Ein immer wiederkehrendes Thema, ja geradezu ein Leitmotiv im Leben Czyslanskys, war bekanntlich seine beharrliche Suche nach Mitteln und Methoden zur Erweiterung des Bewusstseins, das ihn mit zahlreichen großen Geistern seiner Zeit (siehe: Aldous Huxley, „Die Pforten der Wahrnehmung“, 1954) verband. Unter den zahllosen Stoffen, die er sich im Rahmen seiner rastlosen Suche nach kreativitätsfördernder Stimulans in fester, flüssiger oder vergaster Form einverleibte, spielte der zur Familie der Lauraceae (Lorbeergewächse) zählende cinnamomum (altgriechisch κιννάμωμον) eine herausragende Rolle.

Zimt gilt ja als eines der ältesten Gewürze der Menschheitsgeschichte. Sein Gebrauch als Würzmittel ist in China seit über 3000 Jahren nachweisbar. Inschriften aus der Zeit der 18ten Dynastie Ägyptens (um 1.550  bis 1.292 v. Chr.), die die Rückkehr von Handelsschiffen aus dem sagenumwobenen Lande Punt beschreiben, sprechen von „wohlriechenden Hölzern“, die zur Ladung gehörten, darunter das als besonders kostbar geltende „Zimt-Holz“. Erwähnung findet der aus der getrockneten Rinde von Zimtbäumen sowie (zur Herstellung von Zimt-Öl) kleineren Ästen und den Blättern gewonnene Stoff in hebräischen Texten aus vorexilischer Zeit. Plinius der Ältere (23-79) beschreibt den Handel mit Zimt über Äthiopien, wobei das Herkunftsland des in Rom und später im mittelalterlichen Europa verwendeten Zimts vermutlich Ceylon war, wo auch heute der beste Zimt entsteht. Während billiger Cassia-Zimt (auch chinesischer Zimt genannt), wie er heute vorwiegend in Fertigprodukten verarbeitet wird, das als stark gesundheitsschädlich bekannte Cumarin in hohen Dosen (ca. 2 g pro kg) enthält, beträgt der Wert für hochwertigen Cinnamomum verum (Ceylon-Zimtbaum) lediglich 0,02 g.

Aus zeitgenössischen Quellen wissen wir, dass Czyslanskys verschiedene Domizile, beispielsweise die Berghütte oberhalb von Redwood City in Kalifornien, das Farmhaus bei Livingston im damaligen Rhodesien, die Turmfeste bei Helsingør oder die Dachstube über dem „Coopi“ in Zürich, von zahlreichen  Aromen durchzigen war (die hauptsächlich, das muss zugegeben werden, aus Czyslanskys, wie ja auch bei vielen anderen Geistesgrößen, gelegentlich beklagenswert laxer Einstellung zur Personalhygiene herrührten). Dazu zählte stets auch der markante Duft von Zimtaldehyd, wie wir aus den Überlieferungen von Zeitzeugen wissen, die sich das auch nicht richtig erklären konnten.

Inzwischen wissen wir: Der große Meister unternahm immer wieder Versuche, die Wirkung von Zimt durch Manipulation, etwa durch Verglühen oder subcortikaler Injektion ätherischer Zimtöle, sowie durch Suspension in verschiedenen Flüssigkeiten zu erhöhen. Letzterem verdanken wir heute ein gerade zur Jahresendzeit inzwischen außerordentlich populäres Getränk, dessen Ausdünstung inzwischen ab etwa Ende November die Innenstädte Mitteleuropas wie eine süßlich wabernde Gewürzwolke durchzieht. Die Rede ist vom von ihm so benannten „Vinum aestuo“, vulgo „Glühwein“. Allerdings hat das heute auf Weihnachtsmärkten massenweise konsumierte, industriell vorgefertigte und hochgradig cumarinverseuchte Gebräu wenig mit seiner ursprünglichen Kreation zu tun. Czyslansky war bekanntlich Feinschmecker, und er verwendete viel Mühe darauf, hochwertige Zutaten und Wirkstoffe zu besorgen. Außerdem ist seine Vorliebe für feinste Burgunderweine unter Czyslansky-Kennern sprichwörtlich.

Deshalb sei an dieser Stelle und dem jahreszeitlichen Anlass entsprechend Czyslanskys Ur-Rezept für Vinum aestuo verraten. Mögen die Verehrer des großen Vordenkers des Digitalzeitalters ihr Glas in Rührung und Ehrfurcht erheben!

Vinum aestuo nach Czyslansky*

Zutaten für 1 Portion

1 Stück Würfelzucker
1/4 l besten Burgunder
1/2 unbehandelte Zitrone
1/2 Stange Cinnamomum verum (Rinde vom Ceylon-Zimtbaum)
einige Tropfen Blue Curacao-Likör

1. Den Würfelzucker in einen kleinen Kochtopf geben und mit dem Burgunder übergießen

2. Die halbe Zitrone heiß waschen, trockenreiben und dünn schälen. Die Schale zusammen mit der Zimtstange in den Kochtopf legen. Langsam erhitzen, bis sich Schaum bildet – den Wein jedoch nicht kochen lassen (wichtig!)

3. Topf vom Herd nehmen und den Schaum mit einem Löffel abschöpfen. Einige Tropfen Curacao-Likör zum Wein geben, kurz umrühren und die Mischung einige Minuten ziehen lassen.

4. Den Vinum aestuo durch ein Haarsieb in ein vorgewärmtes Glas oder eine Tasse gießen und möglichst heiß genießen!

*Nach: Tim Cole, „Einladung zur Happy Hour“ (Gräfe und Unzer, 1996)

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