Eigentlich wollte ich nur ein paar alte Kartons auf den Dachboden bringen. Und eigentlich sollte ich bei der Gelegenheit ein paar alte Kartons finden, die man „endlich mal“ wegwerfen könnte. Und es hätte auch fast geklappt. Einen alten Karton habe ich gefunden. Nur der Inhalt hat mich überrascht. Die Kiste enthielt in der Tat etwas ebenso nutzloses wie definitiv Nichtwegwerfbares: eine Typenrad-Zeigerschreibmaschine aus den goldenen Zwanziger Jahren.

Die SCRIPTA 5 – ein frühes Notebook

Auf meinem Dachboden finden sich selten Dinge, die man antiquarisch nennen könnte, eher schon Kisten mit alten Büchern über die Einführung von ISDN oder Schachteln mit alten SPIEGEL-Ausgaben, Tonbandgeräte und Receiver aus den siebziger Jahren. Plötzlich aber hielt ich eine gut 90 Jahre alte Schreibmaschine in den Händen. Und ich kann mich erinnern, dass dieses Schmuckstück des Analogzeitalters vor vielen Jahren mein Vater aus Tschechien als Fundsache und Geschenk mitgebracht hat. 

Es handelt sich um eine sogenannte Typenrad-Zeigerschreibmaschine der Marke SCRIPTA.

Scripta 5
Funktioniert auch noch nach 90 Jahren: meine Typenrad-Zeigerschreibmaschine SCRIPTA 5 der Brandenburger GUNDKA Werke.

Die Seriennummer lautet 72323 und deutet darauf hin, dass das Maschinchen im Jahr 1924 oder 1925 in den GUNDKA-Werken in Brandenburg hergestellt wurde. Entwickelt wurde diese kompakte „Reiseschreibmaschine“ von Paul Muchajer. Im Internet findet man gelegentlich die Einschätzung, es handele sich hier um ein Spielzeug. Das ist aber völliger Unsinn. Tatsächlich wurde das Gerät professionell genutzt und angeblich rund 80.000 mal in nur wenigen Jahren verkauft. Es war der Renner im Angebot der GUNDKA-Werke, die allerdings im Jahr 1919 als Blechspielwarenfabrik „Greppert & Kelch“ gegründet wurden.  In jenem Jahr sind in Deutschland überraschend viele Spielwarenfabriken gegründet worden. Gearbeitet wurde dort meistens auf alten Maschinen und in alten Hallen unter dem alten Management der deutschen Rüstungsindustrie.  

Für GUNDKA arbeiteten in der Blütezeit des Unternehmens – zwischen 1924 und 1927 rund 500 Mitarbeiter. GUNDKA vermarktete diese frühe Schreibmaschine nicht nur unter dem Namen SCRIPTA, sondern auch als FROLIO oder GUNDKA. In den dreißiger Jahren wurde sie in England bei EMG nachgebaut und unter dem namen JUNIOR tatsächlich als Spielzeug vermarktet. Eine ganz ähnliche Maschine wurde noch in den fünfziger Jahren in der DDR unter dem Namen Bambino beim VEW Optima Büromaschinenwerk – später Teil des Kombinats Robotron – als Schreibmaschine für Kinder produziert. Rüstung – Spielwaren – Büromaschinen – irgendwie hängt doch immer alles mit allem zusammen! 

Meine SCRIPTA aber war jedenfalls als professionelle Reiseschreibmaschine entwickelt und vor mehr als 90 Jahren zum Preis von rund 80 Mark verkauft worden.

Typenrad der Scripta 5
Das Typenrad meiner SCRIPTA 5.

Schreiben mit der SCRIPTA 5

Mit der rechten Hand wird das Typenrad bewegt. Die wichtigsten Typen befinden sich ergonomisch in der Mitte. Meine Version zeichnet sich durch zahlreiche besondere Zeichen aus, wie sie nur im Tschechischen Verwendung finden. Es war also offenbar eine Export-Variante.

Mit der linken Hand wird eine gelbe Taste betätigt, wodurch sich das Typenrad anhebt und statt der Kleinbuchstaben die Reihe der Versalien zum Einsatz kommt. Betätigt man die schwarze Hebeltaste geht es in der dritten Ebene auf die Sonderzeichen. Mit der roten Taste werden Leerzeichen gesetzt. Den Laufwagen stellt man mit der Hand zurück.

Was macht man nun mit so einem Stück? Sie ist voll funktionstüchtig und ich denke, ich werde sie liebevoll ein wenig aufarbeiten: das Holz reinigen, ein paar Federn nachstellen und ihr vor allem ein neues Farbband gönnen. Ein 8-Millimeter-Textilfarbband, wie man sie noch für Matrix-Printer bekommt, kann man vermutlich umkonfektionieren. Und dann schreib ich mal einen Czyslansky-Beitrag mit meiner neuen alten SCRIPTA. Man muss das Ergebnis halt einscannen … 

3 Antworten

  1. Ein schöner Fund! Danke fürs Teilen.
    Also Gelb = Versalien, Schwarz = Sonderzeichen und Rot = Leerzeichen. Und wie setzt man ein Zeichen, bzw. tippt? das wäre auch noch interessant zu erfahren.

  2. Das ist ja ein wahres Schätzchen! Also nicht wegwerfen. Gehört zur Technikgeschichte. Irgendwie erinnert der Typenkopf ein bisschen an den Kugelkopf der späteren IBM-Maschine. Ob da bei deren Konstrukteuren vielleicht ein Gedankenblitz gezündet hat?

    Der Beitrag erinnert mich an die Erfahrungen mit einer alten ‚Olympia‘ aus den 30er Jahren, auf der ich (JG 1939) als 15-Jähriger das 10-Finger-System zu erlernen versuchte. In meinen Erinnerungen notierte ich:
    „Den Umgang mit der Schreibmaschine hatte ich mir noch während der Schulzeit auf der ‚Olympia‘ meines Vaters beigebracht, einem Vorkriegsmodell, auf der mein Vater seine Rechnungen und Geschäftsbriefe im Zweifinger-System mit atemberaubender Geschwindigkeit zu schreiben pflegte. Die Betätigung der mechanischen Tastatur mit einem besonders langen Hebelweg stellte ein hervorragendes Training für die Fingermuskulatur dar.
    Die Farbbänder waren aus Baumwolle, die sich rasch abnutzte. So wurden die Bänder immer wieder mit einer zweifelhaften Farbtinktur ‚aufgefrischt‘. Es war also kein Wunder, dass sich die häufig benutzten Buchstaben – insbesondere das ‚e‘ – regelmäßig zusetzten und im Text einen hässlichen schwarzen Fleck erzeugten. Da half nur, die betreffenden Typenhebel mit der Hand herauszuziehen und die farbgetränkten Baumwollfasern mit einem spitzen Werkzeug heraus zu pulen. Später gab es eine Art Knetmasse, mit der die Typen gereinigt werden konnten. Beides aber führte regelmäßig zu blau gefärbten Fingern mit einer arg ‚eindringlichen‘ Farbe, die erst nach einigen Tagen mit der abschilfernden Haut verschwand, wenn nicht sogar Kleidung, Tischplatte oder Fußboden von der Reinigungsaktion Zeugnis ablegte.
    Die Reinigungsprozedur hatte oft zur Folge, dass die Typenhebel verbogen wurden und einzelne Buchstaben immer wieder klemmten. Dies war denn auch die Ursache für eine gewisse Hassliebe zu solchen mechanischen Schreibmaschinen, die mich beherrschte, solange ich sie benutzen musste. Ich erinnere mich an die diabolische Freude, die ich Jahre später dabei empfand, Typenhebel dieser Maschine einzeln herauszuziehen und sie mit Gewalt zu verbiegen, bevor ich das Gerät in den Schrott entsorgte.“

  3. Man wählt und „druckt“ mit dem schwarzen Knubbel vorne. Indem man den Knubbel von links nach rechts über die Anzeige der Typen zieht dreht man das Typenrad. Beim Herabdrücken des Knubbels wird das Rad mit der ausgewählten Type auf die Walze gedrückt.

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