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Wann ist ein Pirat noch ein Pirat, und wann wird er zur Witzfigur? Johnny Depp scheint sich als Karibik-Pirat irgendwie an der Haarlinie zwischen beiden entlangzuhangeln. Der als Päderast verdächtigte SPD-Abgeordnete Jürg Tauss ist zur Piratenpartei gewechselt, was das Bild eines bürgerlichen Brillenträgers mit Augenbinde vor dem geistigen Auge entstehen lässt. Und nun will der Schwede Hans Panedya die quintessentielle Outlaw-Website „The Pirate Bay“ salonfähig machen. Er will den Download-Service für 60 Millionen Schwedenkronen kaufen und als legalen Service weiter betreiben. Störtebecker rotiert sicher schon im Grabe (oder wurde er auf See bestattet? Keine Ahnung…).

Herr Paneya betreibt eine kleine Software-Schmiede namens Global Gaming Factory, und er hofft offenbar darauf, von der weltweiten Sympathiewelle profitieren zu können, die nach der Verurteilung der Gründer-Piraten im April durch ein schwedisches Gericht wegen Beihilfe zum Verstoß gegen das Urherberrecht aufbrandete (siehe Czylansky: Gibt es ein Menschenrecht auf Internet?).

Er hat auch eine witzige Idee, wie man als Pirat weiterhin kostenlose Musik- und Videodateien sozusagen als legale Raubkopien anbieten und damit in den Hafen der Ehrbaren Kaufleute einlaufen kann. Bittorrent-Netzwerke wie The Pirates Bay belasten das Internet stark und drücken deshalb den Profit der Provider, so sein Argument. Wenn die „Kunden“ ihre Rechner zusammenschalten, bringt das angeblich spürbare Entlastung, sozusagen ein eigenes Netz im Netz. Das müßte den Internet-Providern eigentlich eine Menge Geld wert sein, glaubt der Schwede. Er will sie zur Kasse bitten und einen Teil davon an die Musikindustrie weiterleiten, die dafür sozusagen ein Auge zudrücken und die Online-Piraten in Ruhe weiter ihre Dateien austauschen lassen soll. Die Gewinne sollen einer Stiftung zufließen, die Projekte im Bereich Meinungsfreiheit und Menschenrechte unterstützen soll.

Piraten sind bekanntlich dreist, und Herr Pandeya zeigt sich zumindest in diesem Punkt als würdiger Vertreter der Gattung. Die bisherigen Fans des Piraten-Netzes sind dagegen offenbar noch skeptisch. Die New York Times zitieren einen Blogger mit den Worten: „Dies ist ein trauriger Tag für das Internet, für die Piraten und für die Freiheit. Kommerzielle Kontrolle kann nichts Gutes bringen…“

Das ist der wahre Piraten-Geist!

6 Antworten

  1. mein lieber tim,

    als us-staatsbürger bist du natürlich wie kein anderer berufen, dich zu fragen der allgemeinen piraterie zu äußern. die verfassung der usa schreibt ausdrücklich dem amerikanischen kongress das recht zu, „… Kaperbriefe auszustellen und Vorschriften über das Prisen- und Beuterecht zu Wasser und zu Lande zu erlassen“. im klartext: der amerikanische kongress darf piraten mit piraterie beauftragen und nichts anderes als staatlich sanktionierte piraterie ist ja bekanntlich das „kapern“.
    ich hatte immer schon das gefühl, dass die piratenpartei ein von der cia gelenkter club virtueller freibeuter ist … und dass die provider nun die prise begleichen sollen, wird unseren freund svb sicherlich wieder auf die palme bringen, womit – olaf sei gnädig – auch die verbindung zum schwedenstaat wieder hergestellt wäre!

  2. Bedenke bitte aber auch, dass einer der ersten außenpolitischen Handlungen der jungen Vereinigten Staaten darin bestand, Kriegsschiffe nach Tripolis zu schicken, um die so genannten „Barbary Coast Pirates“ zu unterdrücken, die zuvor nach Gutdünken amerikanische Handelsschiffe aufgebracht und die Mannschaften versklavt hatten. Die USS Philadelphia wurde zwar ebenfalls gekapert, als sie bei einer Patroillienfahrt vor der Hafenmündung von Tripolis auf Grund lief, dafür schaffte es eine kleine Gruppe von US-Navy-Leuten, das Schiff nachts zu entern und in Brand zu stecken. Wir mögen nicht sehr viel Geschichte haben, aber das bisschen haben wir doch ziemlich gut verinnerlicht…

    Im übrigen wäre mal dem Gerücht nachzugehen, dass unser große Czyslansky in jungen Jahren angeblich in der Adria als Beoachter auf einem Piratensegler mitgefahren sein soll und dort besonders von der Binarität des Geschäftsmodells („Geld oder Leben“) beeindruckt gewesen sein soll.

  3. lieber tim,

    in sachen czyslansky unterliegst du einem verbreitetem irrtum: nicht czyslansky – du spielst hier sicherlich auf ludovico czyslansky an (s. http://www.czyslansky.net/?p=94) – , sondern seine tochter ella czyslansky hat sich in einer umfänglichen tagebuchnotiz unter dem titel „geld oder leben – die binäre grundfrage des geschäftsmodells der freibeuter“ mit der hier diskutierten frage eingehend befasst. unmittelbaren anlass bot offensichtlich ein längerer disput mit ihrem damaligen verehrer james joyce (s. http://www.czyslansky.net/?p=105), dessen verachtung gegenüber dem geld ja berüchtigt war („Seine Missachtung für das Geld gehört zu seinen Charakterzügen.“ zitiert nach „Zu: James Joyce – ‚A Little Cloud‘ aus der Serie ‚Dubliners'“, M.A. Mahvash Dannhäuser, Hauptseminararbeit zur Veranstaltung: „Die Kurzgeschichte des Spätviktorianismus und der frühen Moderne“ an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (Institut für Anglistik und Amerikanistik), 2003, S. 4)

  4. Huhu? ihr gebt ein schönes Beispiel dafür ab, wie man sich umschweifend äußert und dabei neue Themen anspricht, die mit dem eigentlichen Gegenstand der Diskussion nichts zu tun haben. Aber das gelingt euch vortrefflich unterhaltsam.
    Ich dagegen möchte prosaisch nur auf die Parallelität zwischen Napster-Bertelsmann und Pirat-Bay-Paneya aufmerksamn machen. Wenn man sich an den Napster-Bertelsmann-Deal erinnert, kann Panedya seinen 60 Mio. Kronen gleich verbrennen. Wenn die Copyright-Vermarkter endlich eine legale Organisation haben, an die sie sich richten können, werden sie sie mit Klagen genauso überziehen wie weiland Napster – obwohl Pirat Bay nur auf die Inhalte verweist.

  5. Was Herrn Störtebecker und sein Rotieren im Grabe angeht, kann ich zwar auch nichts über dessen Flüssigkeitsgehalt beitragen, aber eines weiss ich sicher:

    Wo auch immer er rotiert, er tut dies Kopflos!

    Und das ist vieleleicht auch ein wichtiges Merkmal des gemeinen Freibeuters. Ob er mal schnell eine Bay kauft (seit wann bezahlen eigentlich Piraten) oder die Partei wechselt, immer scheint es eine recht spontane Impulshandlung zu sein.

  6. @christoph: eigentlich hatte ich erwartet, dass du bei rezeption des titels „James Joyce – ‘A Little Cloud’ aus der Serie ‘Dubliners’“ sofort mit deinem profunden wissen zum cloud computing konterst – solche vorlagen und dann kommt wieder nix … wie bei den bayern …

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