Ja wo isser denn, der böse Facebooker?
Ja wo isser denn, der böse Facebooker?

Recep Tayyip Erdogan, der türkische Ministerpräsident, hasst das Internet. Vor allem Facebook und YouTube sind ihm ein Dorn im Auge, seitdem dort ständig Mitschnitte seiner peinlichen Telefongespräche auftauchen und sich seine Gegner per Social Web zu Flashmobs gegen seinen zunehmend diktatorischen Regierungsstil formieren.

Er ist da natürlich in bester Gesellschaft. Vladimir Putin ist auch kein großer Fan, die gesamte chinesische Führungselite erst recht nicht, von den Ayatollahs und Militärdiktatoren in stockkonservativen islamischen Ländern von Iran bis Ägypten mal ganz abgesehen.

Erdogan & Co. würden am liebsten das ganze Social Web abschalten, was „Imam Beckenbauer“ (ein Spitzname, den ihn seine Liebe zum Fußballspiel einbrachte) seinen Anhängern neuerdings im Lokalwahlkampf verspricht, weil sie „Spionage und Sittenverfall“ erzeugen. Worüber er nicht spricht ist, wie er das denn bewerkstelligen will.

Es gibt im Grunde nur zwei Möglichkeiten, das Internet abzustellen. Man kann die Leitungen kappen, also das Telefonnetz lahm legen. Mein Freund Mustapha wäre damit pleite, denn er lebt als Reiseführer in Istanbul und bekommt seine Aufträge per Handy oder E-Mail. Und wenn er nicht gerade mit Kunden telefoniert, dann spricht er mit irgendwelchen Freunden oder Verwandten. Sein Telefon ist sozusagen Teil seines Körpers, denn er trägt vermutlich sogar nachts im Bett seinen Bluetooth-Headset im Ohr. Versuch mal Mustapha sein Telefon wegzunehmen, und du wirst erleben, wie ein stolzer anatolischer Reiterkrieger früher mal wohl ausgesehen haben muss – furchterregend, jedenfalls.

Die andere Möglichkeit hat China vorgemacht, nämlich den digitalen Mauerbau. Du schottest dein Land einfach ab von missliebigen Inhalten, was allerdings einen gewaltigen Aufwand an Überwachungstechnik und Zensoren bedarf. Nun, China, hat ja genügend Manpower und verfügt über den notwendigen zentralistischen Machtapparat, um einem Millionenvolk das Maul zu verbieten. Und selbst dort funktioniert es nur mit bedingtem Erfolg.

Versuch das mal in der Türkei, diesem Land der liebenswürdigen Chaoten, wo jeder echte Türke gewohnt ist, seine Meinung ständig mit Nachdruck und möglichst lautstark durch den Bazar oder das Kaffeehaus zu brüllen. Alle Türken, die ich kenne, haben außerdem einen ausgeprägten Sinn für Humor. Ich denke, Erdogan wird vor allem eines ernten: schallendes Lachen seiner Landsleute.

Ohnehin finde ich diese ganze Diskussion um Kontrolle oder Abschalten des Internets vor allem umwerfend komisch. In Amerika, wo ich herkomme, gibt es ein sehr beliebtes Spiel, das vor allem auch auf Jahrmärkten anzutreffen ist, aber auch in vielen Kinderzimmern, nämlich „Whackamole“. Das hat nichts mit der brasilianischen Avacadopaste zu tun, sondern ist ein Kompositum aus „to whack“ (verhauen) und „mole“ – der Maulwurf. Es gibt ein Spielbrett mit fünf, neun oder noch mehr runden Löchern, aus denen wechselweise und zufallsgesteuert ein kleines, rundes Kuscheltier auftaucht. Ihn gilt es, mit einer Keule auf den Kopf zu hauen, dann hast du einen Punkt gemacht. Die Tierchen sind aber schnell, und meistens haut man voll daneben.

Ich stelle mir deshalb gerne Recep Erdogan vor, wie er mit der Keule wild nach den Köpfen seiner aufmüpfigen Osmanen schlägt. Er wird das eine oder andere Mal treffen, und was macht er dann? Sie ins Gefängnis sperren? Irgendwann sind die ja mal voll. Und dann?

Aber so weit werden es die Türken gar nicht kommen lassen. Sie werden ihn hoffentlich aus dem Amt jagen. Oder noch besser: heraus lachen.

3 Antworten

  1. Man stelle sich mal vor: Zwischen Frühjahr und Herbst Hundertausende von Touristen zwischen Marmaris und Antalya, die kein Internet haben, weil Erdogan das abgeklemmt hat.
    Wie sollen sie die bitte schön die Daheimgebliebenen neidisch machen mit Fotos von sich, die sie via Facebook-Posts streuen?
    Ich am Strand, Ich in der Bar, Ich am Pool… – dafür fährt man doch heutzutage in den Urlaub – All inklusive (*)

    (*) Nur leider Internet nicht, darauf müssen Sie in der Türkei verzichten.

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