein gemeinsames Online-Angebot der Verlage. Nutzer sollen für einzelne Artikel zahlen.

Buchholz: „Reine News wird es weiterhin kostenlos  geben. Aber für besonders interessante und einzigartige Angebote werden die Menschen immer häufiger bezahlen. Wir müssen dafür endlich ein funktionierendes System für Micropayment aufbauen, damit die Leser Inhalte ganz einfach in Mini-Beträgen bezahlen können. … Wir brauchen eine Lösung, bei der die Angebote vieler Verlage einfach aufrufbar sind und die Nutzer diese auch einfach zahlen können. Es wäre schlau, wenn sich da Verleger für die erforderlichen technischen Strukturen in einem großen Rahmen austauschten. Ich spreche mit dem einen oder anderen darüber, wie sie das sehen. Da gibt es verlagsübergreifende gemeinsame Interessen, die ausgelotet werden müssen.“

Dabei will Buchholz die technische Basis mit den Verlagen selbst aufbauen. Partner wie Apple oder andere IT-Anbieter sollen außen vor bleiben. Gleichzeitig erteilt er allen Diskussionen, die eine staatliche Förderung von Qualitätsjournalismus vorsehen, eine klare Abfuhr. Letzteres hat zum Beispiel die SPD vor kurzem gefordert.

Ich halte Buchholz‘ Strategie für richtig:

1. Das Anzeigengeschäft wird sich stark in Richtung Online und neue individualisierte Werbeformate verschieben. Die Verlage müssen sich also darauf einstellen, dass künftig eher 70 als 40 Prozent ihrer Erlöse aus dem Vertrieb generiert werden müssen.

2. Verlage müssen den Vertrieb ihrer Nachrichten selbst in die Hand nehmen, um nicht die Macht komplett an technische Provider zu übertragen. Content needs distribution! Nicht umgekehrt! Ohne Vertrieb ist der Inhalt nichts wert. Wer aber den Vertrieb hat, der hat auch die Kunden – und die Kundeninformationen.

3. Verlage müssen sich zusammentun, um eine gemeinsame Online-Vertriebsplattform zu etablieren. Nur so können sie das Qualitätsversprechen aufrechterhalten und ihren Content über ihre starken Marken vermarkten. Denn was leistet das Internet? Es vergrößert die Auswahl.

Ich will nicht mehr darauf verzichten über das Internet in allen großen Magazinen zu recherchieren. Ich will die Qualität des F.A.Z. Feuilletons mit der Wirtschaftskompetenz des Handelsblatt und der politischen Kompetenz der Süddeutschen Zeitung verbinden. Gut: und dann auch noch den Sportteil der Nürnberger Nachrichten lesen … Und ich bin bereit, dafür zu bezahlen. Aber ich kann nicht zehn Online-Dienste von zehn Verlagen abonnieren. Gerne aber gebe ich für Online-Services so viel Geld aus, wie für meine gedruckte Tageszeitung. Aber ich will dabei die Vorteile der einfachen und breiten Recherche nutzen.

8 Antworten

  1. Erstaunlich: Kaum wartet man 15 Jahre, und schon haben die Verlage angefangen zu kapieren, worum es geht. Die schlechte Nachricht: Sie sind zu spät!

  2. >Dabei will Buchholz die technische Basis mit den Verlagen selbst aufbauen. Partner wie
    >Apple oder andere IT-Anbieter sollen außen vor bleiben.

    Na dann, viel Spaß! Bei der technischen Kompetenz der meisten Verlagshäuser, die ich kenne, wird da ein ganz schöner Verhau rauskommen. Und Google & Co. lachen sich ins Fäustchen.

  3. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Verlage eine gemeinsame Plattform betreiben werden. Tim hat Recht. Technisch sind die meisten irgendwo zwischen Computer to plate und Web 1.0 hängen geblieben. Ich glaube, es wird einen neuen Broker geben und der wird aller Wahrscheinlichkeit nach aus dem Web- oder dem IT-Umfeld kommen. So einer würde die Technik verstehen, er wäre neutral und könnte ein Businessmodell etablieren, das keinen der Verlage, (Rundfunk- und Fernsesender gehören übrigens auch dazu) bevorzugt. Aber es ist kein Steve Jobs für Verlage in Sicht – bisher zumindest nicht

  4. So schön diese Welt auch wäre Michael, ich glaube nicht an sie. Schau Dir an, was den Buchverlagen mit VLB, libreka! und Co passiert. Nur weil es diesmal die Zeitungs- und Zeitschriftenverlage sind (Vorschlag: Nennen wir die Nachrichtenverlage und die Buchverlage Wissensverlage?), wirds nicht besser ausgehen als das Hornberger Schießen.

  5. Ich gebe Tim Cole recht: Die Verlage sind mit ihrem Ansinnen zu spät – so wie es Herr Buchholz gern möchte, wird es wohl kaum sein. Aber warum sind Top-Manager immerzu so fantasielos?
    Wie wäre es denn, auf echte Aktivposten zu setzen? Vom riesigen Portal bis zur Homepage des Fußballvereins – ob Nachrichten-Ticker oder „Super-Tor-Video“: Die Seitenbetreiber würden sicherlich einen moderaten Betrag dafür zahlen. Voraussetzung ist freilich, dass man das richtig gut macht (wobei ich am Können der Journalisten keinen Zweifel habe).

    ©2011 Alle Rechte vorbehalten, Herr Buchholz!

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