Der Titel ist etwas irreführend. Nicht Griechenland ist das Thema, sondern die Statistik als Kunst. Statistiken begleiten uns von früh bis spät: Die Sitzeverteilung im Deutschen Bundestag, die 10 meistgekauften Bücher diese Woche, die Veränderung des Alkoholkonsums in Deutschland in den letzten 30 Jahren, die Ausbruchwahrscheinlichkeit bestimmter isländischer Geysire, Waffenexporte der Ukraine, Rohstoffvorkommen in der Nordsee, das Verhältnis zwischen Nisthäufigkeit von Störchen am Neusiedler See und der dortigen Geburtenrate.

Letzteres war übrigens real, falls ich nicht doch einer urbanen Legende aufgesessen bin: Während meines Studiums munkelte man, jemand habe einen Universitätsrecher solange Korrelationen rechnen lassen, bis sich lustige Erkenntnisse manifestiert hatten. Zum Beispiel eben die enge Koppelung zwischen Störchen und Babies, statistisch bewiesen. Während der Normalbürger kurzt grinst, ist der positivistische Wissenschaftler entsetzt – was heißt das eigentlich, daß etwas statistisch bewiesen sei, im Licht dieser Geschichte? So gesehen war jene Statistik in den 80ern des vergangenen Jahrhunderts ein sehr interessanter Beitrag zur Wissenschaftskritik. Oder war das schon Kunst?

Kunst! Diese war nun wieder ein Auslöser, in einer aktuellen Ausstellung in München: The Grand Insolvency Show. Jens Semjan und Bernhard Lermann stellen 300 unterschiedliche Statistiken aus und nennen das eine „Ausstellungspolemik“. Wunderbare Schöpfung. Man betritt die alte Fabrikhalle im Münchener Stadtteil Haidhausen (kein Eintritt, danke!) und wird von mehreren Diaprojektoren mit Statistiken überschüttet. Klack – ein neues Dia. Skurriles, Erschreckendes – klack – Uninteressantes, Verblüffendes, Unbegreifliches. Klack – und schon wieder neue Dias. Nach wenigen Minuten schwirrt einem der Kopf. Man nimmt sich einen Stuhl und konzentriert sich auf einen Strom von Statistiken. Klack. Anschauen. Klack. Das nächste. Und sieheda: Man wird davongetragen. Das Welträtsel entwirrt sich. Der Kakaokonsum in Deutschland, Bildungsausgaben der Welt (wie? Wir geben weniger aus die USA? VIEL weniger??). Klack – alles hängt zusammen, die Welt als Spreadsheet und Vorstellung. Es sind nicht die Zahlen, eher die Bilder. Säulen, Kurven, Torten. Alles völlig verexcelt. Klack. Eine Stunde reicht locker.

Dann: Zurück in die Realität, hinaus ins gastliche Haidhausen – an Gesprächsstoff mangelt es beim anschließenden Barbesuch sicher nicht.

Dauer: 2.2. bis 29.2.2010
Öffnungszeiten: Di-So, 14.00-20.00 Uhr, Eintritt frei

LOTHRINGER 13 – Städtische Kunsthalle München
www.lothringer-dreizehn.com

Und für alle die, die nicht kommen können, gibt es das ganze ohne den „Nächstes Dia-Klack“-Effekt auf YouTube. Immerhin – aber das Original lohnt sich mehr!

2 Antworten

  1. damit könnte man sich in der tat stundenlang beschäftigen. und es tun sich mindestens soviele fragen auf, wie sich antworten aufnötigen.
    – wo zum beispiel und teufel liegt der ort „barnim“, der auf der hitliste der orte mit zugelassenen elektroautos in deutschland hinter böblingen und stuttgart noch vor münchen auf rang drei liegt?
    – warum importiert china mehr skier, als österreich? kommt die gelbe gefahr über die alpen?
    – warum sinkt in lettland die zahl der verbrechen seit auch die zahl der polizisten rückläufig ist? wäre hieraus eine strategie für die deutsche innenpolitik ableitbar?
    – wirkt sich der überraschend und extrem geringe anteil der wirbellosen tiere im tiermix des leipziger zoos auf das ausgeprägte rückgrat der menschen in der heldenstadt leipzig aus? oder umgekehrt? oder wie? oder was?

    ich bin verwirrt …

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