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Neue Gerüchte um die wissenschaftliche Ehrlichkeit des Bundesvereidigungsministers

“Guttenberg soll bei Doktorarbeit abgeschrieben haben” titelt heute die Süddeutsche Zeitung und dokumentiert umfangreiche Textidentitäten zwischen des Freiherrn Dissertation und ebenso älteren wie fremden Vorträgen, Buch- und Zeitschriftenartikeln. Hatte der Disserteur einfach zu wenig Zeit für eine eigenständige wissenschaftliche Arbeit? Könnte sein, schließlich beklagte er schon bei der Vorlage des umfangreichen Werkes über amerikanische und europäische Verfassungsfragen seine angeschlagene Verfassung beim Abfassen seines Werks:

Guttenberg und seine Dissertation

„Wie oft wurde der Kairos der Fertigstellung durch freiberufliche wie spätere parlamentarische Ablenkung versäumt, bevor die Erkenntnis dieses traurigen Faktums einer bemerkenswerten Mischung aus eherner professoraler Geduld, sanftem, aber unerbittlichem familiären Druck und wohl auch ein wenig der beklagenswerten Eitelkeit weichen durfte“, lässt der adelige Minister den Leser an seiner Mühsal teilhaben. „Allzu viele mussten meine verwegene Charakter- und Lebensmelange ertragen, und ich bin allen überaus dankbar für unbeugsame Gelassenheit. Gleichwohl: Wirkliche Besserung ist kaum absehbar.“ (zitiert nach faz.net)

Will er uns damit sagen, dass er noch immer kupfert, wo er des Kupferns Würdiges zu finden meint?

Wie dem auch sei: Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester steht nicht alleine im historischen Sumpf des Plagiatswesen. Wie immer liefert der Adel nur einen blassen Abglanz wahrhaft großer historischer Fälschungsleistungen.

In unserem Kulturkreis haben Fälschungen und “Nachschöpfungen” eine lange Tradition, etwa im Reliquienwesen. Allein auf dem heiligen Berg Bayerns, im Kloster Andechs, werden rund 500.000 Reliquien verwahrt. Die Sammlung reicht von einigen Silberlingen (der „Judas-Lohn“) über eine Haarlocke der heiligen Anna bis zu mehreren Tropfen Muttermilch der Mutter Maria. Weltweit aber gibt es derart viele Judas-Silberlinge, dass der Judas-Lohn offenbar unter frühen Inflationserscheinungen litt. Über die Milchproduktion des frühchristlichen Kopftuchmädchens ist mir zu wenig bekannt, um hierüber unzweifelhafte Aussagen treffen zu können. Dass aber beileibe nicht alles heilige echt sein kann ist offensichtlich. Wie sonst könnte die katholische Kirche heute an nicht weniger als 13 Plätzen gleichzeitig stolz auf die überlieferte Vorhaut von Jesus stolz sein. Diejenige im römischen Lateran ist übrigens ein Geschenk Karls des Großen, auf den der Überlieferung zufolge das Praeputium seinerzeit durch Engel übertragen wurde. Eine andere Vorhaut trug die heilige Katharina in ihrem Ringfinger. Im Mittelalter war der Handel mit solchen Reliquien ein wichtiger Wirtschaftsfaktor und ein weltlicher Herr, der auf sich hielt, war von der Gnade solcher Fälschungen durchaus abhängig. Nicht anders ist es heute mit wissenschaftlicher Reputation. Was ist ein studierter Freiherr, der Karriere machen will, ohne Doktortitel? Ein Titel ist ein Wirtschaftsfaktor. Und manch weltlicher Herr mit wenig Zeit ist von Fälschungen durchaus abhängig.

Aber was ist schon das Kopieren fremder Gedanken um Verfassungsfragen gegen die Vervielfachung christlicher Praeputien? Erteilen wir also gnädig dem Minister Absolution – ehe das nächste Skandälchen auf ihn und uns zukommt.

„Die Fälschung unterscheidet sich vom Original dadurch, dass sie echter aussieht.“ (Ernst Bloch)

9 Antworten

  1. Keine Vorhaut ändert etwas daran, dass Abkupfern wissenschaftliche Arbeiten entwertet (oder einen nicht vorhandenen Wert vortäuscht). Wenn der Vorwurf gegen zG der Überprüfung standhält, sehe ich keinen Grund zur Absolution. Mit Verlaub, Herr Kausch: Das Motiv, dafür zu plädieren, kann ja wohl nur die Fallhöhe eines Ministers sein. Unbekannte akademische Pfuscher, wenn erwischt, werden kommentar- und gnadenlos relegiert.

  2. Nachdem es ja auch „unechte“ Adelige gibt, die sich gegen Geld vom verarmten Adel adoptieren liessen, warum sollten sich nicht dann auch „echte“ Adelige einen Doktortitel adoptieren …

  3. Lieber Herr Seeger,

    sie haben natürlich recht: im Prinzip gilt „Keine Gnade jenen, die sich Reputation erschwindeln!“ Ich bin wohl auch durchschaut: da ich vor langer Zeit meine eigene Dissertation mühevoll mir selbst erarbeiten musste und durfte (es war ein Vergnügen, wie nur selten etwas), habe ich ein wenig auf adeliges Entgegenkommen gehofft: ich verzeihe ihm sein Plagiat und ER adoptiert mich und adelt meinen Namen. Mit dem Verweis „Michael von Czyslansky“ komm ich ja bestenfalls an kostenlose Schnittchen auf Pressekonferenzen und Blogger-Treffen …

  4. Nachdem ich nicht verdächtigt werde, kritikloser Anführer des KT-Fanclubs zu sein, getraue ich mir den Hinweis darauf, daß es sich bei dieser angeblichen Abkupferei in der Süddeutschen um eine eher harmlose Variante handelt. Er übernimmt Passagen aus Zeitungen und Vorträgen. Hätte er eine ordentliche Quellenangabe gemacht, wäre das alles kein Thema. Daraus nun eine abgeschriebene Arbeit zu machen, wie man es in der Blogosphäre bereits liest, oder auch eine Arbeit, die wissenschaftlich entwertet sei, ist hanebüchene Übertreibung.

    Meine Vermutung: KTvzG hatte, nachdem er den Kairos immer wieder nicht zu packen verstanden hatte, eine Unmenge kleiner Zettelchen oder auch Dateien, Screenshots, Kopien, was weiß ich, und davon paßte einiges ganz gut. Manchmal wusste er nicht mehr, daß er den Text notiert hatte und meinte vielleicht, das sei von ihm.

    Mein Vorschlag: Wir zucken mit den Achseln und wenden uns wieder den Punkten der Kritik an KTvzG zu, die dringlicher sind.

    PS.: @Alexander: LOL!!
    PPS.: Vermutlich ist im Moment die Guttenbergsche Diss das meistgelesene wissenschaftliche Werk in Deutschland – MegaLOL

  5. Heute melden die Medien, dass ein Abschnitt der Dissertation auf einen Vortrag Guttenbergs zurückgeht, der selbst wiederum nach eigenen Aussagen Guttenbergs in Teilen auf Arbeiten des wissenschaftlichen Büros des Deutschen Bundestags beruht.

    Letztlich wird alles wieder wie üblich im Stil des „Hornberger Schiessens“ – der Bundeswehr würdig – enden: Guttenberg wird erklären, er habe von der ganzen Dissertation gar nichts gewusst, der Doktortitel wird auf einen beurlaubten entfernten Mitarbeiter seines Stabs (Ho! ho!) übertragen und Angie besorgt Guttenberg einen Ehrendoktor der Nationalen Agraruniversität der Ukraine. Den hat ja sogar Seehofer schon erhalten.

  6. @michael & @sebastian Warum adoptiert ihr beiden euch denn nicht gegenseitig? Dann kriegt der einen sein „von“ und der andere seinen Dr. ?
    Ich stelle das Haargel und Czyslansky wird Minister!

  7. Der Blog neu-news hat den Ghostwriter jetzt offenbar enttarnt:

    „Aus zuverlässiger Quelle im persönlichen Umfeld des Ministers verlautete, die Familie habe beschlossen, im Interesse des Freiherrn im äußersten Notfall einzuräumen, daß die Doktorarbeit von Karl-Gustav Wilhelm Enno von und zu Guttenberg verfasst wurde. Karl-Gustav Wilhelm Enno von und zu Guttenberg verstarb zwar bereits im Jahre 1412, geistert aber immer noch jede Nacht durch Schloss Guttenberg. Gegen den hartnäckigen Widerstand des Ministers habe das Schlossgespenst die Doktorarbeit verfasst und persönlich, ohne Wissen des Ministers, bei der Universität Bayreuth eingereicht.“

    (plagiiert von : http://www.neu-news.de/content/guttenberg-ghostwriter-enttarnt)

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