Früher war sowieso alles besser. Die älteren Leser und die älteren Czyslansky-Kollegen wissen das. Da waren Winter noch richtige Winter, kilometerweit stapften wir durch Schneeberge und -verwehungen morgens zur Schule und mittags wieder heim. Je nach Region in Haferl- oder Holzschuhen natürlich.
Die Sommer waren noch richtige Sommer bevor Rudi Carrell sie kaputt sang. Sie begannen im Juli, frühestens im Juni – nicht aber wie heute im April oder Mai, und das ist nicht meterologisch oder kalenderbezogen gemeint. Sommerlöcher kriechen immer früher im Jahr hervor und müssen von findigen Federn gestopft werden. Obwohl der große Czyslansky sich des löchrigen Themas bereits hinreichend angenommen hat, will die schreibende Zunft nichts dazu lernen.

Noch etwas war früher anders. Mit den Erektionen verhielt es sich wie mit dem Geld.  Geld hatte man (oder eben nicht), aber man sprach nicht darüber. Diese alte Binsenweisheit, die noch manchem die lästigen Schnorrer vom Leib gehalten hat, scheint Henry Wolf, amerikanischer Staatsbürger und in Kalifornien daheim, allerdings nicht zu kennen. Wie es um sein Geld bestellt ist, entzieht sich der öffentlichen Kenntnis, dafür weiß die Welt umso mehr über seine Erektionen. Die nämlich hat er, aber er schweigt nicht – er redet. Und noch mehr: Er klagt. Über Erektionen. Dauerhafte. Von 20 Monaten spricht er.

Der Priapismus ist nicht nur unangenehm und schmerzhaft, er stellt auch ernsthafte Probleme für das soziale Leben miteinander dar. Henry Wolf zum Beispiel ist vom regulären Bade- und Saunabetrieb ausgegrenzt, eine Dauererektion lässt sich weder unter dem Handtuch, nur unter Beach-Shorts verstecken, und mögen sie noch so schlabrig sein. Der Besuch eines Konzerts im eleganten Smoking ist ebenso problematisch wie die der des Fitnessparcours in schlabbriger Jogginghose. Amerikaner verstehen bekanntlich keinen Spass. In sexuellen Dingen sind sie etwas eigen. Schnell könnten Jogging-Miezen bei seinem Anblick das iPhone aus den Ohren fallen und sie zerren Herny Wolf vor’s nächste Gericht.

Um dem zuvor zu kommen, hat er seinerseits den Verursacher der Dauererrektion verklagt: BMW. Wie er über die Lokalredaktion von CBS mitteilte, ist es der zunächst vergnügliche Ritt auf einem BMW-Motorrad, der ihm das hart(näckig)e Problem bescherte. Was CBS nun meldet, tickert schnell in die Welt. Führende deutsche Medien von Bild bis Focus griffen die Meldung auf, und verursachten nicht wenig (Schadens-)freude unter ihren Lesern.
Ob Motorradfahren zu Dauererrektionen führen kann, wollte der von CBS befragte Mediziner Dr. Lutz (welch sympathischer Name) nicht bestätigen.
Im Gegenteil.

Grund, der Sache nachzugehen und Czylansky-Kollegen und Freund Alex zu fragen. Der fährt zwar nicht BMW, aber immerhin eine schwere Harley. „Nein!“ bestätigt er, das Problem kenne er nicht – und schon gar nicht beim oder nach dem Motorradfahren. Das klingt unbedingt glaubhaft. Meinen Bürokollegen Hans, der gern mal mit einer Goldwing vorgefahren kommt, brauche ich auch nicht zu fragen. Wäre dem so, wie Henry Wolf behauptet, der gute Hans würde wie ein wandelndes Fragezeichen über den Büroflur schleichen, um seinen Joystick nicht unnötig in Szene zu setzen. Tut er aber nicht – also scheint’s wohl mit der Goldwing nicht zu funktionieren. Kann ich mir auch irgendwie nicht vorstellen. Wie also weiter? Immerhin verkehrt Hans in der Biker-Szene, er könnte sich ja mal diskret umhören oder -schauen… wenn er sich damit nicht gleich eine Schelle einfängt.
Bleibt Bert. Der fährt zwar eine BMW, die ist aber ein so altes und liebevoll gepflegtes Modell, dass sie wohl kaum die Wurzel zum Übel rührt. Und sie stammt aus einer Zeit, als man über Geld (und Erektionen) nicht zu sprechen wagte.

Dauererektion?

Wir werden also warten müssen, bis Henry Wolf sein Gutachten bei Gericht einreicht. Sollte es bewiesen werden, dass BMW-Fahren zu Dauererektionen führt, dann drohen dem Konzern Schadensersatzansprüche. Und die können in den USA in schwindelerregende Höhen gelangen, wie eben Henrys bestes Stück.
Auf der anderen Seite hätte BMW dann völlig neue Möglichkeiten, mit dieser attestierten unique selling proposition. Der Werber sieht vor seinem geistigen Auge bereits die Kampagne: BMW fahren ist rezeptfrei – Viagra nicht.
Die kleine 125er für das Quickie am Nachmittag im Park, die 1000er dürfte für einen Thailand-Trip oder ein Kegelwochenende im Sauerland-Stern ausreichen…
Tausende von SUVs werden in den Garagen verrosten oder an die noch potenten Söhne weitergegeben, derweil die Generation 45+ sich auf die Feuerstühle hockt,  um ihrer Potenz ein wenig nachzuhelfen, breitbeinig absteigt und sich in Stellung bringt: Können, könnt ich schon, möchten, möcht ich auch…

Das erste Sommerloch ist also schon mal gestopft. Die  folgenden müssen sich anstrengen. Die Messlatte liegt weit oben. Und NEIN: Die Zote, das Latten nicht liegen, sondern stehen sollten, die lassen wir weg.

Bilder: Urologische Handbücher aus dem 18. Jahrhundert

4 Antworten

  1. Ich kann nach einem Motorradwochenende auf der Schwäbischen Alb nur bestätigen: Eine R80 „Gummikuh“ verursachte keine Spur von Dauererektion. Nichtmal eine vorübergehende. Im Gegenteil: so ziemlich das Letzte, was ich danach brauchte, war sexuelle Stimuation. Du hättest mir Angela (nein, nicht die Merkel) über die Lenkstange drapieren können: Nach sechs Stunden hätte ich sie mitsamt Motorrad wortlos in die Garage geschoben.

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