Endlich wurde Recht und Gesetz zum Durchbruch verholfen. Schon lange waren sie uns ein Dorn im Auge, die fies-gelbroten Packstationen der DHL Worldnet, vulgo Post. Dort wurden zwar auch regulär Päckchen abgegeben, aber schon lange war klar, daß dieser Dienst sehr gerne von Betrügern genutzt wurde, die dort mit gestohlenen Identitäten ihren krummen Machenschaften nachgehen konnten. Unerträglich die Tatsache, daß sich die Post an solchen Leuten bereichert.

Da die Post diesen Missbrauch nicht wirkungsvoll verhindern konnte, wurde ihr nun das Handwerk gelegt. Es half nichts, daß die Post beteuerte, daß ihre Dienste von vielen Menschen völlig legal genutzt würden und daß diese Menschen Packstationen äußerst praktisch fänden. Das Hanseatische Oberlandesgericht hat geurteilt, daß es nicht genüge, wenn man bei Bekanntwerden einzelner Vorfälle jeweils einschreite, nein, die Packstationen müssen selbst aktiv werden und alle Pakete aufmachen und reinschauen. Sollte es sich um illegale Machenschaften handeln, müsste die Post die Pakete von sich aus vernichten. Tun sie dies nicht, haften sie.

Nanu? Klingt ja reichlich abstrus! Ist es auch, es ging nicht um die Post, es ging um Rapidshare, wie ich der Frankfurter Rundschau entnehme. Es geht auch nicht um Pakete im altmodischen Sinn.

Rapidshare war einmal gegründet worden, um ein typisches Problem zu lösen: Dateien sollen schnell und unabhängig vom Abrufort und von der verwendeten Hardware vorgehalten werden. Typische Anwendungen:

Da war die Idee des Rapidshare-Gründers Christian Schmid geradezu genial: Ich lege alles zentral bei Rapidshare ab und hebe mir nur den Link auf. Will ich die Daten niemand zeigen, gebe ich den Link niemandem. Will ich die Daten nur bestimmten Leuten geben, habe ich das in der Hand. Und wenn ich ein tolles Musikstück gehört, lege ich es auch dorthin und schicke den Link an alle meine Freunde. Und ich habe nur Freunde, also twittere ich den Link fröhlich in die Welt.

Musik? Das klingt nach Ärger. Aber auch die anderen Punkte liefern Ansatzpunkte zum Missbrauch zuhauf. Das oberste Beispiel gleich ist der Horror des Systemverwalters. Wenn man die eigenen Arbeitsergebnisse auf einen fremden Server auslagert, ist es schwer, mit letzter Sicherheit zu verhindern, daß diese Daten von Unbefugten ausgelesen werden. Verschlüsselung hin oder her – wer ist heute im Netz wirklich vertrauenswürdig? Es muß nicht der chinesische Server sein, der, wie wir uns das vorstellen, ausschließlich zum Zweck der Werksspionage betrieben wird. Nein, es reichen die Amerikaner mit ihrem USA PATRIOT Act („Uniting and Strengthening America by Providing Appropriate Tools Required to Intercept and Obstruct Terrorism“ – kein Witz, da hat ein Akronymiker sich in den Staaten lange dran verkünstelt). Und es war nicht irgendein Cloudanbieter, der sich da verplappert hat, es war Gordon Frazer von Microsoft. Das betrifft nur Terroristen? Selten so gelacht.

Das zweite Anwendungsbeispiel ist privat wunderbar, aber im gewerblichen Umfeld ebenfalls ein Ärgernis – wird doch so das Mailarchiv umgangen, das ein verantwortungsbewußtes Unternehmen unterhält, um die Datenaufbewahrungsverpflichtung zu erfüllen, die ihm unser Staat auferlegt.

Photos sind gleich doppelt gefährlich. Zum einen könnte was drauf sein, was unappetitlich oder strafrechtlich relevant oder beides wäre. Oder aber urheberrechtlich bedenklich. Bleibt es bei der Auffassung des Hanseatischen OLG, so kann man auch niemandem empfehlen, Daten in der Cloud abzulegen, die er selbst irgendwann wieder braucht. Heute ist es Rapidshare, gestern war es Megaupload, dessen Gründer Kim Dotcom geb. Schmitz vulgo „Kimble“ gerade in der Gefahr schwebt, für viele Jahre in USA hinter Gittern zu landen. Gut, den mag hierzulande kaum einer, daher sind die Stimmen, die die Vorgänge um Megaupload verurteilen, eher verhalten, aber das ist eigentlich erstaunlich.

Es ist doch so: Da wird allerorten die Cloud herbeigeredet, unser Staat fördert Cloudprojekte auf allen Ebenen und das Wort „Cloud“ wird bereits zuweilen als Ersatz für „Web“ verwendet, so wie früher auf einmal das Wort „Web“ synonym für „Internet“ verwendet wurde. Mir egal, solange sie nicht wieder den „Cyberspace“ aus der Rumpelkammer holen.

Wo ist jetzt genau das Problem? Dann gibt es halt Rapidshare bei uns nicht mehr, weil die vielleicht sauer werden und den deutschen Markt nicht mehr bedienen. Andererseits wäre das recht schnell egal – seit dem lächerlichen GEMA-YouTube-Gezicke wissen wir doch alle, wie einfach es ist, im Netz seine wahre Herkunft zu verschleiern. Doch dann könnte es ernst werden: Wenn wir bei Rapidshare behaupten, wir seien Amerikaner, es aber nicht sind, sind sicher wieder deutsche Gerichte der Meinung, daß die Überprüfung in den Verantwortungsbereich von Rapidshare fällt. Und schon rückt die Kavallerie aus und schon hat der eine oder andere seinen Unternehmensbackup in einer neuseeländischen Asservatenkammer. Übertrieben? Nicht wirklich, so war es ja bei Megaupload. Diese Firma hatte Kunden, denen der Ablageservice alle zwei Jahre 80 Euro wert war. Das Geld ist futsch und die Daten auch, nur weil auf den Megauploadservern auch Filme und Musik herumschwirrten.

Was lernen wir daraus? Cloud ist Mist? Das Sprachspiel funktioniert nur auf Englisch und es stimmt ja nicht. Die Cloud kommt. Landet Deutschland wirklich in der Steinzeit? Nein, das auch nicht, das ist Panikmache, aber solche Vorfälle zeigen, daß es nun wirklich an der Zeit ist, diesen ganzen Themenkomplex zu regeln. Hoster zu behandeln wie Straßenmeistereien, Telephonanbieter, Post oder Eisenbahnen wäre ein erster Schritt. Und dann sollten wir uns endlich um die Reform des Urheberrechts kümmern. Dann müssen wir uns nicht dauernd mit dem Hammer die Nägel blau hauen, nur weil jemand die Rechte an Rosa hat.

3 Antworten

  1. Die Analogie zur klassischen Briefpost ist ganz besonders gelungen und zeigt, wie absurd und kenntnislos sich die Justiz dem Thema „I-Net“ nähert bzw. wie hysterisch sie auf die Demagogie (Stichwort : Ängste schüren) reagiert.

    Man darf sich erinnern:
    Die österreichische Post wurde natürlich nicht herangezogen, nachdem sie dem damaligen Wiener Bürgermeister Zilk eine Briefbombe zugestellt hat.
    Das Versenden einer Briefbombe ist immerhin ein versuchter Mord (weil heimtückisch). Und das ist ja nun schon ziemlich oft passiert. Und nicht nur in Österreich.
    Hat die amerikanische Regierung nach den Anthrax-Briefen an die New York Post und NBC die amerikanische Post belangt, verboten oder zu Kontrollen der von ihr versandten Briefe und Pakete aufgefordert? Auch hier Fehlanzeige… Und ist das etwa keine Form des Terrorismus?

    Fragen über Fragen…

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