Ich habe es getan. Gestern. Ich habe meine Katze zum Teufel gejagt. Ich habe mich hybridisiert. Gretisiert. Elektrifiziert. Jedenfalls fast.

Ich gehöre ja  einer Generation an, für die Automobilität tatsächlich noch ein Freiheitsversprechen war.

In der fränkischen Provinz, also da wo ich groß gemacht wurde, kam man in den siebziger Jahren ohne Auto exakt nirgendwo hin: in kein Konzert, in kein Kino, in keine Kneipe, in überhaupt kein „K“. Höchstens in die Kirche.

Der Autor als Führer – also der Autor im Führerschein. Ein historisches Dokument der frühen Mobilität.

Mit 15 schaffte man sich ein Mofa an – nein, als frankophiler Franke natürlich eine Solex. Mit 18 hatte man dann den Führerschein und irgendetwas, was annähernd wie ein Auto aussah, also eine Blechschachtel, die von Heißkleber, Glaube und Hoffnung zusammengehalten wurde. Erinnert sich jemand an die legendäre Zündfunkserie von Achim Sechzig Bogdahn aus  Frammersbach mit dem „Führer“, der als einziger in seiner Jugend-Clique einen Führerschein besaß? So war das Leben Jahre zuvor auch an der Rezat: wer einen Schein hatte trank Wasser und fuhr die ganze Combo durch die Nacht. Wer keinen Schein hatte soff. Autofahren war gesund und hielt die Leber klein. So war das damals.

Wer in dieser Kultur groß gemacht wurde, für den war das Auto immer mit Transportaufgaben verbunden:

in den ersten drei Reihen des R4 musste eine komplette Band untergebracht werden, im Kofferraum Schlagzeug, Verstärker, Gitarren und das übliche Kleinzeug.

Der Beginn der Automobilität des Autors im Jugendstil

Das erste richtig verdiente Geld floss folgerichtig in einen richtigen ausgewachsenen Kofferraum. Und so wechselnden sich über die nächsten Jahre klassische Kombi-Limousinen  ab:

große Schweden, große Franzosen, große Untertürkheimer. Immer nur Großes bewegte den kleinen Mann. Als dann Kinder da waren, kam mit der Trotzphase der Kinder zugleich die väterliche Trotzphase: „Ich lasse mich doch nicht wegen der Gören auf den Parkplatz der Passateria am Gardasee einwinken.“ Kein Kombi mit kleinen Kindern! Niemals! Ich lebe die Kritik der reinen Vernunft! Und so startete ich meine langjährige Liaison mit britischen Luxuslimousinen mit großen Hub- und kleinen Kofferräumen.  Für den Urlaub wurde dann eben ein Dinosaurierei aufs Dach gelegt.

Ein Kollege meinte damals ein wenig anzüglich, ein Dino habe mir wohl aufs Auto gesch…

Kaum waren die Kinder aus dem Haus wurde – mit einer kleinen frankophilen  Zwischenepisode – auch noch auf die hinteren beiden Sitze verzichtet.

Bei dieser Katze konnte ich erstmals eine alte eiserne Regel nicht mehr einhalten: Mehr Watt als PS – ich fand keine Lösung!

Und um es gleich zu sagen: es folgten ganz wunderbare Jahre: fünf Liter Hubraum, viele Hundert Pferde, ein frei saugender Motor ohne technisches Klimbim: von wegen Turbo, Kompressor oder so Teufelszeugs. Ein Klang aus dem Motorraum wie Donnerhall. Und überall auf der Welt blickte ich in freundliche Gesichter glücklicher Tankstellenpächter. Es war eine schöne Zeit. Aber wie es geschrieben steht: ein jegliches hat seine Zeit …

Längst hatte ich mein Reiseverhalten weitgehend umgestellt: in lange verflossenen Jahren als Vielflieger mit reichem Meilenkonto gesegnet fahre ich größere Strecken schon lange mit der Bahncard. Und selbst die grüne Katze jagte ich in letzter Zeit kaum mehr über die Autobahn, sondern schubste sie beinahe zärtlich mit maßvollem Tritt spritschonend über den Asphalt. Als Freund, Freischwimmer und Katzenfahrer Lutz Prauser vor einiger Zeit auf seinem Zwetschgenmann-Blog über seinen Selbstversuch mit Tempolimit 130 berichtete, schien mir das schon der Einstieg zu sein in ein ganz anderes Zeitalter: letztlich muss der Verzicht auf Geschwindigkeit in den Verzicht auf Hubraum münden – und wer weiß: eines Tages vielleicht sogar in den Verzicht auf Automobilität überhaupt. 

Letzteres ist bei Menschen, für die das eigene Auto in ihrer Jugend tatsächlich ein Symbol für Freiheit war (wie für andere der Marlboro-Mann oder der Stuyvesant Peter) vermutlich schwer psychisch umzusetzen und auch nicht einfach in einem mobilen Lebensstil zu realisieren, wenn man nicht in einer Metropole, sondern in deren entbahnter Peripherie lebt. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Noch nach dem Wald.

Immerhin habe ich gestern einen Schritt getan: ich habe einen Hybriden bestellt. Vollelektrische sind problematisch, wenn man Kunden am Bodensee oder gar die Mutter in der fränkischen Provinz besuchen will. Dort gibt es noch immer keinen ÖPNV und noch immer keine Ladestationen. Die Lieferzeit für Hybride ist beträchtlich, wie überhaupt viel über E-Mobile geschrieben wird, aber kaum ein Fahrzeug wirklich gekauft werden kann. Lieferzeiten von einem knappen Jahr sind jenseits elektrifizierter Reisschüsseln derzeit normal. Und die deutschen Hersteller bauen vorzugsweise deutsche Einbauschränke auf Rädern, hängen 400 PS-Motoren rein und nennen das dann grüne SUVs. Schrecklich! 

Ich habe mich für einen Franzosen entschieden. Für einen Kombi. Wie in frühen Jahren. Nun muss ich eben ein paar Monate warten. Mais non, je ne regrette rien.

Es heißt ja immer, ältere Menschen würden SUVs kaufen, weil sie dann bequemer ein- und aussteigen können. Was für ein Blödsinn. Ich bin noch locker in den Hüften. Ein fahrbarer Schrank kommt mir nicht ins Haus. Aber vielleicht sollte man sich langsam auf das letzte Fahrzeug vorbereiten. Die Freunde vom Wiener Bestattungsmuseum haben da einen Tipp …

Ich fahr dann schon mal den Wagen vor … Ganz leise …

7 Antworten

  1. Sehr schön geschrieben – wunderbar auch die Fotos der vergangenen Vehikel.

    Müsste man sich als Leser entscheiden, war der R4 wohl der stylischste Wegbereiter, der X-Type wohl eher nicht 😉

    Alles Gute und allzeit Gute Fahrt mit deinem Neuen. Und das wird noch lange nicht der/das letzte Gefährt(e )vor dem Kombi!

  2. „X-TYPE“??? Das ist ein XJ unter dem Dino-Ei, einer von zwei weißen, die es in München damals gab. X-TYPE … Ich bin doch keinen umgelabelten Mondeo gefahren. Aber drei XJ: einen XJ Sport in Westminsterblue, einen XJ8 in BRG und den weißen im Alu-Mantel. X-TYPE … Ich fasse es nicht … ich fasse es nicht … wenn das nicht von einem käme, der selbst so ein wunderhübsches altes Auto fährt … ich könnte mich glatt vergessen … 😉 Im Bild der mittlere.

  3. Eigentlich gibt es sogar noch einen. Da war ich aber nur Teilhaber. Mir gehörte ein Drittel eines alten Käfer, den wir 1976 mit abgelaufenem TÜV für eine Frankreich-Rundfahrt gekauft hatten. Nach viereinhalbtausend Kilometern und drei verbrauchten Nylonstrümpfen als Keilriemenersatz haben wir ihn mit 50 Euro Gewinn (Eberspächer Standheizung!) weiterverkauft.

  4. Mea culpa… Zu kurzsichtig. Aus dieser Perspektive sah das Ding für mich wirklich aus wie der X. Aber ok, Iren sind bekanntlich männlich. Ändert nichts daran, dass der R4 einfach Kult ist. Der Käfer allerdings ist ja herzallerliebst – im Marienkäfer-Design 😉

  5. Ich habe im Juni den Schritt hin zu vollekektrisch gewagt. Und ich war mit dem Auto auch schon in der Provinz. 😉
    Mein Fazit nach 5.000 km: Ich möchte nicht mehr zurück zum Verbrenner. Zugegeben, die Ladesäulen müssen noch mehr und schneller werden. Aber das bessert sich gerade von Monat zu Monat (und als Pionier hat man ohnehin eine gewisse Leidensfähigkeit).
    Aber das Fahrgefühl ist einfach sensationell. Das ist so wie mit Servolenkung, Automatik und Klimaanlage: Hat man einmal dieses Feature, fragt man sich, wie man jemals ohne leben konnte.

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