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Deutschland hat nicht nur zu wenig IT-Fachkräfte – es hat auch noch die falschen! Aber wenigstens ein Gutes hat die gerade von BITKOM-Präsident Prof. Dr. August-Wilhelm Scheer vorgelegte Neuauflage der Studie „Der Arbeitsmarkt für IT-Experten“: Die Branche ist gut über die Krise gekommen.

Dieser Schluss drängt sich jedenfalls auf angesichts von nach wie vor rund 20.000 unbesetzter Stellen bei Softwarefirmen und Anwenderunternehmen im Lande, 7.000 innerhalb der ITK-Branche selbst und 13.000 bei Anwenderunternehmen aus Handel, Produktion usw.. Das sind zwar deutlich weniger als noch vor einem Jahr, als die Zahl der offenen Stellen bei 43.000 lag. Aber es sind immer noch viel zu viele!

Wobei es zwischen Anbietern und Abnehmern von IT-Leistungen durchaus deutliche Unterschiede im Suchprofil gibt: Während in der Branche selbst vor allem Softwareentwickler (61 Prozent der befragten Unternehmen haben mindestens eine offene Stelle) und Datenbankadministratoren (45%) fehlen, sind es bei den Anwendern eher Leute mit Praxiserfahrung, allen voran PT-Projektmanager (47%) und Fachleute für Benutzerservice (19%) und IT-Sicherheit (18%).

Ein weiteres Indiz dafür, dass Unis und Fachhochschulen die falschen Absolventen produzieren, ist auch die Zahl der Unternehmen, die in die nachträgliche Qualifikation ihrer bestehenden IT-Fachkräfte investieren (müssen), nämlich 90%! Fast ein Fünftel der befragten Firmen gibt an, im kommenden Jahr sogar mehr Geld als bisher für die Weiterbildung ihres IT-Personals eingeplant zu haben.

Und wer ist schuld? Scheer hat sehr schön beschrieben, wie sich die Vertreter der an der Bildunsgkette Beteiligten jeweils dem nächstfrüheren Glied die Schuld zuschieben: Kindergärten beklagen, dass die Eltern ihren Kindern nicht beibringen, still zu sitzen; die Hauptschulen schimpfen über die Kindergärten, die nicht genug Zeit in die vorschulische Ausbildung investieren; die Gymnasien finden, dass die Schulen die Kids schlecht vorbereiten und die Unis fordern eine Reform der Gymnasialstufe. Den letzten – die Firmen, denen die ITler fehlen – beißen natürlich die Hunde.

Dass im Land der Dichter und Denker in den Schulen in Sachen Computerausstattung und IT-Kompetenz der Lehrer Zustände herrschen wie in manchen Drittweltländern ist ja seit Jahren bekannt, ohne dass sich spürbar etwas verbessert hätte. Großspurig angekündigte Initiativen von Politik und Wirtschaft verlaufen nach wie vor weitgehend im Sande. „Irgendwie hat man das Gefühl, die haben aufgegeben“, sagte mir BITKOM-Pressesprecher Maurice Schahd, als ich nach der Pressekonferenz mit ihm sprach. Nach wie vor besuchen mehr als 50% der deutschen Schüler nie Informatikunterricht, entweder aus mangelndem Interesse oder weil das Fach bei ihnen gar nicht erst angeboten wird.

Der BITKOM hat aus der Studie eine Reihe von Forderungen abgeleitet, die sich alle schön und gut anhören. So soll der Anteil der so genannten MINT-Fächer (Mathe, Informatik, Naturwissenschaften (Biologie, Chemie, Physik) und Technik) auf mindestens ein Drittel der Unterrichtsstunden zu erhöhen. Viel Vergnügen damit, zumal die Richtlinienkompetenz im Zuge der Föderalismusreform ja komplett flöten gegangen ist. Es geht halt nichts über deutsche Kleinstaaterei!

Die größte Katastrophe von allen ist aber der Frauenanteil im den IT-Berufen – und es wird immer schlimmer! Im Jahr 2008 waren nur 9% der 40.862 IT-Azubis weiblich. Zum Vergleich: Im Jahr 2005 lag der Anteil der Mädchen noch bei 10,6 Prozent und im Jahr 2001 sogar bei 14,2 Prozent!

Das ist besonders schade, weil der Männerüberschuss in der IT durchaus auch zu Lasten der Qualität geht. Frauen schreiben nämlich den besseren Code, wie mir eine äußerst erfolgreiche Programmierin vor Jahren schon mal im Vertrauen sagte. Sie meinte, das läge daran, dass Frauen besser als Männer in der Lage sind, intuitiv und pragmatisch mit dem Computer umzugehen. Mädchen lernen stricken – Buben nicht. Dabei sind sich Stricken und Programmieren viel ähnlicher, als man glaubt: Beide Tätigkeiten erfordern konzentrierte, methodische und hochgenaue Arbeitsweisen („90 Prozent Repetition, 10% Kreativität“). „Männer sind halt furchtbare Schlamper, und ich habe die meiste Zeit damit verbracht, ihren Code zu korrigieren“, sagte die Dame.

Dabei wären IT-Berufe eigentlich für Frauen wie geschaffen! In den IT-Berufen werden Frauen wegen des Fachkräftemangels besser bezahlt, und sie haben auch bessere Aufstiegschancen als in jedem anderen Wirtschaftszweig. Und ihre Arbeitsgeber sind meistens eher bereit, flexible Regelungen von Arbeitszeit und Arbeitsplatz zu akzeptieren, zumal sich dank Internet und Telearbeit gerade in Computerberufen Beruf und Familie für Frauen viel besser unter einen Hut bringen lassen.

Ich würde noch ein drittes Argument für mehr Frauen in IT-Berufen anfügen: Frauen denken vernetzt, Männer linear! In der modernen Abreitswelt sind nicht mehr einseitig ausgebildete Fachleute gefragt, sondern Mitarbeiter, die vernetzt denken können. Und solche Leute können wir nicht einfach aus Indien importieren, wie das Fiasko mit den „Red/Green Cards“ der Regierung Schröder gezeigt hat. Der Wirtschaftsstandort Deutschland braucht Menschen, die über mehr verfügen als technische Kenntnis, nämlich Kommunikations- und Integrationsfähigkeiten, Verständnis für die Unternehmenskultur, Empathie, Weitblick – kurz: Intelligenz, Emotion und Geist. Die Gleichung lautet: IQ + EQ + SQ (spiritual quotient).

Irgendein Witzbold hat mal das Motto ausgegeben: „Inder statt Kinder!“ Blödsinn. Richtig muss es heißen: „Frauen statt Inder!“ Sonst sind wir wirklich bald selber nur noch Dritte Welt…

4 Antworten

  1. Oh Tim! Da hast Du Dich aber ins Bockshorn jagen lassen.

    Frauen schreiben nämlich den besseren Code, wie mir eine äußerst erfolgreiche Programmiererin vor Jahren schon mal im Vertrauen sagte

    Das war dieselbe Frau, die auch schon gesagt hat, daß Frauen weniger Unfälle bauen.

    Ich versuchte meistens, diese Männer-Frauen-Unterscheider ins letzte Jahrhundert zu verbannen. Es gibt gute Programmierer und schlechte Programmierer und es gibt Männer und Frauen. Fertig. (Außerdem: Was ist ein „guter Programmierer“? Einer der rechtzeitig fertig wird? Oder der eine Software schreibt, die genau das tut, was sie soll? Oder dessen Software nie abstürzt? Oder der so brav kommentiert, dass mehr Kommentar als Code in den Sourcen steht? Oder der schneller ein Modul neu codet als es dauert, es aus irgendwelchen Dokus von Libraries zu ziehen? Oder der jede neue Programmiersprache schneller lernt als man #include schreibt? Oder der umgekehrt noch jedes Problem schneller in Assembler gelöst hat als die ganzen 4GL-Fuzzis? *gg* – auch Einkommen bietet sich nicht an, um gute Programmierer zu erkennen. Ich geb’s auf.)

    Na gut, es gibt Unterschiede. Nach meiner höchst privaten Beobachtung sind Männer eher fähig, sich zu konzentrieren. So zu konzentrieren, daß die Frauen schon den Arzt holen wollen. Beispiel: 48h am Stück ein Computerspiel spielen. „Kann grad nicht aufhören, nur noch den Level“. Tunnelblick etc. Und das geht auch beim Programmieren. Der ganz große Wurf. Nichts essen, nichts trinken, was nicht neben dem Keyboard steht oder gebracht wird. Frauen können nach acht Stunden leichter den Griffel weglegen. Und daher sind sie vielleicht konzentrierter und frischer bei der Arbeit. Aber durchschnittlich programmieren Männer leidenschaftlicher. Aber nun Schluß mit den künstlichen Unterscheidungen.

    Obwohl….

    Frauen schneiden sich seltener beim Rasieren der Kinnpartie. Aber das Risiko gehen wir 2 ja auch eher selten ein, gell? 🙂

  2. Ich habe meinen Reflex auf diese Männer-Frauen-Sache stehen lassen :). Aber ich habe eine zweite, vielleicht dringendere Anregung, und diesmal ganz ohne Smileys: Wann auch immer die Rede von Ausbildungsmängeln ist, muß man ganz kurz einen Reality-Check zwischenschieben.

    Als ich in der Schule war, gab es keinen Informatikunterricht. Bin halt schon älter. Und ich habe eine humanistische Ausbildung genossen, ja, Latein, dann Englisch und dann Griechisch. Das hat mich nicht gehindert, Mathe zu studieren und, ja, ich muss es sagen, mich in der ganzen IT-Welt doch immer ganz gut zu behaupten.

    Die von Dir erwähnte Lücke kommt nicht von der Schule. Aber das wäre ein Thema für eine eigene Untersuchung, nur vorab als Bauchgefühl: Solange man die IT in die Schmuddelecke steckt (Porno und Pizza aus der Hand), unter Generalverdacht stellt (Hacker und sozial Gestörte), nicht ernst nimmt (Nerds, Gamer) findet sich nicht genug Nachwuchs. Warum wollen Leute heute lieber Sozipäds werden? Wieso lesen Physiker vor leeren Hallen? E-Technik, Maschinenbau, überall stehen Studienplätze leer und Ausbildungsplätze werden nicht besetzt? Haben wir in unserer Gesellschaft noch genug Respekt vor Ingenieuren und Diplomierten Naturwissenschaftlern? Oder haben wir nicht gelernt, dass wir alle Looser sind, nur Banker dringen ins Zentrum der Macht vor?

    Wir haben wieder eine Generation Informatik-Azubis zusammengekriegt. Aber vor 10 Jahren hatten wir ohne Übertreibung 100 mal mehr Bewerbungen um Lehrstellen. EINHUNDERT. Die Zahl klingt unglaubwürdig, aber sie stimmt. Und das alles hat NICHTS mit der Schule zu tun.

    Wie gesagt, das würde sich mal lohnen, darüber zu recherchieren… Aber ich habe keine Zeit, ich muss ja jetzt meine Kartonpizza essen und mich schnell ins Weisse Haus hacken…

  3. @Tim: Habe noch uralte Recherchen zu unserem Buchprojekt „Frauen statt Inder“ – hat sich NICHTS geändert… Und einen Verlag würde es heute wohl genau so wenig interessieren wie damals. Denn Verlegerinnen wie Antje Ellermann gibt’s eben auch kaum.

    Und für die Journalisten: Eine FRAU bestreitet im Presseclub München am 24.11.2009 das Thema „Twitter – Mitzwitschern oder lieber drauf pfeifen?“ Die Herren der Schöpfung dürfen teilnehmen, auch wenn die Veranstaltung vom JournalistInnenBund organisiert wird.

    @ Sebastian v. Bomhard: Gehe konform mit der Meinung, dass nicht die Schule die Persönlichkeit bildet, sondern die gesamte Umgebung, in der man aufwächst: Ich bin heute froh, das große Latinum gemacht haben zu müssen (!) und das Glück gehabt zu haben, u.a. Neugier und den Blick aus der Vogelperspektive als Fundamente zu Hause kennen zu lernen…

    Konsequenz: Wir Erfahrenen sind aufgerufen, den Kids die Augen zu öffnen. Wer Interesse hat, was man in München machen kann, möge mir eine PM mailen.

  4. Ob Frauen oder Männer ist vielleicht nicht die wichtigste Frage. Viel wichtiger ist doch, wie man mehr junge Menschen dazu bringt, eine IT-Ausbildung zu machen, gleichgültig ob an der Universität,der Fachhochschule oder als Lehrberuf. Die Studenten klagen unisono, das Studium sei zu anspruchsvoll und die späteren Verdienstaussichten eher mager. Die Unternemen dagegen bilden zu wenig aus.

    Vielleicht wäre etwas gewonnen, wenn Unternehmen zum einen mehr ausbilden und zum anderen mehr Berufsanfänger einstellen. In den Stellenanzeigen werden allerdings fast immer Mitarbeiter mit Berufserfahrung gesucht und mit einem Know-how, das an Unis und Fachhochschulen selten gelehrt wird.

    Ich habe den Eindruck, dass der Bitkom hauptsächlich Krokodilstränen vergießt. Die IT-Industrie muss sich nachhaltig um ihren eigenen Nachwuchs kümmern. Das heißt, die Unis müssen mit mehr Projekten unterstützt werden, die Praktiker aus den Unternehmen stärker in die Curricula einbezogen werden und die Einstellungspolitik der Unternehmen muss zumindest etwas weniger konjunkturabhängig gestaltet werden. Dann klappts auch mit der Ausbildung und mit dem Interesse der Jungen am Fach Informatik.

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