Ein wiederkehrendes Thema auf dieser Blogsite ist die Frage nach der Macht des Bloggers. Klar: Alle Czyslanskys führen seit Jahren ein Online-Tagebuch, und man möchte gerne wissen, ob man das eigentlich nur zum Zwecke der Selbstbefriedigung tut, oder ob einem Blog sozusagen die vielzitierte „Kraft der Feder“ innewohnt, die gemeinhin nur die klassischen Medien wie Zeitung, Funk oder Fernsehen für sich in Anspruch nehmen. Oder noch ein Stückchen höher gehängt: Sind Blogger Angehörige der vierten Gewalt im Staat, und kann das, was sie schreiben, den Gang der Geschichte verändern oder wenigstens teilweise beeinflussen?

Wenn ja, dann lässt sich diese Macht des Bloggers natürlich theoretisch auch mißbrauchen, so wie diejenigen, die das einstige Nazi-Parteiblatt „Der Stürmer“ herausgaben, die Macht des gedruckten Wortes für ihre finsteren Zwecke korrumpiert haben.

Ein besonders krasses Beispiel dafür ist das Gerücht, Barack Obama sei ein Muslim. Fakt ist: Obama wurde von seiner alleinerziehenden Mutter, eine weiße Atheistin, und seinen protestantischen Großeltern in Hawaii großgezogen, sein Vater, ein nichtpraktizierender Muslim aus Kenia, verließ Frau und Sohn, als Obama noch ein Kind war. Trotzdem tauchen entsprechende Gerüchte aber immer wieder auf, und man fragt sich, woher sie wohl stammen könnten.

In der aktuellen Ausgabe gehen die New York Times dieser Frage auf den Grund, und das Ergebnis zeigt, wozu ein einzelner Blogger dank Internet heute in der Lage ist.

Es stellt sich nämlich heraus, dass der Mann, der das Gerücht um Obamas Religionszugehörigkeit im August 2004 in die Welt gesetzt hat, ein gewisser Andy Martin ist, ein prozesswütiger Querulant aus dem tiefsten Sumpf der ultrarechten Spinnerszene. Auf seinem Blog „Contrarian Commentary“ sowie in einer Flut von so genannten „Pressemitteilungen“, die er online an die etablierten Medien sendet, wütet Martin seit Jahren gegen Liberale, Neger, Juden und sonstiges Gesocks, oft mit erstaunlichem Erfolg. So durfte er jüngst in der äußerst populären Sendung „Hannity’s America“ des rechtskonservativen US-Senders Fox News unwidersprochen behaupten, dass Obama als Terrorist ausgebildet worden sei.

In der Sendung wird Martin als „Internet-Journalist“ vorgestellt. Was zeigt, wie weit man es als Blogger bringen kann, wenn man nur hartnäckig und rotzfrech genug ist. Einer Meinungsumfrage der Associated Press zufolge glauben inzwischen 15 Prozent aller US-Amerikaner nämlich diesen von Martin verbreiteten Blödsinn.

Man kann das Ganze aber auch positiv sehen: Wenn ein Schmierfink wie Martin es schaffen kann, die öffentliche Meinung in Amerika nachhaltig zu beeinflussen, dann können wir das auch. Also, Leute: Bloggt mal schön. Die Welt liest mit!

PS: Hier noch meine Lieblings-Website zum Thema „Ist Obama ein Muslim?“. Die Antwort ist eindeutig.

5 Antworten

  1. nichts ist zu nischig, nichts ist zu abgedreht, um es medienwirksam aufbereiten zu können. Aber bloggen allein reicht da nicht. Der Vorfüheffekt entsteht erst wenn neue und klassische Medien sich gegenseitig verstärken. Das ist ein bisschen wie self fullfilling prophecy

  2. die macht der blogger interessiert mich herzlich wenig. die ganze bloggerei ist doch nichts weiter als ein „runder hydepark“. und ein runder hydepark ist doch – wenn ich meinen alten mathe-lehrer wölfel noch richtig zusammen bekomme – nichts weiter als ein hydepark mit unendlich vielen ecken. und in der ecke des hydepark steht das speakers corner. mit der bloggerei steigt also erstmal nur der lärmpegel, in der dummheit aber auch in der intelligenz.

    drei dinge sind es, die mich an der bloggerei interessieren:

    1. die corporate blogs – das sind die, auf denen immer nur einer spricht und kein schwein kommentiert. diese blogs funktionieren dann, wenn es genug leute gibt, die wissen wollen, wie die „corporation“ dahinter tickt. was die schreiben und wie die schreiben. eine art firmenpersönlichkeit drückt sich dann da aus. so funktioniert übrigens auch MEIN corporate blog (http://www.vibrio.eu/blog): ordentliche besucherzahlen aber niemand hinterlässt spuren. hab ich kein problem damit. nutz ich selbst wie xing und linkedin, wenn ich recherchiere.

    2. dann interessiert mich, wie ich für mich spannende blogs zum diskurs finden kann. da gibt es heute nur wenige, die wirklich erfolgreich sind und grosse themenrunden bilden, etwa der thomas knuewer (http://blog.handelsblatt.de/indiskretion). und ein paar, die zumindest schöne meinungen präsentieren (wie natürlich czyslansky). die meisten großen blogs aber langweiligen über zig kommentare mit einer diskussion der blogger über das bloggen. eine große nabelschau lebender toter. da hilft nur abnabeln. häufig gibts das zu sehen beim kultblogger robert basic. da kann nur robert nix dafür (http://www.basicthinking.de/blog/).

    3. dann ist es spannend, wie der stellenwert von völlig obskuren blogs durch eine eigenwillige exotik ins unermessliche oder jedenfalls in unangemessen steigt. mein liebling hier http://bestatterweblog.de. könnt ich mich totlachen bei dem blog.

    aber querulanten und giftspritzer gabs auch schon früher in den leserbriefspalten und redaktionsstuben. who cares …

  3. Ich würde die „Querulanten“ in der amerikanischen Rechtsradikalen-Szene, von den „Militias“ bis zur „Alaskan Independence Party“, die durch Sarah Palin zu weltweiter Aufmerksamkeit gekommen ist, nicht unterschätzen.
    Die „GOP“ selbst tut das jedenfalls nicht. Warum hätte sie sonst Frau Palin als VP-Kandidatin aufgestellt? Nun wenden sich zwar konservative Urgesteine, wie Pat Buchanan von ihr ab, aber die „silent majority“ der Querulanten und ultra-religiösen christlichen Fundamentalisten genießen die neue Popularität. Nicht dass damit ein Staat zu machen, oder auch nur eine Mehrheit zu gewinnen wäre – das zeigen die aktuellen Umfragen deutlich.
    Aber man kann damit eine Atmosphäre anheizen, die einen „Spinner“ dazu bringen, mit Obama wie mit Martin Luther King Jr. und anderen Schwarzen zu verfahren. Die Rufe „Kill him!“ (bezogen auf Obama) sind jedenfalls bei den Veranstaltungen von Frau Palin deutlich zu hören.
    YouTube und anderen „sozialen Medien“ sei Dank!

  4. Der Punkt ist: Ein einzelner Blogger hat es innerhalb von 4 Jahren geschafft, 15 Prozent der US-Amerikaner von einer völlig falschen und potenziell destabilierenden Geschichte zu überzeugen. Das ist Macht, pure and simple! Das schafft kein anderes Medium, kein Fernsehen, keine Tageszeitung. Aber im Gegensatz zum Journalismus gibt es keine Blogger-Ethik, keinen Presserat, kein Regulativ. Wenn Euch das nicht Angst macht, seid Ihr härter gesotten, als ich dachte.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.