Die Süddeutsche Zeitung berichtet in ihrer heutigen Ausgabe über ein uns allen schon lange geläufiges Problem: gekaufte und gefälschte Produktbewertungen auf Amazon und anderen Online-Plattformen.

Das wissen wir doch, dass viele Unternehmen Firmen damit beauftragen, ihre Produkte gegen kleines Geld im Internet in den Himmel zu loben. Während eine positive Hotelbewertung heute rund 10 Euro kostet, gibt es den Fan-Like und das Facebook-Abo schon für 70 Cent. Das ist furchtbar, aber leider erlebbar- und buchbar. Andererseits habe ich schon von vielen Restaurant-Besitzern gehört, dass immer wieder Gäste sie nach dem Dessert anmachen „Entweder das Dessert war kostenlos oder der Verriss auf Tripadvisor wird furchtbar sein“. Und wieder andererseits sind seriöse Kundenbeschwerden und -kritiken wertvoll und ihre Lektüre erspart Fehlkäufe und übt einen gesunden Druck auf die Qualitätsmanager der Unternehmen aus. Klassische Shitstorms lehren uns das immer wieder.

Zur Aufdeckung unseriöser Produktbesprechungen empfiehlt meine Lieblingszeitung heute das Tool reviewmeta.com.  Diese Seite analysiert die Glaubwürdigkeit von Rezensenten und Produkttestern auf Amazon. Hierzu werden das Besprechungsverhalten und Inhalt und Stil der Besprechung analysiert. Klingt ja toll. Und ich kannte dieses Zaubertool noch gar nicht. Also habe ich es ausprobiert. Und natürlich bei einem Produkt, das ich verstehe.

Also habe ich mal das Buch „Digital Transformation“ von Tim Cole auf Amazon gesucht. Dieses Buch wurde viel gekauft, viel gelesen und viel besprochen. Auch von mir:

Man gibt also diese Seitenadresse in reviemeta.com ein und schon fängt das kleine Tool an digital zu rattern. Das Ergebnis ist erschütternd: Statt dem ausgewiesenem Rating 4.1 hält das Tool ein qualifiziertes Rating von 3.4 für angemessen. Von 16 Besprechungen werden gleich sieben als unglaubwürdig eingestuft und ausgewiesen. Und mit ihnen werden die Rezensenten als unglaubwürdig eingestuft.

Und zu den Buchkritikern mit schlechter Reputation gehöre auch ich! Und der Präsident des Bundesverbands der deutschen Industrie Prof. Dieter Kempf! (siehe Titelbild) Und Dr. Winfried Felser, Fraunhofer-Wissenschaftler und CEO der Netskill Solutions GmbH.

Dieter Kempf kann man einfach nicht über den Weg trauen: er ist ein „One-Hit-Wonder“ und „Easy Grader„. Letzteres teilt er mit mir: wir beide bewerten nur sehr selten einmal ein Produkt/Buch und wenn, dann nur wenn es uns wirklich gefällt. Für schlechte Bücher machen wir uns die Arbeit nicht. Das macht uns zum „Easy Grader“. Ich bin auch noch ein „Single Day Reviewer“. Wie ich zu dieser Ehre komme, ist mir allerdings schleierhaft, ebenso wie der ganze blödsinnige Algorithmus von reviewmeta.com.

Ich fürchte, reviewmeta.com wird uns nicht dabei helfen, zwischen relevanten und irrelevanten Besprechungen zu unterscheiden. Die Absicht ist löblich, das Ergebnis eher unsinnig. Denn, um die Frage aus dem Titel dieses kleinen Postings zu beantworten: Ja, man kann Dieter Kempf trauen. Und mir auch. Jedenfalls wenn es um Bücher, Schallplatten und Single Malts geht. 😉

2 Antworten

  1. Lieber Michael,

    spannend!

    Dabei war ich so begeistert von dem Buch von Tim, dass ich sogar meinen Laptop in Madrid vergessen habe vor lauter Flow. Und Professor Kempf traue ich auch unbedingt …

    Natürlich bekommen wir Probeexemplare geschickt oder wie im Fall von Tim sogar das PDF vorweg. Und natürlich ist der Review naiv. Wenn ich professionell täuschen will, dann mache ich einfach eine Adversary-Strategie zum Algorithmus, indem ich natürlich mehrere Reviews habe, notfalls auch ganz viele negative und das Buch bei Amazon kaufe, auch wenn ich es schon besitze. Ich teste mal, wer besser ist: AI oder HI 😉

    Beste Grüße

    Winfried

  2. Schöne Geschichte – auch wenn ich nur angefangen habe zu lesen, weil ich mich fragte, was Du für ein Problem mit Dieter Kempf hast.
    Und natürlich gilt: traue nur dem Algorthmus den Du selber programmiert hast… Oder so ähnlich 😉

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