Bahnhof tut wehBestimmte Gruppen und Branchen haben so ihre eigene Sprache. Denken Sie nur an die vielbeschworene Geheimsprache der Personalchefs, die sie in Zeugnissen verwenden, um einen neuen Arbeitgeber zu warnen, ohne dem Mitarbeiter ein offensichtlich schlechtes Zeugnis ausstellen zu müssen. „Hat sich stets bemüht“ bedeutet in Wirklichkeit „Totalversager“, „war bei den Kollegen sehr beliebt“ wird als „Klatschbase“ verstanden und „bewies viel Einfühlungsvermögen“ heißt, der Kerl hat es mit Kolleginnen getrieben.

Die meisten Manager und Politiker sind auch sehr gut darin, ihre wahren Absichten oder Meinungen hinter einer Sprachwand zu verbergen. Die Liste der Tricks reicht von leeren Worthülsen („unsere Gewinnsituation ist besser, als sie aussieht“) über Negativaussagen („unser Geschäftsführer wird nicht gefeuert“ – aber ob er da bleibt ist damit nicht gesagt…) bis zu falschen Rückschlüssen („die Gehaltserhöhungen fallen dieses Jahr kleiner aus weil sie nicht größer ausfallen können“).

In den technischen Berufen gibt es viele Geheimsprachen, zum Beispiel in der Computerbranche. Deshalb wünschen sich zum Beispiel Novell-Administratoren niemals einen guten Abend! „Abend“ ist in ihrem Jargon nämlich der Hinweis auf einen Systemabsturz („abnormal end“).

Geheimsprachen dienen meistens dazu, einem kleinen Kreis einen Wissensvorsprung zu sichern vor den anderen – den Klassenkameraden, der Konkurrenz, der Öffentlichkeit im allgemeinen. Es geht also um den Schutz von Herrschaftswissen. Und das ist ziemlich genau das Gegenteil von Verkaufen.

Es gibt dafür im Englischen sogar einen eigenen Fachausdruck: „non-communication“, zu deutsch „Nicht-Kommunikation“ oder Kommunikationslosigkeit. Er bezeichnet das Versagen der Verständigung zwischen Menschen, die zwar theoretisch die gleiche Sprache sprechen, sie aber in der Praxis als verbale Nebelwolke verwenden, häufig um damit von der eigenen Unsicherheit abzulenken. Eine solche mit Fachausdrücken, Fremdwörtern, Abkürzungen und Akronymen überladene Sprache wird auch gerne als „Technobabel“ bezeichnet, eine Anspielung auf den wohl berühmtesten Fall von Kommunikations-Kollaps in der Geschichte, nämlich die biblische Sprachverwirrung anlässlich des Turmbaus zu Babel.

Menschen, die ihre Sprache mit Fachchinesisch überladen, wollen häufig in Wahrheit gar nicht kommunizieren, sondern sich selbst darstellen, den anderen belehren oder ihn womöglich erniedrigen. Andere mögliche Gründe sind Inkompetenz,  schlichte Faulheit oder einfach sprachliche Schlamperei.

Wenn der amtsdeutsche Schimmel wiehert

Beamte sind bekannt für ihre Fähigkeit, im Grunde recht einfache Vorgänge durch sprachliche Aufblähung so zu verklausulieren, dass ein „normaler“ Mensch nichts mehr versteht. Eines der schönsten Beispiele dafür stammt vom schwäbischen Schriftsteller Thaddaeus Troll, der einmal das Kindermärchen „Rotkäppchen“ ins Amtsdeutsche umgedichtet hat. Das klingt dann so: „Im Kinderfall unserer Stadtgemeinde ist eine hierorts wohnhafte, noch unbeschulte Minderjährige aktenkundig, welche durch ihre unübliche Kopfbekleidung gewohnheitsrechtlich Rotkäppchen genannt zu werden pflegt.“

Aber Hand aufs Herz: Klingt das hier etwa besser (entnommen aus einem Werbeprospekt für eine neue Taschenlampen-Baureihe eines deutschen Herstellers: „Unsere High-End Lumineszenslenser sind kalte monochrome Photonenpumpen und mit Hilfe der Quantenphysik populär zu definieren: Um die Atomkerne kreisende Elektroden werden durch Stromzufuhr aus ihrer Bahn geworfen, nehmen jedoch blitzschnell wieder ihre alte Position ein und geben die vorher zugeführte elektrische Energie in Form von Lichtenergie ab.“

Natürlich ist es mühsam, sich verständlich und voraussetzungsfrei auszudrücken, vor allem dann, wenn es um ein komplexes Thema geht und man von einem Thema viel mehr weiß als der Gesprächspartner. Wer aber erfolgreich verkaufen will, muss diese Mühe auf sich nehmen. Und mit etwas Übung kommt Ihnen diese Art zu reden immer leichter über die Lippen. Am besten die einfache Grundregel befolgen: Fachausdrücke, die unvermeidlich sind, bei der ersten Erwähnung in einem Nebensatz kurz erklären.

Wer in einem Gespräch mit Fremdwörtern um sich wirft, um zu zeigen, wie gebildet er doch ist, mutet seinen Zuhörer eine Menge zu.  Von streng fachlichen und/oder wissenschaftlichen Gesprächen einmal abgesehen sollten Sie mit Fremdwörtern, die nicht allgemein gebräuchlich sind, sparsam umgehen – nicht nur der deutschen Sprache, sondern vor allem der Verständlichkeit zuliebe.

Natürlich sind Fremdwörter ein unverzichtbarer Teil der deutschen Sprache. Sie kam auch früher nie ohne Fremdwörter aus, auch wenn das ein paar Ewiggestrige nicht wahrhaben wollen (zum Beispiel diejenigen, die im Dritten Reich „Fenster“ durch „Windloch“ und „Nase“ durch „Gesichtserker“ ersetzen wollten). Selbst die Redaktion des „Duden“ gibt zu, dass Fremdwörter gerade in der fachspezifischen Kommunikation vor allem dann nötig sind, wenn etwas mit deutschen Wörtern nur umständlich oder unvollkommen umschrieben werden kann, um eine Aussage stilistisch zu variieren oder den Satzbau zu straffen. Sie warnen aber auch: „Fragwürdig kann der Ge­brauch von Fremdwörtern dort werden, wo die Gefahr besteht, dass sie Verständigung und Verstehen erschweren.“

Aweful Anglizismen

Das Englische ist schon lange auf dem Vormarsch. Dabei sehen  viele im zunehmenden Gebrauch von Anglizismen die Gefahr der Überfremdung der deutschen Sprache und eines „gesunden Sprach- und Kulturpatriotismus“, wie ihn zum Beispiel der Verein deutsche Sprache (VDS) für sich reklamiert. Der Bereich Computer und elektronische Kommunikation ist ein Paradebeispiel für die „Durchseuchung“ mit englischen Fachbegriffen, für die viele von uns gar keine deutsche Entsprechung kennen (wohl auch deshalb, weil es sie manchmal gar nicht gibt). Längst „downloaden“ unsere Kinder „Files“ aus dem Internet, um sie auf ihren „Playern“ abzuspielen. Wer sagt denn ernsthaft noch „Abspielgerät“ dazu?

Man mag das beklagen. Die Franzosen sind sogar so weit gegangen, die Verwendung von Anglizismen in der öffentlichen Werbung zu verbieten. In Deutschland sind wir noch nicht ganz so weit. Andererseits ist es nicht von der Hand zu weisen, dass die englische Sprache international einen hohen Status besitzt und viele Begriffe deshalb auch jenen absolut geläufig sind, die ansonsten die englische Sprache nicht oder nur unvollkommen beherrschen. Wenn man jedoch die internationalen Hitlisten (da taucht schon wieder ein Anglizismus auf, nämlich „hit“) betrachtet, so lässt sich eine Dominanz englischsprachiger Musik und damit eine Vorliebe der Konsumenten nicht von der Hand weisen.

Am besten ist es, sich dieses Thema beim Gespräch vor Augen zu halten und zu versuche,n mit der Zeit ein Gespür dafür zu entwickeln, wie viele englischen Lehnwörter Sie Ihrem jeweiligen Gegenüber zumuten können. Und im Zweifel gilt hier wie schon für andere Fachausdrücke: Lieber einmal zu oft einen Begriff erläutern als einmal zu wenig.

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