Seltsamerweise diskutieren wir in der IT immer sehr grundsätzlich. Digital eben: Strom, kein Strom. Funktioniert, funktioniert nicht. Eigentlich absurd in ihrer Grundsätzlichkeit, die Debatten um Windows versus Linux, um Client-Server-Computing versus Mainframe, um Thin- versus Fat-Client und über allem der Streit und die große Frage Make or buy? Dabei wurde zwar immer grundsätzlich gefragt, aber gehandelt wurde und wird von den meisten IT-Verantwortlichen pragmatisch. Ein bisschen Linux geht schließlich immer, genauso wie Thin-Clients in bestimmten Bereichen Sinn ergeben oder auch Teile der IT durchaus von Dienstleistern einkaufbar sind.

Trotzdem werfen wir uns immer wieder mit frischer Verve auf die neuesten Trends. Zur Zeit baut sich eine Kontroverse um Cloud-Computing auf, die sachlich eigentlich nicht nötig ist, aber hoffentlich dazu beiträgt, den Gedanken zu verbreiten.

Sachlich nicht nötig, weil wir eigentlich wissen, worum es geht. Das Phänomen der zunehmenden Industrialisierung von IT und ihrer Bereitstellung wurde schon mit anderen Vokabeln belegt: Utility Computing, Application Service Provider, Software as a Service. Gemeint war immer das Gleiche. Gartner definiert Cloud Computing als eine Art Computing, bei der mit Hilfe von Internettechnologien hochgradig skalierbare IT-Ressourcen für eine große Anzahl von Kunden „As a Service“ angeboten werden. Das kann bedeuten, dass Anwender künftig Rechenzentren, Netze und Storage nicht mehr selbst betreiben, sondern die für den Applikationsbetrieb nötigen Kapazitäten einkaufen. Neben diesem infrastrukturorientierten Cloud Computing werden künftig auch Applikationen wie CRM, SCM oder ERP aus der Cloud als Service zur Verfügung gestellt. E-Mail-Services für den Endkunden kommen heute schon zum großen Teil aus der Cloud. Denken Sie nur an Googlemail, Yahoo, Hotmail, GMX und viele andere E-Mail-Services, die ihren Kunden zumeist kostenfrei E-Mail und Speicherplatz zur Verfügung stellen.

Und hier beginnt das Unverständnis. Warum agieren IT-Chefs hier nicht pragmatischer? Warum betreiben Unternehmen Commodities wie E-Mail noch selbst? Das kostet Server, Netzkapazität, Storage und Admin-Tage und bringt einem IT-Verantwortlichen nur Ärger: mit den eigenen Nutzern und den Compliancehütern wegen der sich ständig ändernden Gesetzeslage. Ernsthaft glauben, er könnten E-Mail besser und vor allem billiger oder sicherer betreiben als Google oder Yahoo, kann doch kein CIO mehr. Ähnliches gilt für Desktop-Services und Office-Applikationen. Das sind doch wirklich Commodities, die sich besser und billger von außen beziehen lassen. Kurz und gut auch in Sachen Cloud Computing wird es langsam Zeit für mehr Pragmatismus. Dort wo sich ein erster risikoloser Schritt anbietet, sollte man ihn gehen. E-Mail ist so ein Schritt.

Eine Antwort

  1. Die ITler neigen einerseits zu Pragmatismus, andererseits gibt es keine andere Branche, die so atemlos dem letzten Trend hinterherhechelt. Findige IT-Vermarkter wissen das, und sie haben ein ungeheures Talent entwickelt, olle Kamellen in möglichst schicke neue Modebegriffe zu kleiden. Dieses Überkleben des Haltbarkeitsdatum mit immer neuen Buzzword-Etiketten führt gelegentlich zu digitalem Gammelfleisch. Manchmal aber – und ich würde argumentieren, dass Cloud Computing dafür ein gutes Beispiel ist – wird eine gute Idee, deren Zeit einfach noch nicht gekommen ist, lange genug am Leben gehalten, bis sie einschkagen kann.

    Was wir heute als „Cloud“ bezeichnen hieß mal Batch Processing und war in der Mainframe-Welt gang und gäbe. Dann kamen die PCs, und alles wurde aufs Desktop verlagert. Mit der Vernetzung kam das Client/Server-Modell groß in Mode, das wiederum Dinge gebar wie ASP (Application Service Providing), Managed Services, SaaS (Software as a Service), Utility Computing und nun halt eben die große Wolke. Auch wenn der I-Tüpfler noch einen winzigen prinzipiellen Unterschied zwischen ihnen herauskitzeln kann, bleiben sie für den etwas distanzierten Betrachter im Grunde immer das Gleiche: Outsourcing von Datenbeständen, Anwendungen oder IT-gestützten Prozessen.

    Klar macht das mehr Sinn als alles selber machen, vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen, die sich besser auf ihre Kernkompetenz konzentrieren und Geld verdienen sollen statt zu versuchen, eine eigene, immer komplexere IT am Laufen zu halten. Aber ich war lange genug in Schwaben daheim um zu wissen, dass wo Menschen sind, es menschelet. Und eine der ureigensten Wesenzüge vieler Menschen ist es, unbedingt alles selber machen zu wollen, nach dem Motto: „Was ma nett selber mecht, des wird nix!“

    Was natürlich ein großes Glück ist für die IT-Industrie, denn die kann weiterhin Hunderttausenden von Mittelstandsunternehmen immer neue Hardware und Software andrehen, die sie gar nicht bräuchten, wenn alles über die Wolke, sprich: über eine Handvoll Großrechenzentren liefe. Von wegen Pragmatismus: Die Irrationalität wird vorsätzlich geschürt!

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