Gadget Show Microsoft

Also, wie rum funktioniert das Ding nun eigentlich?

Es gibt einen großen Unterschied zwischen mir und Steve Balmer. Ich habe gelernt, Texte zu lesen, die auf dem Kopf stehen. Als ich Anfang der 70er Jahre mein Redaktionsvolontariat bei der „Rhein Neckar Zeitung“ gemacht habe, wurde sie noch „in Blei“ hergestellt. Und wie jeder echte Gutenberg-Jünger weiß, gibt es nur eine richtige Art und Weise, „Stangen“ (in Blei gesetzte Zeilen) zu lesen, nämlich umgekehrt herum, also auf dem Kopf stehend, von rechts nach links.

Steve’s bemühter Versuch auf der CES in Las Vegas anlässlich der Präsentation des neuen gemeinsamen Tablett PCs von Microsoft und HP ist nicht nur deswegen völlig in die Hose gegangen, weil er im Gegensatz zu mir keine Ahnung von Bleisatz hat. Wahrscheinlich kennt er das nur vom Hörensagen. Das Problem liegt vielmehr in seiner Einschätzung der menschlichen Natur.

Und da ist er in bester Gesellschaft: Die ganze PC-Branche glaubt aus irgendwelchen Gründen, dass die Menschheit nur darauf wartet, endlich wieder zu den Ursprüngen der Schriftkultur zurückkehren zu dürfen. Und daran kann nur glauben, wer ein hoffnungsloser Techie ist.

Zur Erinnerung: Tontafeln, auf denen Inschriften in Keilschrift angebracht wurden, kannten schon vor 5000 Jahren die Bewohner Mesapotamiens. Die Computerindustrie verwendet viel Zeit und Geld darauf, diese Uralt-Technik in digitaler Form wieder auferstehen zu lassen. Und sie liegen damit komplett – und damit meine ich: völlig, absolut, vollständig! – daneben.

Ich lehne mich ganz weit aus dem Fenster: Tablett-PC werden nie – und ich meine damit wirklich niemals – never! – ein Erfolg. Jede Minute, jede Euro, die Microsoft, aber leider auch Apple in diese Technik investiert, ist zum Fenster rausgeschmissenes Geld. Ja, ein Block Papier ist eine tolle Sache. Man kann darauf Notizen schreiben, Zeichnungen oder Doodles kritzeln und sonst sehr sinnvolle Sachen machen. Aber ein Computer ist kein Notizblock, und er wird es auch niemals sein. Wer glaubt, den Benutzern eine Reise in die Vergangenheit bieten zu müssen, verspielt die Zukunft.

Die gegenwärtige Tablett-Manie ist der Offenbarungseid der PC-Branche: der Beweis, das ihnen aber auch gar nichts Neues mehr einfällt.

PS: Als Kompetenznachweis zu diesem Thema möchte ich anführen, dass ich vor 2 Jahren für sündteures Geld einen Thinkpad X60 Tablett PC gekauft habe, die Tablett-Funktion aber bis heute nie wirklich verwendet habe. Ich hätte 1500 Euro und ziemlich viel Ärger und Selbstzweifel gespart, wenn ich gleich einen „richtigen“ Laptop gekauft hätte. Da kann sich Steve Balmer von mir aus auf den Kopf stellen!

18 Antworten

  1. Well, Tim, da kann ich dir heute aber ausnahmsweise mal garnicht Recht geben.

    Ich stimme zwar zu dass TPCs wahrscheinlich nie mainstream werden und konventionelle Laptops verdraengen werden, aber in isolierten Zirkeln ist das schon heute der Fall.

    Eine grosse Hilfe war da Microsoft’s OneNote, das nun erlaubt jedes Office Dokument annotierbar aufzurufen. Da kann ich ganz schnell mal Pfeile und Symbole in eine Tagesordnung einfuegen, Bemerkungen einschieben oder einen ganzen Paragraphen x-en.

    Aber vor allem in technischer Ausbildung sind TPCs ein wunderbares Werkzeug. Du gibst den Studenten ein Diagramm und sie koennen es vervollstaendigen, farblich segmentieren oder schnell mal einen Kreis um ein wichtiges Teil zeichnen und dann Daten zufuegen. Und das alles vollkommen unabhaengig von der urspruenglichen Struktur des Dokuments, dh. von Zeilen, Zellen oder Bildern. Das musst Du erstmal mit einem Glidepad oder der Tastatur versuchen.

    Die Studenten (oder Ingenieure) geben dann ihre Loesungen an die ganze Gruppe weiter und jeder kann sofort weiter an jeder anderen Kopie rumbasteln. Das Dokument geht nie verloren, verschmutzt oder reisst ein, und Du brauchst keinen Kopierer.

    Versuch mal eine grosse mathematische Formel mit zehn Kollegen zu diskutieren und Loesungsvorschlaege mit Tastatur und Microsoft Formula Editor einzugeben.

    Und schliesslich, wenn ich im Feld arbeite (sagen wir mal um Baeume zu katalogisieren) rufe ich mal schnell ein Google Earth Bild auf und fuege dann Bemerkungen ueber Baeume, Gebaeude, Installationen oder Naturelemente bei. Direkt wo’s hingehoert und ohne jedesmal das Laptop wo auflegen zu muessen sodass ich die Tastatur bedienen kann.

    Fuer einen Publizisten, der hauptsaechlich mit plain text arbeitet sehe ich schon ein, dass ein TPC wenig neues zu bieten hat, aber fuer uns Techies ist er eine tolle Sache.

    Und noch ne Anekdote:

    Unser Praesident hat unlaengst verboten Laptops in Meetings zu oeffnen weil sie es leid ist dass alle Gesichter hinter schwarzen Deckeln verschwinden und sie „ins Nichts“ redet. Mit einem TPC flach auf dem Tisch kann ich nun weiterhin im Internet rumstoebern waehrend es fuer das nackte Auge erscheint als ob ich ganz eifrig Notizen mache.
    (OK, OK, minor reason…)

  2. Kleine Korrektur aus der Bleisetzerei: Der Schriftsetzer liest die Schrift auf dem Kopf in Spiegelschrift. Wenn sie nicht in Spiegelschrift steht, kann auch ein Gutenberg-Jünger sie nicht lesen, weil er dann von rechts nach links stolpern müßte.

  3. @MZS: Hat man dich damals auch vor Bleiläusen gewarnt? Selber noch die Nagelprobe gemacht? Weißte noch, was ein „Cicero“ ist? Ein Fliegenkopf? Eine Leiche? Ein Hurenkind? Und was haben wir bei der Gautschfeier gesoffen…

    Schade um die schöne Druckersprache und um Sätze wie: „Sitzt, passt, wackelt und hat Luft!“

    Gott grüß die Kunst!

  4. meine letzte gautschfeier ist gerade mal vier monate her. die tradition ist noch nicht wirklich tot. aber passend zu modernen setzgewohnheiten wurde überwiegend bleifrei gesoffen, da die meisten von uns anschließend noch nach hause fahren mussten.

    aber mal im ernst: ich kenne einige anwender von tablet pcs, viele davon „im feld“, wie tom erwähnt (biotopkartierungen macht man nun mal ohne tastatur), einige in kliniken (das tastaturklappern am krankenbett gehört nicht zum handwerk), einige aber auch im büro. und wer sich mal an die handschriftliche korrektur von mit tastatur erfassten texten und grafiken gewöhnt hat, der will das nicht mehr missen. aber tröste dich lieber tim: ältere digital naives (ja: ohne „t“), die schon blei in den gliedern haben, werden sich weder umstellen können, noch müssen.

  5. Beg to differ, sir!

    Es dreht sich weder um Tontafeln, noch um Satz mit beweglichen Lettern! Höre ich hier eine Kritik a la Schirrmacher???

    Es dreht sich um transportable Information, grösser als ein Handy, kleiner und portabler als ein PC, mit Zugriff auf Audio, Video. Mit der Möglichkeit der Interaktivität, Notizen machen, Kalender updaten, schreiben.

    Ja, ich habe vor 35 Jahren eine Schriftsetzermeisterprüfung abgelegt und freue mit auf die ersten Tabletterfahrungen!

  6. Ja, es gibt einen weltweiten Markt von genau 179,5 Biotopkartierer. Die Kliniken sind leider alle pleite, die können sich nicht einmal den die Elektronische Gesundheitskarte leisten. Bleibt noch Steve Balmer, Steve Jobs und du, „Steve“ Kausch. Ziemlich überichtliche Zielgruppe, das.

    Nein, ich bleibe dabei: Der Tablett-PC ist eine tolle Lösung für ein nichtvohandenes Problem. Die Computer-Industrie muss sich einen anderen Zopf suchen, um sich daran aus dem Sumpf zu ziehen, in dem sie seit Jahren selbstverschuldet steckt.

  7. Hier spricht das Tablett Orakel:

    Das von HP und Microsoft und sonstigen Dosenherstellern wird ein Flop, das von Apple wird ein Renner!
    Ihr alten Männer solltet etwas weiter über den Tablettrand blicken und auf die Kinder sehen: Die Generation Nintendo DS wird den Tablett PC begeistert annehmen, aber eben nur ein Cooles und Stylisches …

  8. Fliegenköpfe, Hochzeiten, Leichen, Hurenkinder und Schusterjungen kommen in meiner Werkstatt selten vor. Cicero, Nonpareille und die Achtelpetit sind mein Täglichbrot. Ich drucke auf Boston von Hand und auf Boston mit Fußantrieb und auf dem Heidelberger. Das Handwerk wurde schon totgesagt, als ich es gelernt habe. Mit dem Totsagen ist es so eine Sache. Die amerikanische Papierfabrik Crane hat vor kurzem eine Papierkollektion für den Buchdruck (Letterpress) eingeführt, weil er wieder in Mode gekommen ist. Ob solche elektrischen Tabletts sich durchsetzen, hängt ja nicht von den Gewohnheiten derer ab, die sie nicht benutzen, sondern von denen der Benutzer, die Zettel nicht so praktisch finden wie elektrische Medien, von denen das Tablett sicherlich eines des Überganges ist. Liegt der elektronische Zettel nicht schon vor der Bürotüre? Und als modische Gegenbewegung wird die Schiefertafel bald in allen Kaufhäusern liegen.

  9. @MZS: Erinnert mich an die Wiedergeburt der Vinylplatte. Bitte, bitte weitermachen – es gibt Dinge, die müssen notfalls gegen jede Vernunft fortgeführt werden.

  10. @tim

    mann tim: noch ein wort gegen vinyl … wenn du mich das nächste mal besuchst hörst du dir mal ein paar dinge auf vinyl und zum vergleich auf CD an. dir werden die ohren übergehen.
    es gibt schon auch wirklich gute CDs. aber es gibt viel mehr schlecht abgemischte CDs, als schlecht abgemischte und gepresste Vinyls. es gibt noch immer dinge in den katalogen, die bis heute nicht ordentlich auf CD gemischt wurden.
    ja: und ich kaufe sogar neue dinge gerne auf vinyl. so wie ich gerne ein gut gebundenes buch in die hand nehme: mit hübschem kapitellbändchen, marmoriertem vorsatzpapier und im bleisatz mit schöne type gedruckt. so ist das.

  11. „Der Fahrer des Jaguars hatte im Morgengrauen auf der Autobahn Muenchen-Stuttgart die Kontrolle ueber sein Fahrzeug verloren als er den Tontraeger in seinem speziell angefertigten Armaturenbrettvinylplattenspieler wechseln wollte….“

    Doch, doch. Trotz digital und wireless und watweissich durchs ganze Haus, ist die schoenste Art Musik zu hoeren immer noch eine schwarze Scheibe auf den Teller zu legen und den Tonarm an die richtige Stelle zu bugsieren.

    Schliesslich erlaubt einem der ganze nostalgische Vorgang abzuschalten und sich auf die Musik zu freuen. Man trinkt ja einen 40 Jahre alten Port auch nicht aus der Colabuechse.

  12. @tom Ich bin tatsächlich einmal in einem alten 50er Jahre Chevy mitgefahren, der hatte einen original Plattenspieler, wo sonst das Handschuhfach ist – eine Art Slot-In Technik.
    Und was haben wir darauf gehört? Natürlich den King.

    @Mik hast du das in deinen Jaguar eingebaut?
    Eine blau leuchtende Allianzarena! Schöne Farbe, sähe mit einem Easy-Credit Design nicht so hübsch aus

  13. @alexander: Wow! Das hat Stil.

    Wie haben die wohl das Springen des Tonarms in den Griff bekommen? Das wuerd ich mir gerne mal anschauen.

  14. @alexander,

    das schöne ist, dass teller und licht weiss sind. nur die platte ist blau und ein wenig durchscheinend. spielt der club lege ich eine rote scheibe auf (oder gibt es noch einen verein mit der farbe rot? du erzählst was von der allianz-arena. aber ich kann mich da an keinen roten verein erinnern …).
    und den king hab ich natürlich auch. in hüfthalterpink! das ist völlig oben über …

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